Die Quellen der Bewegtbildangebote mögen sich massiv verändern, der große Bildschirm bleibt indes im Trend. Im Jahr 2018 guckten etwa 68 Prozent der Deutschen vor allem lineares Fernsehen oder Livestreams. Bereits ein Viertel nutzte primär Abrufbares oder aufgezeichnete Sendungen. Die unter 30-Jährigen sahen sogar überwiegend Streaming-Angebote (62 Prozent), wie es die medienanstalten in ihrem Digitalisierungsbericht Video 2018 offenbarten.
Der meistgenutzte Videodienst in Deutschland war mit knapp 24 Millionen Menschen (34 Prozent) YouTube. Die Mediatheken der Sender riefen knapp 31 Prozent ab, etwa 29 Prozent die Streaming-Angebote von Amazon, Netflix und Co. Und laut GfK zählten diese Marken im ersten Quartal dieses Jahres bereits fast 23 Millionen bezahlende Fans in Deutschland.
Der Trend ist klar: Streaming-Dienste gewinnen immer mehr Zuschauer. So ist die traditionelle TV-Nutzung zwischen 2017 und 2018 um 6,1 Prozent zurückgegangen, Video-on-Demand legte um fast 30 Prozent zu.
Laut einer Online-Befragung von Trade Desk, Betreiber einer cloudbasierten, digitalen Plattform zur Werbebuchung, sind in diesem Sommer bereits 55 Prozent der Deutschen Kunden von Netflix, 46 Prozent streamen via Amazon und nur 26 Prozent haben kein Streaming-Abo. 70 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass sie Inhalte aus Mediatheken lieber über einen großen Bildschirm als auf dem PC/Laptop, Tablet oder Smartphone konsumieren.
Die Entwicklung geht rasant weiter. Wie es aktuell um den deutschen Bewegtbildkosmos steht, wird am 24. Oktober öffentlich, wenn der Digitalisierungsbericht Video 2019 der Medienanstalten erstmals im Rahmen der Medientage München präsentiert wird.
Die Folge der Veränderungen: In Deutschland sucht die Branche händeringend nach Antworten auf die Konkurrenz aus den Staaten. Die Anbieter treffen unter anderem an Tag 2 der 33. Medientage München aufeinander, beim TV-Gipfel ebenso wie beim VoD Special am Nachmittag. Die Speaker aus dem In- und Ausland spiegeln die aktuelle, sich verschärfende Konkurrenzsituation im Markt wider.
Doch wer streamt inzwischen eigentlich auf dem deutschen Markt?
Hier eine Übersicht zum aktuellen Stand:
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Eigentlich schon der Klassiker. Ursprünglich 1997 in den USA als Online-Videothek gegründet, gibt es den Streaming-Dienst seit September 2014 im deutschen Markt. Weltweit zählte Netflix zuletzt im Frühjahr rund 150 Millionen bezahlte Mitgliedschaften.
Ab 7,99 Euro im Monat kann der Dienst abonniert werden, der jederzeit binnen Monatsfrist gekündigt werden kann. Geboten werden laut Netflix "tausende Filme und Serien", darunter inzwischen auch deutsche Eigenproduktionen wie "Dark".
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Der zweite große US-Anbieter nennt keine konkreten Zahlen. Zahlreiche Filme und rund 400 Serien werden Abonnenten geboten, darunter auch Eigenproduziertes wie "You Are Wanted". Für 7,99 Euro im Monat (monatlich kündbar) zu beziehen oder als Teil des Lieferservices Amazon Prime für 69 Euro pro Jahr zu haben (jährlich kündbar).
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Die RTL-Familie startet seine 2007 gelaunchte Mediathek TV Now Ende 2018 als Streaming-Dienst neu. Seither gibt es für monatlich 4,99 Euro Serien vor der Ausstrahlung in den Sendern der Familie, Inhalte der Konzern-Abosender, das Liveprogramm sowie öffentlich-rechtliche Produktionen wie "Polizeiruf 110". Der werbefinanzierte Part besteht weiter. Kostenlos ist daher das Streaming vieler Serien und Shows bis sieben Tage nach TV-Ausstrahlung in den RTL-Programmen. Prägend sind exklusive deutsche Eigenproduktionen wie "M – Eine Stadt sucht einen Mörder".
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Mitte 2016 launchte der Pay-TV-Anbieter Sky Deutschland das monatlich kündbare Streaming-Angebot Sky Ticket.
Anders als bei Netflix oder Prime Video kauft der Nutzer bei Sky Ticket nicht ein Gesamtpaket, sondern eine Sparte, die er für knapp 10 Euro pro Monat streamen kann: Serien, Filme oder Sport. Auf neue Konkurrenz reagiert Sky Ticket mit Kooperationen.
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Erst im Herbst 2018 wurde das TV-Produkt der Deutschen Telekom unter der Marke als Magenta TV neu aufgesetzt und als monatlich kündbares OTT-Angebot eingeführt.
Der Konzern wirbt für seinen Service, der auch die Online-Videothek Videoload beinhaltet, mit dem Preis (7,95 Euro monatlich), mit dem Service (monatlich kündbar, 75 TV-Sender, via App streambar) und mit dem Begriff "Megathek" (über 13.500 Filme und Serien).
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Der Sky-Herausforderer im Fußballbereich hat erst im Juli einen Coup gelandet: Der Streaming-Anbieter aus der Perform Group schloss mit der Eurosport-Mutter Discovery einen umfassenden Rechte-Deal, der auch 40 Bundesligaspiele enthält.
Der monatliche Preis für Dazn ist zum 1. August von bisher 9,99 Euro auf 11,99 Euro gestiegen. Zugleich wurde ein Jahresabonnement neu eingeführt - zum Preis von 119,99 Euro.
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Im neuen Streamingdienst von ProSiebenSat.1 und Discovery sind Anfang Juli die bisherigen Angebote Maxdome, 7TV und der Eurosport Player aufgegangen. Seither gibt es dort mehr als 55 Livesender sowie diverse Mediatheken.
Abrufbar ist nach eigenen Angaben neben einem "breiten werbefinanzierten Angebot auch ein werbefreies Paket zu attraktiven Preisen sowie Premiumpakete mit Zugang zu exklusiven Sportübertragungen und Filmen". Ein Premiumbereich unter anderem mit Filmen und Sport soll im kommenden Winter starten.
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Der Unabhängige unter den Streamern, der bereits seit zwölf Jahren mit Arthouse-Filmen überzeugen will, verteilt sein Team auf die Standorte London, San Francisco, Berlin, New York, Melbourne und Vancouver.
Das monatlich wechselnde und kuratierte Angebot mit 30 Filmen ist für 9,99 Euro im Monat zu haben. Täglich kommt ein neuer Streifen hinzu, dafür muss der Älteste im Portfolio weichen. Ausgewählt werden Kult-Filme, Klassiker, Independent-Produktionen und Festival-Hits nicht von einem Algorithmus, sondern von einer Redaktion.
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Die 2017 vom Medienunternehmer Dan Maag und Schauspieler Matthias Schweighöfer angeschobene Plattform setzt auf die Kooperation mit Filmproduzenten und Rechteinhabern. Diese stellen ihre Produktionen selbst dem weltweiten Publikum auf der Plattform zur Verfügung.
Um das Unternehmen wirtschaftlich stabiler aufzustellen, kündigte Pantaflix vor wenigen Monaten an, Inhalte künftig auch werbefinanziert und damit kostenlos (AVoD) sowie im Abo-Modell (SVoD) anbieten zu wollen. Dies ermögliche dem Unternehmen, "zusätzliche Umsatzpotenziale und neue Kundenkreise in einem dynamisch wachsenden VoD-Markt zu erschließen", hieß es.
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Bei Rakuten zahlt der Nutzer für den Inhalt, den er abruft. Die Kosten orientieren sich an Auflösung und Aktualität der Filme und belaufen sich auf rund 4 bis 10 Euro. Auch ein jederzeit kündbares monatliches Abonnement bietet Rakuten TV an.
Netzkino verspricht, das "größte legale Streaming-Angebot für Spielfilme" zu sein. Über 2500 Filme bieten die Berliner an, abrufbar auf allen Geräten. Finanziert wird die Plattform durch Werbung.
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Zunächst hatte sich der Google-Dienst auf Filme beschränkt. Inzwischen sind auch Serien abrufbar - ohne Abo. Filme und Serien können gekauft bzw. entliehen werden. Eine Serienfolge kostet um die 2,49 Euro, Preise für ganze Staffeln und Filme unterscheiden sich stark.
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AppleTV+, Disney+, WarnerMedia, NBCU
Im November werden mit Disney+ und Apple TV+ zwei weitere Schwergewichte in den Kampf um Streaming-Abonnenten eintreten - global. Wie der hauseigene Streaming-Service Apple Music dürfte auch der TV-Service Insidern zufolge 9,99 US-Dollar pro Monat kosten. Beide ersetzen zusammen mit Apple Podcast das bisherige Streaming-Angebot von iTunes.
Doch es dürfte vor allem der Micky-Maus-Konzern mit seiner riesigen Film- und Serienbibliothek den Markt noch einmal kräftig aufmischen.
2020 wird - voraussichtlich rund um den geplanten Launch-Termin der VoD-App von NBC Universal im April - auch der Streamingdienst HBO Max von Warner Media an den Start gehen. Ob und mit welchen Inhalten NBCU und HBO Max auch in Deutschland starten werden, ist noch unklar.
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Die europäische "Supermediathek"?
Ist derzeit nicht in Sicht. Obwohl sich vor allem der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm dafür stark macht. Er will Google und Facebook eine europäische Digitalplattform mit Qualitätsinhalten von öffentlich-rechtlichen, privaten und staatlichen Anbietern entgegenstellen. Die kommerziellen deutschen Partner engagieren sich lieber in eigenen Projekten (TV Now, Joyn).
In Frankreich dagegen haben die Kartellbehörden gerade eine neue Allianz abgenickt. Dort soll 2020 die senderübergreifende Plattform mit dem Namen "Salto" online gehen. Mit dabei sind das öffentlich-rechtliche France Télévisions und die beiden größten Privatsender TF1 und M6.
Große Programmzeitschriften folgen dem Trend und geben inzwischen täglich Streaming-Tipps heraus, Burdas TV Spielfilm streamt gleich selbst. Die Gong-Familie aus der Funke Mediengruppe hat einen Online-Service für Gestreamtes im Angebot.
Die 33. MEDIENTAGE MÜNCHEN vom 23. bis zum 25. Oktober 2019 geben dem Thema Streaming Raum. Beim VoD Special am 24. Oktober ziehen unter anderem Katja Hofem von Joyn, Jan Wachtel von TV Now und Nicolas Paalzow von Pantaflix eine Zwischenbilanz der deutschen Netflix-Herausforderer. Einen Eindruck gibt es unter www.medientage.de/programm.