Es ist ein guter Zeitpunkt, um über die Zukunft der Bundesliga im deutschen Fernsehen nachzudenken. Die Nutzung von Bewegtbild wandelt sich rasant, der Fan-Nachwuchs konsumiert anders – und der Liga-Dachverband DFL hat Gedankenspiele, wie und wie teuer er künftig die Rechte an die Anbieter von Fußball-Formaten bringen will. Gerade wurde das Bieterverfahren eröffnet.
Beim Deutschen Medienkongress des Fachmagazins "Horizont" Ende Januar präsentierte Christian Seifert eine klare Herangehensweise der deutschen Fußball-Bosse an die aktuell anstehende Vergabe der audiovisuellen Rechte an der Bundesliga. Die Devise lautet (mehr denn je): Paid Content.
Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gab zu verstehen, dass der Dachverband sehr wohl weiß, wie sehr sich der TV-Konsum gewandelt hat, vor allem bei jungen Zielgruppen. Gerade die Generation Z, die zwischen 1997 und 2009 Geborenen, sehe die Dinge anders, betonte Seifert in Frankfurt. Der Bundesliga-Manager hob hervor, dass sie Bezahlinhalten aufgeschlossener gegenüberstehen würden.
Dass dem so ist, ließ die DFL schon weit im Vorfeld der neuen Rechterunde von Wissenschaftlern erarbeiten. Im Frühjahr 2019 stellte die WHU-Otto Beisheim School of Management (WHU) im Auftrag der DFL Deutsche Fußball Liga eine Studie vor und sprach von einem "spannenden Ergebnis für die Urheber von Premium-Inhalten": Die "GenZ" wisse demnach hochwertige Angebote zu schätzen und besitze im Vergleich zu älteren Generationen eine höhere Bereitschaft, dafür auch etwas zu bezahlen. DFL-Chef Seifert kommentierte die "Zukunftsstudie Bundesliga-Konsum" damals so: "Der Generation Z ist bewusst, dass digitale Inhalte ihren Wert haben. Diese Gegenbewegung zur 'Freemium'-Anspruchshaltung ist eine wichtige Botschaft für alle Medienunternehmen.“
Das gilt, wenn der Inhalt stimmt. Wie die DFL die Erwartungen des jungen Publikums an die Bundesliga-Präsentation auf den verschiedenen Verbreitungswegen einschätzt, hat ihren Ursprung unter anderem in der umfassenden WHU-Analyse. So hoben die Forscher den Wunsch nach kürzeren und kurzweiligen Medienformaten hervor, nach Individualisierung der Inhalte, indem etwa Highlight-Zusammenfassungen auf persönliche Interessen zugeschnitten sein sollte.
Hinzu kommt: Es werden immer häufiger zwei Endgeräte parallel genutzt. In der Regel bilden TV und Smartphone den "Second-Screen-Konsum", um Spieldaten und weitere Informationen zu den Bundesliga-Begegnungen zu beziehen.
Auch die hohe Bereitschaft der GenZ (38 Prozent), ein Fußballspiel über Virtual-Reality (VR) konsumieren zu wollen, präsentierte Seifert Ende Januar – und damit nur rund zwei Wochen vor der offiziellen Ausschreibung für die TV-Rechte an der Bundesliga von Sommer 2021 bis zur Spielzeit 2014/2025.
Seiferts Vorstellungen vom künftigen Bundesliga-Konsum werden aktuell von einer weiteren Studie von Capgemini gestützt, die das wachsende Interesse von Sport-Fans an Virtual Reality belegen soll.
Wie virtuell und digital wird die Bundesliga ab 2021 für den Zuschauer? Unklar. Getestet wird einiges. Fest steht aber, dass das Bewerberfeld weiter wachsen wird.
Bis Mai haben Bewerber nun Zeit, sich um die zahlreichen Pakete fürs frei empfangbare Fernsehen, für Pay-TV, Streaming oder auch Audio zu bewerben. Neue große Player drängen auf den Markt, sorgen für immer weiter explodierende Rekorderlöse. Netflix, die Deutsche Telekom, die zuletzt die EM-Rechte für 2024 erworben hatte, Amazon, Disney, Apple oder auch Google – sie alle haben Interesse am Produkt Fußball, um es zu streamen.
Der DFL kann es recht sein. Sie wird erneut fürs begehrte Gut ein sattes Erlös-Plus erzielen wollen. Auch wenn die Zuwächse im hohen zweistelligen Prozentbereich von der letzten Rechterunde, die vor allem der Abofernseh-Anbieter Sky getragen hat, dieses Mal nicht zu erwarten sind. Dass die DFL allerdings Phantasie hat und sich viel Neues für die Inszenierung der Marke Bundesliga vorstellen kann, belegt die Christian Seifert Präsentation.
Der Paid-Content-Ansatz spielt indes fürs Auslandsgeschäft eine große Rolle. Für Seifert und seine Gefolgschaft aus den Bundesliga-Clubs kommt es dabei wie gerufen, dass "die Akzeptanz kostenpflichtiger Angebote im Internet von Jahr zu Jahr steigt“, wie die WHU-Studie darstellt.
So präsentierte der DFL-Geschäftsführer im August 2019 auf der Generalversammlung des Liga-Dachverbands eine kostenpflichtige Alternative für deutsche Bundesliga im Ausland – vor allem dort, wo das Interesse an den schwarz-rot-goldenen Mannschaften nachlässt: ein eigenes Over-The-Top-Angebot (OTT). Gemeint ist die Möglichkeit, die Spiele via Streaming selbstständig und damit unabhängig von Sendern verbreiten zu können.
Erhält die DFL auf ausländischen Märkten weniger Geld für die Bundesligarechte als gewünscht, könnte sie die Spiele selbst übertragen. Dieses Angebot mit dem Namen "Bundesliga-Pass" soll für 7,99 Dollar pro Monat verfügbar sein, stellte Seiferts Team in Aussicht.
Ist ein solches Modell auch im Heimatland denkbar?
Die DFL verneinte das. Doch andere Ligen spielen diese Variante durch, so etwa die britische Premier League. Sie plant offenbar bereits einen Test mit einem weltweiten OTT-Angebot. Und rechnet mit enormen Umsatzsteigerungen, wenn das hohe Gut Fußball ohne den Umweg über Sender oder Streaming-Plattformen direkt an den Fußball-Fan verkauft werden kann.
Wer aktuell die Fußball-Bundesliga oder die Champions League in Deutschland live sehen möchte, braucht dafür mindestens ein Pay-TV-Abo. Nach der derzeit laufenden Rechtevergabe ab der Saison 2021/2022 wird sich daran auch nichts ändern. Im Gegenteil, eventuell benötigen Fans sogar noch mehr Abos, um alle Spiele live sehen zu können.
Einen Rundumblick auf die Zukunft von Bewegtbild, auf Streaming-Strategien und OTT-Trends bietet das MEDIENTAGE Special "Connect! The Future of TV“ am 22. April 2020 in München.