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Stets vernetzt: Was macht das mit dem Gedächtnis?

Geschrieben von Cathrin Hegner | 20. Dezember 2022

Marken müssen das Vertrauen der "Generation Greta" erst gewinnen. Da die Mediennutzung der Jüngeren immer flüchtiger wird und ihr Markengedächtnis schwächelt, ist das gar nicht so einfach. Werbeerinnerung wird zur echten Herausforderung.

 

Flüchtlingskrise, Klima-Kollaps, Corona-Pandemie und ein Krieg mitten in Europa – die Gen Z, die nach 1995 Geborenen, haben schon so einiges mitgemacht. Kein Wunder, dass sie Regeln und Strukturen, die frühere Generationen etabliert haben, in Frage stellen und für ihre eigenen Werte auf die Straße gehen.

Die Generation Greta („The Guardian“) eint ein tiefes Misstrauen gegenüber Politik und Wirtschaft und natürlich auch gegenüber etablierten Marken.

„Wozu sollen die überhaupt nochmal gut sein? Komplett cringe und super needy, wie sie verzweifelt versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, um den Leuten ihren ganzen überflüssigen Kram anzudrehen“, schreibt Lars Kreyenhagen, Managing Partner von Karl Anders, Studio für Contemporary Branding, in einem Gastkommentar für HORIZONT. Laut einer Studie der Beratungsfirma Kelton Global denken 80 Prozent der 15- bis 18-Jährigen, es gehe Marken nur ums Geld, 51 Prozent glauben, Marken machen Versprechen, die sie nicht halten.

Urs Meier, Head of Client der Gen-Z-Agentur Garden of Youth, attestiert der Zielgruppe einen „eingebauten Bullshit-Detektor“, wenn es um die Glaubwürdigkeit von Werbeaussagen geht. Das Vertrauen in Marken beeinflusst die Kaufentscheidung massiv, so das Ergebnis einer Umfrage der Digital Content-Agentur House of Yas: 80 Prozent der 16- bis 25-Jährigen würden eher Produkte von Marken kaufen, die sich zu gesellschaftspolitischen Themen positionieren, insbesondere zu Rassismus (57 Prozent), Tierschutz (57 Prozent) und Klimawandel (53 Prozent).

Der Edelman-Report „The Power of Gen Z“ zeichnet ein ähnliches Bild: 85 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sagen, Markenvertrauen sei wichtig für die Kaufentscheidung. Dass sich die Generation wie keine andere für nachhaltiges Handeln stark macht und gleichzeitig chinesische Fast-Fashion-Retailer wie She-In feiert, ist ein Paradoxon, mit dem die Markenartikler zusätzlich umgehen müssen.

 

Generation Gedächtnisschwund?

Vertrauensbildung, Kommunikation auf Augenhöhe, mehr „We“ und weniger „Me“ ist da gefragt. Aber wie erreicht man eine Generation überhaupt noch, die auf Demos Plakate mit der Aufschrift „Konsum ist Scheiße!“ hochhält? Am besten über das Internet, denn keiner ist so gut vernetzt wie die Gen Z.

Die Pandemie hat die ohnehin schon hohe Online-Videonutzung weiter befeuert. Laut Media Activity Guide gucken die 14- bis 29-Jährigen täglich 3 Stunden und 36 Minuten Bewegtbild, kostenlose Online-Videos nehmen mit 73 Minuten schon genauso viel Zeit in Anspruch wie TV, bezahltes Streaming ist mit 70 Minuten dabei. In der jungen Zielgruppe ist laut AGF-Videoforschung schon weit über die Hälfte der Big-Screen-Nutzung kein klassisches Fernsehen mehr.

Die Werbungtreibenden folgen den Heranwachsenden ins Internet, denn sie wissen aus jahrzehntelanger TV-Erfahrung, wie gut Bewegtbildwerbung wirkt. Der Online-Vermarkterkreis im BVDW (OVK) erwartet für 2022 in Deutschland ein Wachstum der Nettoumsätze auf über zwei Milliarden Euro.

So einfach ersetzen lässt sich das Fernsehen im Mediaplan aber nicht. „Schon deshalb nicht, weil es an vergleichbaren Leistungsdaten und planbarer Fläche fehlt“, wie Norman Wagner, Leiter Konzern Media der Deutschen Telekom und Vorstand der Organisation Werbungtreibende im Markenverband, bei den Medientagen München betont hat. Auch weil sich die begrenzte Nutzungszeit auf immer mehr Plattformen verteile, seien die jungen Zielgruppen für die Werbekunden immer schwerer erreichbar.

 

Beschleunigung verkleinert Wahrnehmungsfenster

Dazu kommt, dass sich mit der Welt der Online-Videos neue Werbevermeidungsstrategien entwickelt haben. Zapping war gestern, heute wird gescrollt, gescrubbt und weggeklickt oder gar nicht erst hingeguckt. Die Jüngeren sind schneller im Umgang mit den Devices, dadurch bleibt insgesamt weniger bei ihnen hängen. „Sie haben ein beschleunigtes Mediennutzungsverhalten und deutlich kürzere Wahrnehmungsfenster für die Werbung“, erklärt Stefan Schönherr, Vice President & Partner beim Marktforschungsunternehmen eye square. Dazu komme eine „weniger starke Verbundenheit mit klassischen Marken“, so Schönherr. „Unabhängig von der Werbewirkung beobachten wir, dass die Markenbekanntheit in den jüngeren Zielgruppen dramatisch abnimmt.“

In der Studie „Track the Success“, die eye square im Auftrag der Gattungsinitiative Screenforce durchgeführt hat, zeigt sich über alle untersuchten Bewegtbild-Medien hinweg ein schlechteres Werbeerinnerungsvermögen der jüngeren Generation – hier bis 39-Jährige. Der Befund sei stabil, betont Marktforscher Schönherr. „Je weiter wir in den Altersgruppen runtergehen, umso schlechter die Erinnerung.“

Quelle: Screenforce

Tatsächlich war die Gedächtnisleistung der Jüngeren früher besser. So kommt eine rund 15 Jahre alte AdTrend-Analyse von Seven.One Media noch zu dem Schluss, dass sich jüngere Menschen besser an TV-Werbung erinnern als ältere, da sie offenbar generell eine höhere Merkfähigkeit hätten. Vergleicht man die gestützte Werbeerinnerung mit Daten aus dem Mindmonitor 2020, dreht sich das Bild und die Älteren schneiden besser ab.

 

Immer kürzer, krasser, überraschender

Eltern haben die Gründe dafür schnell „analysiert“: Vermutlich lässt die exzessive Smartphone-Nutzung die Kids allmählich verblöden. Immer schneller scrollen sie über die Welle von Reels und TikToks, die alle Social-Media-Plattformen geflutet hat. Immer kürzer, krasser, überraschender müssen die Schnipsel sein. Und irgendwann wird das Gehirn halt so, wie man es benutzt. Was nicht sofort reinzieht, wird gar nicht erst zur Kenntnis genommen.

Die Psychologin und Marktforscherin Ines Imdahl hat ihre Erfahrungen im Interview mit MTM22 so geschildert: „Wenn wir heute Probanden eine halbe Stunde TikTok oder Instagram gucken lassen, können sie sich hinterher an kaum etwas erinnern, unabhängig davon, ob es um Werbung oder andere Inhalte geht.“

Man muss etwas durcharbeiten, damit etwas hängenbleibt.
Ines Imdahl, rheingold salon


Werbewirkung brauche Geschichten, die man mit Marken verbindet. Der Gen Z fehle diese Brand Education weitgehend, so Imdahl

Dass das Gehirn grundsätzlich schwächelt, sei aber nicht zu befürchten, betont Marktforscher Schönherr: „Im Vergleich zur deutlich kürzeren Wahrnehmung der Video-Ads ist die Gedächtnisleistung sogar noch relativ gut.“ Man könne davon ausgehen, dass die Aufnahmefähigkeit der Jüngeren besser sei als die der Älteren, „aber eben nicht gut genug, um das beschleunigte Medienverhalten und die geringere Markenverbundenheit zu kompensieren“.

 

Wie können Marken gegensteuern?

„Indem sie inspirierende Inhalte, Plattformen und Wissen zur Verfügung stellen und zu mehr Teilhabe einladen“, sagt Lars Kreyenhagen von Karl Anders. „Frei nach dem Prinzip: built together, benefit together“.

Nachhaltigkeit sei kein Erfolgsgarant, sondern allenfalls ein „Hygienefaktor, der nicht ins Marketing, sondern in die Herstellung gehört“, erklärt Urs Meier, Garden of Youth. „Die Gen Z ist keine homogene Zielgruppe. Marketer müssen in Communities denken und nicht in Nettoreichweiten.“ Die Werbungtreibenden sollten den Kreatoren auch mal vertrauen, ihnen wie Krombacher zum Beispiel eine Marke in die Hand geben und im Hintergrund als „Möglichmacher“ für Produktion und Logistik sorgen.

Meier: „Wer in einem Dorf relevant sein will, muss wissen, welche Sprache dort gesprochen wird.“

 

Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.


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