Wenn wir unsere Bildschirme anschalten, gehört der Zugriff auf diverse Streaming-Abonnements oder Mediatheken für viele von uns längst zur Normalität. Doch unbegrenzt ist das Video-Vergnügen nicht: Zwei aktuelle Studien von Bitkom und Simon-Kucher zeigen uns und den Streaming-Anbietern verschiedene Grenzen auf. Hinzu kommt, dass unsere Vorliebe für kürzere Clips auf Social Media zur echten Konkurrenz für die langen Videos wird. Die Details.
Der Streaming-Markt wächst weiter, stößt aber bei Budgets und Nutzungszeit zunehmend an Grenzen. Die jährliche Bitkom-Studie "Consumer Technology“ führt in der aktualisierten 2024er-Ausgabe aus, dass Deutsche im Schnitt 15,40 Euro pro Monat für SVoD-Dienste wie Netflix ausgeben – und damit 2,50 Euro weniger als noch vor zwei Jahren. 33 Prozent der befragten User rufen kostenlose Video-Angebote unter anderem aus den Sender-Mediatheken auf.
Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) sind bereit, für einmaliges Streamen von Filmen und Serien zu bezahlen. Und 37 Prozent setzen auf das Streaming-Abo. Über alle Varianten hinweg bindet Streaming sein Publikum im Schnitt 8,4 Stunden pro Woche vor dem Bildschirm.
Unterdessen nimmt die Konkurrenz auf dem Screen und neben dem Bildschirm zu: Zum einen ist das klassische Fernsehen "noch längst nicht tot“, wie es der Bitkom formuliert. Noch 92 Prozent der Deutschen entscheiden sich zumindest hin und wieder fürs lineare TV über Kabel, Satellit oder Antenne.
Selbst 85 Prozent der Jüngeren zwischen 16 und 29 Jahren steuern auf der Fernbedienung zuweilen das Fernsehprogramm an. Immer mehr streamen zugleich Videos über das Internet: "86 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren schauen zumindest hin und wieder über diesen Weg – vor zwei Jahren waren es erst 75 Prozent“, teilt der Verband mit.
Nun wird nicht nur das Angebot, das im Wohnzimmer über den großen Bildschirm abrufbar ist, größer. Das Smartphone, das in der Regel inzwischen stets neben den Zuschauenden liegt, greift zusätzlich Zeit ab: Social Media wird zur ernstzunehmenden Konkurrenz fürs Streaming. Dies ist ein Kernergebnis der "Global Streaming Study 2024" der Beratungsfirma Simon-Kucher.
Lieber Clips auf TikTok, Facebook und Instagram als Prime Video oder Joyn: Für 40 Prozent der Unter-40-Jährigen ist Social eine gute Alternative zum Stream, Unterhaltendes als Short-Form-Content kommt gut an. "Social-Media-Plattformen und Streaming-Anbieter werden zu direkten Konkurrenten!“, warnt Lisa Jäger, Partnerin und Global Head of Technology, Media & Telco bei Simon-Kucher. "Wer seine User zurückholen will, sollte daher über vermehrte Video-Ads auf Instragram, TikTok & Co. nachdenken", rät die Managerin den etablierten Absendern von Bewegtbild.
Erstmals hat das Beratungsunternehmen das Thema Social Media in der jährlich erhobenen Studie rund um den Streaming-Markt unter die Lupe genommen. 2024 haben die Berater zwischen April und Mai in zwölf Ländern knapp 12.200 Streaming-User online befragt. Auskunft zu ihrer Streaming-Nutzung gaben Menschen in Ländern wie China, USA, Brasilien und Deutschland. Hierzulande waren 1002 Teilnehmer ab 18 Jahren dabei.
Deutlich wird: Bereits ein Viertel aller Befragten weltweit ersetzen Streaming-Zeit durch Surfen in sozialen Netzwerken, wo wiederum die Dichte an Video-Inhalten zunimmt. Bewusst wird bei Instagram und Co vermehrt auf Bewegtbild gesetzt, um mit höherem "Engagement“ User zu binden.
Noch hinkt Deutschland dieser Entwicklung etwas hinterher, wie das Simon-Kucher-Werk verdeutlicht. So liegt demnach der Anteil der "Substitution“ potenzieller Streaming-Zeit durch kurze Clips andernorts "bereits deutlich höher“. Die Entwicklung an sich ist aber eindeutig und auch im Kurzzeit-Vergleich mit der Vorjahresstudie erkennbar.
Darüber hinaus revidiert Simon-Kucher eine Aussage zur Wachstumskurve im Streaming von 2023. Noch vor einem Jahr hat das Berater:innenteam vor allem AVoD gute Chancen eingeräumt, der werbefinanzierten Streaming-Variante, die fürs Publikum weniger oder gar keine Kosten verspricht. abflacht. Jetzt kann das Team einen deutlichen Anstieg bei bezahlten Abonnements verkünden (plus 14 Prozentpunkte). Kostenlose Dienste werden demnach weniger genutzt (minus neun Prozentpunkte).
60 Prozent der Streaming-Zeit entfallen aktuell auf bezahlte Abonnements – "zu Lasten der kostenlosen Streaming-Dienste", wie es heißt. "Wir sehen dabei eine starke Verschiebung von kostenlosen Online-Diensten hin zu Bezahl-Abos“, erklärt Lisa Jäger. Verzeichneten Plattformen wie Amazon Freevee im letzten Jahr noch einen starken Nutzungszuwachs, sei dieser Trend "aktuell eher rückläufig".
Passend dazu hat auch weltweit die Nutzungszeit und die Anzahl bezahlter Streaming-Abos pro User zugelegt. Im Schnitt beziehen Streaming-Fans 3,0 Abonnements. Die Deutschen sind weniger spendabel und lassen es mit im Schnitt 2,7 Streaming-Abos gut sein. Dabei entspricht dieser Wert einem deutlichen Zuwachs gegenüber 2023, als der Streaming-Haushalt mit 2,1 SVoD-Angeboten zufrieden war.
Aus Sicht von Simon-Kucher liegt das unter anderem daran, dass sich die Menschen an die allgemein steigenden Kosten gewöhnt hätten und wieder bereit sind, sich ein besseres Angebot zu leisten. Exklusivität punktet, kostet aber auch: Die werbefinanzierten Streams bieten laut Studie eher Masse statt Klasse.
Bei der Zahlungsbereitschaft kommt Simon-Kucher zu ähnlichen Ergebnissen wie der Bitkom. Die Beratungsfirma hat erfragt, dass den Usern ein einzelnes Abo 16 Euro wert ist; im Vorjahr war dieser Wert auf zehn Euro gesunken. Das Gesamtbudget indes gibt um zwei Euro nach und liegt nun bei 23 Euro pro Monat.
Und die Kündigungsbereitschaft ist hoch; jede:r Dritte stuft die Ausgaben als zu hoch ein. Auch glaubt ein Viertel, zu viele Streaming-Dienste zu beziehen. So wollen 37 Prozent der Befragten in Deutschland ein neues Abo nur abschließen, wenn sie ein altes gekündigt haben. Ein Drittel plant das konkret will in den kommenden zwölf Monaten.
Unter den Kündigungswilligen sind allerdings 45 Prozent dazu bereit, ein günstigeres werbefinanziertes Angebot als Alternative zu akzeptieren. an, dass sie ihr Abo wahrscheinlich behalten würden, wenn es günstiger wäre, aber dafür Werbung enthielte. Interessant: Jetzt hält Simon-Kucher fest, dass die Akzeptanz von Werbung eher stagniere.
Noch ein weiterer Aspekt sticht aus der aktualisierten Simon-Kucher-Marktanalyse hervor: die Aussagen zum Einfluss von Gaming-Angeboten auf Streaming-Fans.
Gerade die Jüngeren zwischen 18 und 39 Jahren sind demnach eher bereit zum Abo-Abschluss, wenn Spiele on Top enthalten sind. Über ein Drittel der Befragten aus der jungen Zielgruppe stimmen dem zu, sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Für über 40 Prozent der 18- bis 39-Jährigen erhöht sich durch die Games-Integration, wie sie etwa Netflix seit einigen Jahren anbietet, auch die Wertigkeit des Streaming-Angebots.
Simon-Kucher kommt zu dem Schluss, dass kostenlos angebotene Spiele im Abo auf gut genutzt werden können, "um das Engagement der Zielgruppe zu steigern und sie im umkämpften Markt stärker an den Streaming-Anbieter zu binden“. Übrigens würden Abo-Bereite maximal drei Euro zusätzlich pro Monat ausgeben, wenn neben Streams auch Spiele nutzbar wären.
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