Facebook testete seit Oktober 2019 Facebook News in den USA, im Sommer 2020 wurde die Funktion für alle US-Nutzer:innen freigeschaltet, ab Mai sind deutsche Medienhäuser und User am Zug. Facebook bezahlt künftig dafür, dass nun auch Publisher aus Deutschland ihre Inhalte in einem gesonderten Bereich des Netzwerkes präsentieren. Dort werden Nutzer:innen gezielt ausschließlich mit Medieninhalten versorgt.
Mit rund 30 deutschen Medienpartnern, die über 100 Marken auf sich vereinen, soll Facebook News im Mai hierzulande loslegen. Zum Start sind nationale Anbieter wie FAZ, Spiegel, Zeit, taz oder das Handelsblatt mit von der Partie, regionale Häuser wie Funke oder Ippen sowie die Zeitschriftenverlage Condé Nast oder auch Gruner + Jahr. Hinzu kommen Fachportale wie Sport1, Heise und Utopia. Im Januar hatte Großbritannien den Anfang im europäischen Roll-out gemacht mit Facebook-News-Teilhabenden wie Financial Times und Guardian. Frankreich soll ebenfalls in Kürze folgen.
In einem eigenen Bereich wird Facebook den beteiligten Verlagen Geld dafür bezahlen, dass sie ihre Beiträge "um zusätzliche Inhalte ergänzen". Das US-Unternehmen will Medienhäuser auch dabei unterstützen, digitale Abonnent:innen zu gewinnen. Die Publisher können frei Zugängliches oder Inhalte aus ihren Bezahlversionen in Facebook News einspeisen; das stellt ihnen Mark Zuckerbergs Netzwerk frei. Man zahle für zusätzliche Links, die zu den Verlagsseiten führen und die über den Umfang hinausgehen, den die Verlage bereits jetzt selbst auf Facebook posten, heißt es.
Auch wenn Schwergewichte wie die Süddeutsche Zeitung und die Häuser Burda, Bauer und Axel Springer derzeit lieber nur über Facebook News berichten, als vom Start weg daran teilzuhaben, scheint der US-Konzern auf sie zu setzen. Denn im Lauf des Jahres will Facebook weitere deutsche Partner bekanntgeben.
So viel zu den harten Fakten. Für das neue Zuckerberg-Angebot sprechen Zahlen und Ziele: 2020 hat der Facebook-News-Feed nach Konzernangaben weltweit rund 180 Milliarden Klicks für teilhabende Verlage generiert. "Wir schätzen den Wert dieses Traffics für Verlage auf etwa 9 Milliarden US-Dollar", fügt Facebook selbst hinzu.
Die Verlage erhoffen sich laut Statements in der Facebook-Ankündigung des Europa-Partnerschafts-Managers Jesper Doub, vor allem neue Zielgruppen erschließen zu können. Spiegel-Geschäftsführer Stefan Ottlitz etwa will "herausfinden, wie wir gerade angesichts des Erfolgs unserer Abomodelle neue Interessierte für unsere Marken begeistern können — aber auch bestehende Abonnent:innen besser halten können, indem wir sie auf neuen Kanälen erreichen".
Kritiker befürchten indes, dass der Social-Media-Riese seine Position als News-Gatekeeper noch verstärkt. Während Facebook Journalist:innen und Publishern mehr Reichweite verspricht, bemängeln kritische Beobachter:innen, dass der Zuckerberg-Konzern seine Vormachtstellung innerhalb der Digitalbranche durch Facebook News noch stärker zementieren könnte.
Diesen Schluss lässt die Facebook-Abkündigung durchaus zu. Im News-Bereich wolle Facebook seinen Nutzer:innen "eine Mischung aus kuratierten und personalisierten Nachrichten“ bieten, schreibt Doub weiter. Sie sollen hier "Themen und Geschichten entdecken können, die ihren Interessen entsprechen".
Einer Studie des Pew Research Center zufolge sind 62 Prozent der Amerikaner:innen im Frühjahr 2020 der Ansicht gewesen, Facebook habe zu viel Kontrolle über die News, die Nutzer:innen über die Plattform konsumieren können. In der Tat könnten User noch stärker als bislang in ihrer eigenen Filterblase gefangen werden. Denn auch das Nachrichtenangebot auf Facebook News setzt ein Algorithmus zusammen. Blockieren User bestimmte Artikel oder Publisher, können sie diese Filterblase noch verstärken und im radikalsten Fall die Meinung Andersdenkender zu einem Thema komplett ausblenden.
Axel Springer führt andere Gründe an, warum der Verlag mit den Marken Bild und Welt nicht dabei sein wird. "Wir halten die Versuche einiger Plattformen für problematisch, einerseits selbst zu Nachrichtenmedien zu werden und andererseits einige zuliefernde Verlage mit unangemessen niedrigen Vergütungen abzuspeisen", zitieren Nachrichtenagenturen einen Sprecher. Man setze vielmehr "auf ein europäisches Copyright, das transparent alle Verlage an einer angemessenen Vergütung teilhaben lässt".
Der Medieninsider zitiert passend aus einem internen Schreiben der Verwertungsgesellschaft Corint Media, ehemals VG Media, an der auch Springer teilhat. Demnach erlösen Facebook-News-Partner nur drei bis zehn Prozent dessen, "was als angemessene Vergütung nach den üblichen Usancen des Urheberrechts für die Verwertung von Rechten dieser Art zu zahlen wäre".
Facebook und Google hatten in Australien über Jahre mit der Regierung über das inzwischen verabschiedete Mediengesetz "Media News Barging Code" gestritten, das die Digitalkonzerne zur Bezahlung für verbreitete Medienhalte zwingt. Zuletzt mündete der Streit in eine zwischenzeitliche Medienblockade seitens Facebook. Nun müssen beide US-Technologiekonzerne in Australien doch Geld für Medienlinks bezahlen; die Regierung pochte auf Facebook-Zugang, zumal viele Einwohner:innen nur über das soziale Netzwerk an Nachrichten kommen.
In Deutschland soll hingegen die Urheberrechtsreform, mit der sich der Bundestag in den kommenden Wochen befassen will, über Facebook News hinaus mehr Klarheit bringen.
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