"Lokalradio und Lokalfernsehen behaupten sich in der digitalen Welt", hat die BLM zur Funkanalyse Bayern 2023 bei den 31. LOKALRUNDFUNKTAGEN in Nürnberg verkündet.
Diese Aussage traf für viele Impulse und Vorträge zu, die am 4. und 5. Juli beim großen Treffen der lokalen Rundfunkszene in der Frankenmetropole zu hören waren. Prägende Köpfe der Branche lieferten bei den #LRFT23 spannende Impulse und Denkanstöße.
Einige Learnings im Überblick:
Und ist systemrelevant, vor allem im lokalen Raum. Das machte BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege bei der Eröffnung der 31. LOKALRUNDFUNKTAGE in der Messe Nürnberg deutlich. „Der Lokalfunk steht immens unter Druck. Und das nicht nur, weil eine Vielzahl neuer Kanäle, Streaming-Plattformen, VoD-, Audio- oder Smart-TV-Angebote und Mediatheken mit den klassischen linearen Programmen ums Publikum konkurriert. Sondern auch, weil die Zeiten an sich herausfordernd sind: Pandemie-Nachwirkungen, der Angriffskrieg gegen die Ukraine und Inflation verändern die Erlösstrukturen lokaler Medien.“
Dazu betonte Dr. Nina Gerhardt, CEO von RTL Radio Deutschland im Rahmen des Audio Summits der #LRFT23, dass UKW noch „Finanzierungsgrundlage“ für Radio sei. Für den BLM-Präsidenten ist gerade die Frage des Wechsels auf DAB+ ein Thema, das mit allen Anbietern in Bayern zusammen als Branchenkompromiss ausgehandelt werden müsse.
So viel stand nach einer CSU-Veranstaltung zum Thema im Rahmen der LOKALRUNDFUNKTAGE fest. Ohne Förderung sei die Vielfalt der TV-Sender in Bayern nicht machbar, betonte BLM-Präsident Schmiege mit Blick auf die guten qualitativen Ergebnisse der FAB 2023. Und: “Förderung der Lokalsender ist Demokratieförderung.” Derzeit würde, wie Marion Gehlert von münchen.tv veranschaulichte, wie mit “geringsten” Mitteln das Programm des Vertrauens für die Bürger:innen entstehen würde. Dabei müsse die Gattung bangen, ob die Förderung ab 2025 weiter stattfinden könne.
Staatsminister Dr. Florian Herrmann gab in Nürnberg generell ein “Bekenntnis für die weitere Förderung” des Lokalfernsehens in Bayern ab 2025 ab, Auskleidung und Details wolle er der BLM überlassen. Die Vielfalt solle auch angesichts von höheren Kosten und schwindenden Werbeerlösen erhalten bleiben, so Herrmann.
Der Prakti, der nebenher Insta-Stories für den Sender erstellt? Die Volontierenden, die für Social Media im Team verantwortlich zeichnen?
Besser nicht. Der Schweizer Profi Flurin Spescha empfahl in Nürnberg, ein eigenes Team einzurichten: mit einer Führungskraft, einer Person für Videoproduktionen, jemand mit Fokus Distribution, Vernetzung und Community und am besten noch ein Teammitglied mit TikTok-Auftrag.
Zudem sei es wichtig, zu Beginn festzuhalten, welche Plattformen zur Zielgruppe passen und wo ein Sender stattfinden könne. Generell gelte für Medien: Den jeweiligen Social-Media-Kanal sollte ein Medienhause wie einen Radiosender begreifen - als Tagesbegleiter zur Info, Unterhaltung und zum Emotionen wecken.
Ein „bisschen überrollt von der Technologie“ sei die Branche, betonte RTL-Radiomanagerin Gerhardt in Nürnberg. Weil das Thema in kurzer Zeit so hochgespült wurde und man aufpassen müsse, nicht in eine Schockstarre zu verfallen, und die Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Sie rief dazu auf, diesen Trend nicht zu verschlafen und viel zu lernen.
Workshops zum praktischen Umgang mit KI waren bei den LOKALRUNDFUNKTAGEN geboten. Jim Sengl aus dem MedienNetzwerk Bayern gab Tipps zum Thema „Reden mit der Maschine” und wie man bessere Ergebnisse aus einem Large Language Model herausbekommt. Herrmann del Campo startete den LRFT-Workshop mit klaren Worten: “Ich liebe KI und bin total begeistert, was man damit machen kann, aber wenn das zur Folge hat, dass wir uns mit Mist zufrieden geben, ist das schlecht.”
Als ein Beispiel zeigte der CTO, AI-Experte und Unternehmer hinter Zaibr Innovations eine KI für Videoschnitt über Premiere. Es funktionierte so gut, dass die Aufnahme danach nicht mehr nachbearbeitet werden musste … In zwei Sessions wurden KI-Anwendungen vorgestellt, die kurze TV-Nachrichten (Studio47) oder Bebilderungen von Podcasts (RTL Deutschland) möglich machen. Vorgestellt wurden auch die Anwendung Voicetrack.ai (radio.cloud) und der RadioAdMaker (Radio Gong 96.3)
Die da sind – direkter Draht zur Zielgruppe, Musik, Informationen. „Musik ist noch immer Kern des Radios und bei uns das Fundament, auf dem wir alles aufbauen”, betonte Niki Fuchs von Rock Antenne Österreich. „Ich finde es aber immer wichtiger, klar zu sagen, wofür man steht. In einem Satz sagen zu können, was Hörer:innen erwartet, wenn sie einschalten.” Sie sagte bei den #LRFT23, sie hasse das Spotify-Bashing von Radiomachern. „Ich glaube, dass es uns viel beigebracht hat und uns angespornt hat, uns zu bewegen. Uns zu fragen: Wie hören Menschen heute eigentlich Musik?”
Die Nähe zum Publikum dokumentierten unter anderem die FAB-Zahlen, die in Nürnberg für 2023 präsentiert wurden. Die mehr als 80 bayerischen Lokalradios erreichen gemeinsam werktags ein Viertel der Bevölkerung ab 14 Jahren in Bayern (24,3 Prozent) und verteidigen die ihre Führungsrolle bei den 14- bis 49-Jährigen: Mit einer Tagesreichweite von 27 Prozent bleiben sie deutlich vor Bayern 3 (22,1 Prozent), ANTENNE BAYERN (20,8 Prozent) und Bayern 1 (17,6 Prozent). Das sind rund 2,7 Millionen Menschen. Der leichte Rückgang um 1,4 Prozentpunkte folge dabei dem allgemeinen Trend, hieß es.
Die umfassenden Ergebnisse der FAB Bayern sind hier einsehbar.
Thesen zur Frage “Was ist konstruktiver Journalismus?” lieferte in Nürnberg unter anderem Radiomanagerin Valerie Weber. Zwei ihrer Kernbotschaften: Journalist:innen müssten raus aus der urbanen Blase,. Weber: „Bringt mehr Perspektiven in eure Redaktion!“ Auch sollten Lokalredaktionen nicht zulassen, dass sie Nachrichten liefern wie alle anderen Anbieter. Weber empfahl, eigene lokale News als USP zu verstehen.
Daneben könne ein Medienhaus von einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie profiteren, machte EgoFM-Chef Christian Strohmeier in Nürnberg deutlich. Er schilderte die Begeisterung des Teams beim Umsetzen von Energiesparmaßnahmen oder CO2-Projekten: „Es macht Spaß und beflügelt das Betriebsklima auf gute Art und Weise!“ Beiträge, die sich auf Themen der Nachhaltigkeit konzentrieren, haben laut Astrid Ehrenhauser, Redakteurin Agrar & Ernährung beim Berliner Tagesspiegel, einen guten Nebeneffekt: Konstruktiver Lokaljournalismus könne sehr hilfreich sein, eben weil er sich auf lokale Themen konzentrieren kann.
Möglichst vielfältige Redaktionsteams, mehr Vertrauen in den eigenen Nachwuchs, Förderung weiblicher Führungskräfte: Das sind nur drei der Punkte, die in Nürnberg als wichtige Merkmale einer modernen Arbeitgebermarke herausgearbeitet wurden.
Für Ella Schindler von den Neuen deutschen Medienmacher*innen war bei den #LRFT23 Employer Branding das Stichwort; sie sah große Chancen darin, dass Volontierende mit Social Posts oder Podcasts ein cooles Image nach außen tragen – in die eigene Peer Group. Schindler, selbst mit Wurzeln in der Ukraine, versucht, Menschen aus Migrantenfamilien für die Arbeit in den Medien zu begeistern. Auch, um neue Zielgruppen zu erschließen.
Philipp Grohm aus dem Team von Die NEUE 107.7 schlug vor, das Thema Nachwuchsmangel gleich von Anfang an besser anzugehen. So sollten Praktikant:innen neben einem Grundgehalt auch noch ein Deutschlandticket erhalten, um die Mitarbeitenden von Morgen für das eigene Haus zu begeistern.
Radio ist der Alltagsbegleiter? Ja, immer noch. Doch die Ausspielwege vermehren sich. Selbst das TV-Gerät muss mitgedacht werden – wie Till Coenen von Radio Arabella. Er gastierte bei #LRFT23 mit der hauseigenen App fürs Smart TV. Mit ihr soll auch Radiohören über das Fernsehgerät zum Nutzererlebnis werden. Die Smart TV App bildet Audio-Inhalte ab. Die Lösung steht anderen Radiosendern offen.
Daneben macht Digitalradio DAB+ einiges möglich, etwa mehr Durchsage-Arten und höhere Übertragungskapazität für mehr Kanäle. Also eine Individualisierung des Radio-Erlebnisses: Hörer:innen wählen als “Hauptgericht” die Musikfarbe plus “Beilagen” wie beispielsweise News, Verkehrsmeldung, Werbung, Sport, Finanzen oder andere Announcements. So bekommt der private Hörfunk die Hörer:innen wieder zur Nutzung des Radios als primäre Quelle. Das ist der Gedanke hinter dem Pilotprojekt ART im Kanal 10D. BLM-Geschäftsführerin Dr. Annette Schumacher bedankte sich im Rahmen eines LRFT-Workshops bei allen Projektteilnehmer:innen für die Umsetzung von „Announcement Radio Toolkit“, wie ART in ganzer Länge heißt. Gefördert wird es von der Bayerischen Staatskanzlei und der BLM. Beteiligt sind bmt, Mediaschool Bayern, BLR und BDR.
Und zwar bereits Ende Juni! Die 32. Lokalrundfunktage finden 2024 am Mittwoch/Donnerstag, 26./27. Juni, in Nürnberg statt.
Fotos und Impressionen von den LOKALRUNDFUNKTAGEN stehen hier zum Download bereit. Zur großen Nachlese im Liveblog einfach auf die Bildergalerie klicken:
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