Die 36. Medientage München finden in einem Jahr statt, das „vielseitiger und erschreckender nicht sein kann“. Neben Sebastian Pufpaff, Moderator der diesjährigen Auftaktveranstaltung, skizzierten auch Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder, Keynote-Speaker Wolfgang Link von ProSiebenSat.1 und der ukrainische Special Guest Dr. Wladimir Klitschko zum Auftakt der #MTM22 den großen Spagat, den Medien heute meistern müssen – zwischen Desinformation und Verantwortung, zwischen Blackout und KI.
Das Bild von der „3satisierung“ des Privatsenders ProSieben, das Medientage-Gipfel-Moderator Sebastian Pufpaff zeichnete, trifft die Lage der Medien in diesem Jahr, „das vielseitiger und erschreckender nicht sein kann“, ziemlich gut. In einem „Jahr der Ängste“ sollten Medien einerseits informieren und die Krisen klug einordnen, andererseits mehr denn je die Zuschauenden auch ablenken. „Vor allem vom Holzpreis“, wie der Entertainer zur Eröffnung der 36. Medientage München witzelte.
Doch der Ernst überwog: „Diese Medientage sind anders als alle zuvor“, hielt Wolfgang Link in seiner Keynote fest; er ist im ProSiebenSat.1-Vorstand verantwortlich für den Bereich Entertainment.
Das liegt an den vielen Krisen, die Gesellschaft, Politik und Medien gerade vor besondere Herausforderungen stellen. Allen voran der Krieg in der Ukraine. „Dieser Krieg ist auch ein Angriff auf die Medien- und Informationswelt“, betonte Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in seiner Eröffnungsrede. Ein Krieg, über den nach Willen des russischen Präsidenten Wladimir Putins nicht hätte berichtet werden sollen. Für Schmiege ein klarer Beleg dafür, dass Medien relevanter denn je seien, was sich im diesjährigen Motto der Medientage widerspiegelt.
Ins selbe Horn stieß Dr. Markus Söder. Bayerns Ministerpräsident hob zum Auftakt der diesjährigen Konferenz, die nach drei Jahren ins ICM der Messe München zurückgekehrt ist, die Ambivalenz der Mediensituation hervor. Noch nie habe es so hochentwickelte Medien gegeben und zugleich so viele Verschwörungstheorien und Desinformation. Söder: „Wer kann etwas dagegensetzen? Das Wort Relevanz ist elementar!“ Es brauche Koordinaten, die vermitteln, was Realität sei – und nicht nur Schein, appellierte der CSU-Politiker an die anwesende Medienbranche.
Söder warnte vor der Wirkmacht von Hassrede: „Aus bösen Worten können böse Taten werden.“ Medien und Politik seien „keine Kumpels“, stünden aber gemeinsam in der Verantwortung für Menschen und Demokratie. Zu glaubwürdiger Medienarbeit als Gegenpol zu diesen Entwicklungen gehöre die richtige Balance aus Haltung und Handwerk.
Auch hänge die Glaubwürdigkeit von Journalismus davon ab, ob sich die Branche an die eigene Moral halte. Geschehe dies nicht, drohe ein Vertrauensverlust wie im Fall des öffentlich-rechtlichen RBB Markus Söder forderte in diesem Zusammenhang mehr Transparenz der Rundfunkanstalten in Bezug auf Gehälter, Vergünstigungen und Nebentätigkeiten ihrer verantwortlichen Akteure.
Zuvor hatte BR-Intendantin Katja Wildermuth gefordert, Veränderungen anzupacken – sowohl beim BR als auch in der ARD. Ein "kluges Umbauen" könne den "öffentlich-rechtlichen Rundfunk der nächsten Generation" schaffen.
Bayerns Landeschef betonte bei den Medientagen, die Zeiten eines strikten Antagonismus zwischen öffentlich-rechtlichem und privatwirtschaftlichem Rundfunk seien vorbei. Es gehe heute um andere Herausforderungen. Mit Blick auf die Erhöhung von Anteilen an der ProSieben.Sat.1 Media SE durch ein italienisches Unternehmen der Familie Berlusconi merkte Markus Söder an, er wolle nicht, dass andere Regierungen die ProSiebenSat.1 Media SE dominieren könnten.
Deren Vorstandsmitglied Wolfgang Link sagte, das Medienunternehmen mit Sitz in Unterföhring sei seit drei Jahrzehnten mit Bayern verbunden und wolle dies auch weiterhin eigenständig fortsetzen. So werde zurzeit eine eigene Nachrichtenredaktion aufgebaut, um verlässliche Informationen zu gewährleisten. Dadurch werde die vor zwölf Jahren erfolgte Auslagerung der News-Bereichs rückgängig gemacht. Angesichts sich radikal verändernder Märkte gelte es, sich konsequent an den Bedürfnissen des Publikums zu orientieren.
Link lobte zwar grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wandte sich aber gegen Werbung in dessen Mediatheken. Da gehe ihm „der Hut hoch“. Er forderte faire Wettbewerbsbedingungen im dualen Rundfunksystem.
Zur Entwicklung in der Ukraine merkte das Vorstandsmitglied von ProSiebenSat.1 Media in seiner Keynote an: „Putins Kanonen versuchen auch, das demokratische Mediensystem zu treffen.“ Fake News und Propaganda würden sich so schnell verbreiten „wie das Corona-Virus“. Jetzt werde deutlich, wie wichtig Staatsferne und unabhängige Medien seien.
Als anschließend Sebastian Pufpaff, der erstmals den Medientage-Gipfel moderierte, Dr. Wladimir Klitschko interviewte, gab dieser bedrückende Einblicke in das Leben in Kriegszeiten. Der ehemalige Schwergericht-Boxweltmeister und Bruder von Kyivs Bürgermeister Vitali Klitschko appellierte, Medien dürften nicht müde werden über die Lage im Land zu berichten.
Der Krieg habe nicht erst am 24. Februar begonnen, sondern schon mit der Annexion der Krim 2014. Das aber sei von westlichen Medien zu wenig thematisiert und die Gefahr unterschätzt worden.
Nun zeige sich, wie zerbrechlich Leben, Demokratie und Meinungsfreiheit seien. Er lobte den Einsatz von Bild-Reporter Paul Ronzheimer vor Ort. „Medien sind auch eine Waffe“, formulierte der ehemalige Box-Champion.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.