Vor und hinter der Kamera hält Künstliche Intelligenz (KI) immer weiter Einzug. Taç Romey, Professor für "Serielles Erzählen" an der Hochschule für Film und Fernsehen München (HFF). spricht knapp ein Jahr nach seinem Impulsvortrag bei den #MTM23 mit dem Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN über Chancen und Grenzen der KI in der Filmbranche.
Generative KI verändert die Arbeitsabläufe auch in der Filmbranche enorm. Wo wird sie in der Produktion bereits eingesetzt?
In der Bildgenerierung wird Künstliche Intelligenz schon intensiv genutzt. Früher musste man zum Beispiel eine störende Litfaßsäule mühsam Bild für Bild entfernen. Heute kann KI das mit einem Klick erledigen. Oder wenn man merkt, dass der Blick eines Schauspielers etwas länger im Bild bleiben sollte, lässt sich die Szene einfach nachträglich verlängern. Adobe und Firefly zum Beispiel sind da ganz weit vorne.
KI ist also ein sehr nützliches Tool, um solche Anpassungen vorzunehmen. Auch bei der Synchronisation wird sie bereits eingesetzt, um die Lippenbewegungen an die jeweilige Sprache anzupassen.
Vor allem in der Texterstellung wird KI bereits vielfach genutzt. Schreibt ChatGPT bald ganze Drehbücher?
Lacht. Nein, das glaube ich nicht. KI wird bei uns eher unterstützend eingesetzt, indem sie komplexe Zusammenhänge in Worte fassen kann. Aber dafür braucht es immer noch die kreative Anleitung des Menschen.
Was Künstliche Intelligenz im Drehbuchprozess macht, ist, einzelne Schritte zu unterstützen – sie schreibt nicht das ganze Drehbuch. Die Prompts müssen gut sein, um sinnvolle Ergebnisse zu bekommen, aber die menschliche Kreativität bleibt das Herzstück.
Sie lehren an der HFF zum Thema serielles Erzählen. Dabei wird auch der Einsatz von KI erprobt. Wäre es nicht wichtiger, dass die Studierenden das Handwerk erstmal rein durch ihre menschliche Intelligenz erlernen?
Klar, das Handwerk ist die Basis, aber KI ist bereits Teil der Realität. Unsere Studierenden müssen lernen, wie sie damit umgehen. Es geht darum, das Potenzial zu verstehen und es sinnvoll zu nutzen.
Das Tempo der Branche hat sich verändert, und das müssen wir auch im Unterricht berücksichtigen. Wo früher vier Wochen für eine Synopsis, also eine Zusammenfassung, eingeplant waren, wird es in der Zukunft kürzer werden. Die KI hilft dabei, schneller zu arbeiten, aber die kreative Kontrolle liegt weiterhin bei den Menschen.
„Auch wenn KI bestehendes Material verarbeitet, bleibt es die Aufgabe des Künstlers, etwas Eigenes daraus zu schaffen.“
Die KI speist sich aus vorhandenem Material. Wie erschafft man heute noch ein Original mit KI?
Ich sage meinen Studierenden immer: "Jede Geschichte wurde schon einmal erzählt, aber nicht von dir." Originalität entsteht durch die persönliche Perspektive.
Auch wenn KI bestehendes Material verarbeitet, bleibt es die Aufgabe des Künstlers, etwas Eigenes daraus zu schaffen.
Taç Romey
KI ist wie ein riesiger Wissensspeicher, aber am Ende bestimmt der Mensch, was daraus entsteht. Oft wird gesagt, dass die Ergebnisse der KI generisch sind. Aber so ist auch bei Menschen. Der erste Entwurf, egal ob von uns oder der KI, wird ohnehin immer überarbeitet.
Wo stößt die generative KI bei der Drehbuchentwicklung an ihre Grenzen?
Besonders im Bereich von Thrillern und Krimis. KI ist bei Themen wie Gewalt oft stark eingeschränkt. Andererseits hat sie im Bereich Humor überraschende Fortschritte gemacht. Es gibt also Bereiche, in denen sie schon gut funktioniert, und andere, in denen noch viel zu tun ist.
Wenn immer mehr Tools für die Kreation schöpferischer Werke genutzt werden, verliert da nicht der Wert der Arbeit von Künstlern?
Es stimmt, dass sich manche Jobs verändern, besonders in Bereichen wie Schnitt oder Werbung, wo KI schon viel übernehmen kann. Aber die menschliche Kreativität wird immer wertvoll bleiben. KI kann den Prozess effizienter machen, aber sie ersetzt nicht die Vision und die künstlerische Intuition, die ein Mensch mitbringt.
Auf der einen Seite gefährdet die KI Jobs, auf der anderen Seite ermöglicht sie es auch Menschen ohne eigenes Studio und große Budgets, Filme zu realisieren. Ist das tatsächlich ein Gewinn?
Ja, absolut. KI senkt die Einstiegshürden enorm.
„KI ermöglicht es Menschen, unabhängig von großen Budgets oder technischen Ressourcen, Filme zu realisieren.“
Taç Romey
Das führt dazu, dass neue Stimmen und Perspektiven gehört werden können, die vorher vielleicht keinen Zugang zur Filmproduktion hatten. In dieser Hinsicht kann KI das Filmemachen tatsächlich demokratisieren.
Die Diskussion zum Einsatz von KI in der Produktionsbranche wird bereits sehr intensiv geführt. Wie könnte ein verantwortungsvoller Umgang mit KI aussehen?
Das ist eine wichtige Frage, die uns in den nächsten Jahren begleiten wird. Es muss geklärt werden, wie mit Copyright-Fragen umgegangen wird und wie transparent gemacht wird, mit welchem Material KI trainiert wurde. Auch die Vergütung von Künstler:innen, deren Werke in den KI-Systemen verwendet wurden, ist ein wichtiges Thema.
Wir stehen erst am Anfang, was die rechtlichen Rahmenbedingungen betrifft. Hier ist noch viel zu tun.
Zur Person:
Taç Romey wurde in West Virginia, USA geboren, lebte in der Türkei, den USA, den Niederlanden und Deutschland. In den USA studierte er Schauspiel, Regie und Dramaturgie und graduierte an der renommierten Brown University. Romey ist selbstständiger Autor, Professor, Produzent und Geschäftsführer der Phantomfilm GmbH. Zudem ist er im Advisory Board des Berlin TV Series Festival und Jurymitglied des Blauen Panthers. Seit 2016 ist Taç Professor für Serielles Erzählen an der Hochschule für Film und Fernsehen München (HFF München). Seine Projekte erhielten viele Nominierungen und Auszeichnungen, u.a. für den Internationalen Emmy, Goldene Magnolie, Rose D‘or oder den Deutschen Fernsehpreis.
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