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Die Zukunft der Mediatheken

Geschrieben von Susanne Herrmann | 26. September 2023

Im Zeitalter des TV-Streamings werden die Bewegtbild-Angebote weiter zusammenrücken. Die Mediatheken der Sender machen zunehmend den Streamern Konkurrenz und versuchen, mit dem parallelen Programmangebot ihr Profil zu schärfen. Dafür müssen sie Fernsehen neu denken – allerdings gilt es, die begrenzten Budgets klug einzusetzen. Ob sie das Zeug dazu haben, die linearen Sender auf dem digitalen Markt zu retten?

 

Per Definition sind sie längst Streaming-Anbieter: Genau wie Amazon Prime Video, Netflix und Disney+ übertragen die Mediatheken der Sendergruppen, von ARD bis RTL, die TV-Daten während der Übertragung und auf Abruf übers Internet.

Das Plus, das die Mediatheken bieten, ist ihr lineares Programm, das zeitgleich zur Fernsehsendung ebenfalls per Streaming oder zeitversetzt abrufbar ist. In der Medien-Bibliothek bündeln die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten ihr gesamtes Programminventar. Eigens fürs Streaming produzierte Formate kommen obendrauf.

Weil sie das ohne zusätzliche Kosten tun, können sich vor allem die Mediatheken von ARD und ZDF hier gut gegen die internationalen Streamer behaupten, die monatliche Abo-Gebühren von vier Euro bis 20 Euro aufrufen (im Schnitt etwa acht Euro pro Monat). Und sie haben 2022 leicht zulegen können, während die Nutzung der Streamer leicht zurückgegangen ist, so die Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2022. Das rein werbefinanzierte YouTube hängt die Öffentlich-Rechtlichen ab – Netflix und Amazon Prime Video sind den Sendern hart auf den Fersen (siehe Grafik).

Ein bisschen schwerer tun sich die Mediatheken der beiden großen privaten TV-Konzerne: Mit einer Mischung aus Abo-Gebühren und Werbefinanzierung kommen sie aber auf respektable Nutzungsanteile in Höhe von 16 bzw. 17 Prozent 2022 laut ARD/ZDF-Onlinestudie.

Immer mehr Zuschauer:innen besuchen mindestens einmal wöchentlich einen Streamingdienst oder eine Sender-Mediathek.

 

Trend der Nutzung geht nach oben

Die Vorjahreszahlen weisen zumindest in die richtige Richtung: Bei den wichtigen jungen Zielgruppen konnten die Angebote von RTL und ProSiebenSat.1, RTL+ und Joyn mit 33 Prozent bzw. 23 Prozent mindestens monatlicher Nutzung (14- bis 29-Jährige) seit 2020 deutlich zulegen.

Weniger massiv sind die Steigerungen bei ARD und ZDF; doch selbst die öffentlich-rechtlichen Angebote konnten im Vergleich mit dem Corona-Jahr 2020 weitere Seher:innen begeistern – vor allem junge Menschen sorgen für steigende Nutzungshäufigkeiten.

Jüngere Zuschauer:innen besuchen die Mediatheken häufiger als noch 2020.

Um dranzubleiben, müssen die deutschen Senderfamilien das, was sie schon kennen und gut können, neu erfinden: Lagerfeuer-Programm. Denn das findet längst nicht mehr zur Primetime statt, wo heute jeder und jede das schaut, was und wann er oder sie will.

Das Markenprofil der Sender braucht es dennoch, und die starken eigenen Formate sind unabhängig von der Zahl der linearen Zuschauer:innen eben jene Sendungen, mit der das Publikum die Marke verbindet. Untrennbar sind „Wer wird Millionär“, DSDS und Dschungelcamp mit RTL verbunden, ProSieben steht für GNTM, Joko & Klaas und „Galileo“. 

Mit Blick auf die Erfolgsformate linear und in der Mediathek hieße das: Die ARD-Anstalten bauen ihre Stärken bei „Tagesschau“ und „Tatort“ aus – und basteln an neuen Ideen. Das ZDF sollte weiterhin mutig in Eigenproduktionen wie „Der Schwarm“ und „Gestern waren wir noch Kinder“ investieren – beiden Produktionen gelang es, sowohl linear als auch auf Abruf solide Quoten im deutlichen Millionenbereich zu holen. 

Die RTL-Familie kann sich bislang auf DSDS und Dschungelcamp verlassen – darf sich darauf aber nicht ausruhen. Zumal ProSiebenSat.1 zwar im Quotenrennen der vorigen Saison nicht so gut aussah, aber einige Prestigeformate vorweisen kann, die bei den jungen Zielgruppen gut ankommen – garniert mit ernstzunehmenden Highlight-Formaten wie von Reporter Thilo Mischke oder Jenke von Wilmsdorff. 

Trotzdem reichen die 4 Millionen Nutzer:innen monatlich, die beispielsweise Joyn angibt, nicht für einen wirtschaftlichen Betrieb, weder in Unterföhring noch in Mainz oder Köln – vor allem angesichts der erwarteten sinkenden Erlöse bei der Fernsehwerbung. Schon gar nicht auf lange Sicht im Wettbewerb mit Anbietern von Netflix über Dazn bis Apple TV. Bei Budgets, Reichweiten und Werbeeinnahmen können nationale Anbieter den internationalen Tech-Giganten nicht die Stirn bieten. Doch sie haben Vorzüge, die ihnen in diesem Wettbewerb Klein gegen Groß Vorteile versprechen.

Medienexperte Thomas Lückerath, Gründer und Chefredakteur des Medienmagazins DWDL.de, empfiehlt in seinem Kommentar Anfang August 2023, Fernsehen neu zu denken: „Neben erfolgreichen Programm-Leuchttürmen, wie wir sie kennen, wird sich lineares Fernsehen also auf Strecke neu erfinden müssen, wenn es nicht gerade beitragsfinanziert daherkommt. Vertrauen wir dabei auf Kreativität und lassen Experimente zu. Wie vor gut drei Jahren schon einmal“, schreibt er und erinnert an die Pandemie-Zeiten.

Folgen die Mediatheken-Verantwortlichen seinem Rat?

 

Stark im Team 

Einen Plan haben die Öffentlich-Rechtlichen schon: das Projekt für eine gemeinsame technische Streaming-Plattform – gern in Zusammenarbeit mit Privatsendern. Wie Benjamin Fischer (ARD) und Eckart Gaddum (ZDF) in einem Interview mit dem News-Portal Turi2 zur Zukunft der ARD- und ZDF-Mediatheken erläuterten, gehe es „zunächst darum, das Öffentlich-Rechtliche zu stärken“. Aber private Partner wolle man ebenso wie andere europäische Sendeanstalten „perspektivisch nicht ausschließen”, sagte der ZDF-Online-Chef Eckart Gaddum.

ProSieben-Sat.1-Chef Bert Habets würde den Öffentlich-Rechtlichen keinen Korb geben. Gegenüber Medienanstalten und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) warb er für ein gemeinsames Streaming-Netzwerk aller deutschen Fernsehsender. Ob das Bundeskartellamt dem zustimmen würde, gilt als unsicher.

Das einstweilen im Aufbau befindliche gemeinsame Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF vereint zwar die Mediatheken der Senderfamilien, soll aber die Marken jeweils erkennbar als Absender positionieren. Los ging es mit wechselseitigen Empfehlungen; bald soll es eine übergreifende Suche mit direkter Abspielmöglichkeit Inhalte geben. Außerdem seien ein gemeinsamer Login und gemeinsame Merklisten geplant, kündigten Fischer und Gaddum an.

Clever an dem Schachzug ist weniger die inhaltliche Bündelung als vielmehr die Aufgabenteilung: Tatsächlich planen die beiden Mediatheken-Macher eine „sinnvolle Arbeitsteilung“, wie Fischer sagt, um Kompetenzen besser einzusetzen. Darunter: die Inhalte. Journalistische Kompetenz ist nicht bei Alphabet und Facebook zu Hause und auch kein USP von Netflix und Amazon – ebenso der Bezug zur Region, sei es lokal oder auf den EU-Raum bezogen.

Gemeinsam stark, der Ruf ist nicht neu, und doch lohnt es sich, ihn zu wiederholen – denn exakt hier, in einer Zusammenarbeit, die nicht nur über die Konzerngrenzen und private wie öffentlich-rechtlich Systeme hinausgeht, sondern auch europäisch denkt, liegt die Zukunft der Mediatheken. Und damit die Zukunft des deutschen Programmangebots und der inhaltlichen Vielfalt und Unabhängigkeit.

 

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Dabei blicken wir im Rahmen zahlreicher 
Sessions zum Thema TV & Streaming auf Trends,  Herausforderungen und Aufgaben für die Bewegtbildbranche. 

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