Laut Gattungsstudie Zeitungsfacetten 2023 steigt die Nutzung von digitalen Paid-Kanälen im zweistelligen Bereich. Carsten Dorn, Geschäftsführer der Score Media Group, spricht im Interview mit dem Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN über den Stellenwert regionaler Tageszeitungen in einer globalen Welt und warum es fatal wäre, Redakteur:innen durch KI zu ersetzen.
Herr Dorn, Bei Tageszeitungen ist die Nutzung digitaler Angebote hinter der Paywall stark gestiegen. Sind die Menschen zunehmend bereit, für qualitativ hochwertige Inhalte zu zahlen?
Ja, die Entwicklung ist eindeutig. Die kostenpflichtigen digitalen Kanäle der regionalen Tageszeitungen – also E-Paper und die Angebote hinter der Paywall – wachsen weiter. Laut unserer Studie Zeitungsfacetten sind sich 59 Prozent der Paid-Leser:innen darüber bewusst, dass guter Journalismus auch online seinen Preis hat.
Eine erfreuliche Entwicklung und eine Bestätigung dafür, dass die Abkehr von der Gratiskultur ein richtiger – wenn auch längst überfälliger – Schritt der Verlage war.
Bei Paid-Online-Angeboten ist die Zahlungsbereitschaft am höchsten.
Carsten Dorn, Score Media Group
Welche Themenbereiche sind bei regionalen Tageszeitungen am stärksten gefragt?
Egal, ob Print oder digital: Regionale Inhalte sind am relevantesten. Es interessiert die Menschen einfach, was in ihrer unmittelbaren Umgebung passiert.
Die regionale Tageszeitung ist dort, wo die Menschen leben, arbeiten und konsumieren. Das ist in einer sich immer mehr globalisierenden Welt ein unheimlich wichtiges Asset.
Bei welchen Zielgruppen ist die Zahlungsbereitschaft am höchsten?
Bezogen auf die Paid-Online-Angebote unserer regionalen Tageszeitungstitel sind es eindeutig die Millennials. 41 Prozent der zwischen 22- und 35-Jährigen nutzen die Paid-Online-Angebote, 38 Prozent die E-Paper-Ausgaben.
Der Grund liegt auf der Hand: Die Millennials sind digital- und technikaffin und im Grunde die erste Generation, die flächendeckend mit Paid-Media-Angeboten aufgewachsen ist, sei es mit Streamingdiensten wie Netflix oder Audiodiensten wie Spotify. Dagegen haben die über 54-Jährigen mit einem Drittel den höchsten Anteil bei Printlesenden.
Die Gen X wiederum, also die zwischen 36- und 54-Jährigen, ist überall stark vertreten.
Laut Studie gibt es auch einen Wirkungsunterschied zwischen Bezahl- und Gratisinhalten. Wie ist das zu verstehen?
Die Werbewirkung hinter der Paywall ist in der Tat um 14 Prozent höher als bei Werbung im Umfeld der Gratisinhalte. Das heißt: Die Werbung wird besser und positiver wahrgenommen. Ein Grund, dass Werbung hinter der Kostenschranke besser wirkt, liegt sicher in der Exklusivität der Werbeplätze. Es gibt dort einfach weniger Werbeflächen, dadurch fällt Werbung mehr auf und die Aufmerksamkeit ist höher. Noch entscheidender für die höhere Werbewirkung sind aber das redaktionelle Umfeld und die Glaubwürdigkeit der.
Laut Studie wird den Paid-Angeboten gegenüber den Gratis-Inhalten eine größere Unabhängigkeit attestiert. Somit sind die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in ein kostenpflichtiges Abo-Modell also generell höher als bei rein, ich nenne es jetzt einfach mal, werbefinanzierten Inhalten.
Lohnt sich das auch für das Werbegeschäft?
Aber ja! Die große Cash-cow ist zwar immer noch – und mit weitem Abstand – Print, aber die großen Wachstumsraten kommen aus dem Digitalen.
Die Verlage würden damit ihr Alleinstellungsmerkmal verlieren.
Carsten Dorn, Score Media Group
Die Menschen sind also inzwischen bereit, für qualitativ hochwertigen, gut recherchierten Journalismus zu zahlen. Gleichzeitig arbeiten die Verlagshäuser an KI-Lösungen. ChatGPT und Midjourney erstellen ganze Zeitungsseiten. Ist das im Sinne der Paid-Strategie nicht kontraproduktiv?
Keine KI kann einen echten Redakteur und dessen Recherche ersetzen. Aber: Richtig eingesetzt, schafft Künstliche Intelligenz in Redaktionen mehr Raum für die wirklich spannenden Dinge im Redaktionsalltag. Für die Recherche von News, für Interviews, für Reportagen, für frische Hintergründe und Einordnung und Einbindung.
KI darf und sollte allerdings nicht als Ersatz für Redakteur:innen gesehen werden, das wäre fatal. Die Verlage würden damit ihr Alleinstellungsmerkmal verlieren.
Ein weiterer Punkt, der untersucht wurde, sind die Consent Banner. Sie werden überwiegend als störend empfunden. Wie könnte man hier eine höhere Benutzerfreundlichkeit schaffen?
Je einfacher und klarer ein Consent Banner aufgebaut ist, desto benutzerfreundlicher und weniger störend ist es. Kleine Banner, mit verständlich beschrifteten Buttons ohne Schnickschnack machen das Ablehnen oder Akzeptieren einfacher – was positiver wahrgenommen wird.
Größere Consent Banner sind zeitraubender zu handeln. Verlage oder ihre Technikdienstleister sollten deshalb die Consent Banner benutzerfreundlicher gestalten. Daraus kann ein Wettbewerbsvorteil entstehen. Eingeloggte Nutzer:innen bekommen übrigens keine Consent Banner zu sehen – auch das ist ein Pluspunkt für Paid Online.
Zur Person (Foto oben: Score Media Group)
Carsten Dorn ist seit 2018 Geschäftsführer der Score Media Group, der nationalen Vermarktungsplattform für regionale Tageszeitungsmarken.
Vor seinem Wechsel zum nationalen Crossmedia-Vermarkter war der Medien- und Verlagsexperte seit 1995 in verschiedenen Positionen für Axel Springer tätig, zuletzt als CFO und COO bei Media Impact.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 finden vom 25. bis 27. Oktober bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt. Dabei blicken wir im Rahmen des Publishing Tracks auf Trends, Herausforderungen und Aufgaben für die Branche sowie spannende KI-Entwicklungen in dem Bereich. Masterclasses mit praktischen Tipps ergänzen das Angebot für Besucher:innen der #MTM23.
Carsten Dorn gehört dieses Jahr zu den Speakern der Konferenz; er wird einen Ausblick auf künftige Erlösstrukturen im Publishing geben.
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