Wo klassische Medien fehlen, verstärken sich radikale Tendenzen. Die Demokratie-Skepsis greift in Filterblasen im Netz um sich, eine Handvoll US-Digitalkonzerne ziehen das Gros der Aufmerksamkeit auf sich und lenken somit die Öffentlichkeit der Zukunft. Für eine vielfältige und ausgewogene Meinungsbildung muss ein starker Gegenpol her. Qualitätszeitungen und Nachrichtenmedien sind am Zug: Doch woher kommen die finanziellen Mittel in einer Zeit von Multikrisen und Mehrausgaben durch die digitale Transformation? Der neue Media Forward Fund will eine (kleine) Lösung bieten.
Demokratie braucht unabhängige Medien, die neutral und umfassend berichten. Nur wird die Finanzierung von Qualitätszeitungen, Nachrichtenmagazinen oder Informationsportalen immer schwieriger: Der Mix aus Abo- und Anzeigenerlösen und Paid Content ist durch das Abwandern des Publikums in andere Kanäle, durch den demografischen Wandel und das Abschmelzen des Werbebergs für klassische Medien durch digitale Konkurrenz sowie Multikrisen unter Druck geraten.
Die Kosten senken durch eine geringere Mehrwertsteuer auf Gedrucktes? Abwarten. Dass etwa die Presse einen Obulus aus dem Rundfunkbeitrag aller deutschen Haushalte für die Öffentlich-Rechtlichen abbekommen könnte, ist nicht in Sicht. Aktuell hat sich eine Studie der Otto Brenner Stiftung im Zuge der Reformpläne für ARD, ZDF und Deutschlandradio dafür ausgesprochen, "eine solide Grundversorgung mit lokaler und regionaler Berichterstattung dauerhaft sicherzustellen" und eine Kooperation zwischen Presse und Rundfunk gesetzlich zu regeln.
Recherchearbeit ist oft aufwändig und teuer. Private Spenden oder Crowdfunding reichen oft nicht aus, um langfristig die investigative Arbeit von Journalist:innen zu finanzieren. Und von Parteien oder Unternehmen subventionierte Medienangebote sind selten unabhängig. Eigene Shops oder pressefremde Dienstleistungsangebote einzurichten, um dem Publikum mehr als nur Lese-, Hör- oder Seh-Stoff zu bieten, kommt nicht für jedes Haus in Frage.
Aktuell rückt eine besondere Form des Mäzenatentums ins Visier: Mit dem Media Forward Fund werden seit Juli unabhängige journalistische Einrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefördert, die "nachhaltige Geschäftsmodelle haben und vertrauenswürdige Inhalte publizieren". Im Topf des Media Forward Fund liegen bislang sechs Millionen Euro, um "Organisationen" oder "Projekten" finanziell unter die Arme zu greifen.
Für bis zu 400.000 Euro über zwei Jahre Förderung können sich nun kleine Medienorganisationen mit bis zu 30 Mitarbeitenden bewerben. Bis zu 200.000 Euro können für konkrete Projekte beantragt werden, wobei große Medienorganisationen zur Hälfte eine weitere Finanzierungsquelle vorweisen müssen. Und: "Große Organisationen müssen nachweisen, dass ihre Arbeit dem Gemeinwohl dient und keine Aktionärsinteressen verfolgt werden", heißt es in den Statuten. Die erste Bewerbungswelle läuft.
Hinter dem länderübergreifenden Fonds stehen teils große Namen des Journalismus und auch Wirtschaftsgrößen; er wurde auf Initiative der Schöpflin Stiftung, Stiftung Mercator Schweiz, Volkart Stiftung, Rudolf Augstein Stiftung, Zeit Stiftung Bucerius, Stiftung für Medienvielfalt, Erste Stiftung, Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie sowie des Impact Investors Karma Capital und Publix – Haus für Journalismus & Öffentlichkeit als gemeinnütziger Fund gegründet.
Bei dem Fonds versammeln sich engagierte Verfechter für Demokratie: Die Augstein-Stiftung etwa verteilt seit 2005 Mittel aus dem privaten Nachlass des gleichnamigen einstigen Spiegel-Herausgebers an förderwürdige Projekte. Das Haus Schöpflin, bekannt für die Versandhandelsmarke, beschwört das "philanthropische Engagement beim Media Forward Fund“ und den Schutz und die Stärkung der Demokratie „durch eine starke, funktionierende, unabhängig agierende Medienlandschaft".
Angesichts der anstehenden Aufgaben dürfte der Fonds vielen nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen. Immerhin: Mit dem Media Forward Fund wollen die Initiatoren vor allem Lücken in der lokalen und überregionalen Berichterstattung schließen und unterversorgte Zielgruppen erreichen. Vielen dürfte dabei vor Augen stehen, wie weit es kommen kann, wenn die Digital Giants die Meinungshoheit erlangen in Regionen, in denen es keine lokalen Medien mehr gib.
Einer, der vor allem vor dem Wissens- und Werbemonopol der globalen Digitalkonzerne warnt, ist Dr. Martin Andree. Für ihn liegt die wahre Konkurrenz deutscher Qualitätsmedien im Silicon Valley.
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