Für Sport in TV und Streaming gilt: Der Inhalt ist und bleibt beliebt, doch die Inszenierung entscheidet künftig mehr und mehr über die Relevanz bei Usern. Wie DAZN, die DFL, Sky und Sport1 mit Hilfe von Technik dem veränderten Zuschauerverhalten gerecht werden können, machte eine Diskussion im Rahmen der Medientage München deutlich.
Herausragende Sport-Events wie die Fußball-WM entfachen auch weiterhin ein Fernseh-Lagerfeuer. Dabei spielt die Inszenierung mit Hilfe digitaler Technologie eine wachsende Rolle. „Große Sport-Events wie das Champions-League-Finale haben weiterhin die Kraft, Lagerfeuermomente zu erzeugen“, betonte Felix Krause, Vice President Customer & Corporate Strategy bei DAZN im Rahmen der #MTM21. Dennoch sei es für den Streaming-Anbieter entscheidend, ein ganzheitliches Sportangebot zu servieren. Das Ziel sei, dass die User zweimal pro Woche einen Grund hätten, das Angebot aufzurufen.
Außerdem im Trend liegen neue Unterhaltungsformate, um vor allem die jungen Sportbegeisterten an die großen und kleinen Bildschirme zu locken. DAZN testet als Ergänzung zu Live-Formaten sehr intensiv Nicht-Live-Formate wie „TGIF“ auch mit unterhaltendem Charakter. Das Akronym steht für „Thank God it's Friday“ und das gleichnamige TV-Format bietet einen Ausblick auf das Fußball-Bundesliga-Wochenende.
Zugleich erkennt Krause derzeit ein „gewisses Momentum“ für das Streaming; man müsse die vielen Vorteile wie zeit- und ortsunabhängiges Abrufen nutzen. Bis 2025 rechnet der Vice President mit jährlichen Wachstumsraten von etwa drei Prozent für Video-on-Demand-Services, während er die Marktdurchdringung durch klassische Pay-TV-Anbieter stagnieren sieht.
Wir sind in einer Welt angekommen, in der Streaming wächst.
Felix Krause, DAZN
Als zentrale Vorzüge des Übertragungswegs bezeichnete der DAZN-Manager die Interaktivität und Flexibilität des Streamings, die auch völlig neue Commerce-Erfahrungen ermögliche. „Wir wollen Menschen mit Technik und Features begeistern, die bisher gar nicht bereit waren, für Sport zu bezahlen“, sagte Felix Krause.
Wäre ein Aggregator im Sport-Streaming denkbar?
Magenta und Sky würden bereits damit experimentieren, ein Angebot aus einer Hand zu bieten. Ein „superspannendes Aggregatoren-Spiel“, bezeichnete Krause die Kooperation. Ein Spiel, das für DAZN zunächst aber nicht in Frage kommen dürfte, wie der Manager betonte und lieber auf die Breite des eigenen Angebots verwies. Eine Chance sah er für die Sportarten, die hinter König Fußball zurückstehen wie etwa Eishockey. Hier biete das Streaming-Angebot eine Alternative für Vereine wie Fans.
Alessandro Reitano machte deutlich, wie sehr sich das Angebot zusammen mit den Bedürfnissen gerade junger Zuschauer:innen gewandelt hat. Die Anbieter seien „always on“, der bloße Sport würde zunehmend von den „Geschichten drumherum“ ergänzt, digitale Devices würden die Wertschöpfungskette bereichern, berichtete der Senior Vice President Sports Production des Pay-TV-Anbieters Sky Deutschland.
Reitano: „Wir müssen neue Inhalte produzieren, damit es nicht langweilig wird. Denn eines ist klar: 90 Minuten kuckt sich niemand mehr ein Fußball-Spiel an.“ Für die Macher werde deutlich: „Das Live-Event als solches reicht nicht mehr“, so Reitano. Vielmehr müssten die Anbieter Mehrwerte für die Zuschauenden schaffen, die sehr divers sind. Vieles werde entlang der neuen Wertschöpfungsketten ausprobiert. Man werde feststellen können, ob und wie neue Technologien helfen können, um „leichtfüßig“ reagieren zu können.
„Bei Daten sind wir im Vergleich zum US-amerikanischem Sport noch schwach auf der Brust“, räumte der Sky-Manager ein. Zusätzliche Features wie die Personalisierung müssten außerdem künftig auch in den First Screen, den großen TV-Bildschirm integrierbar sein, forderte der Sky-Produktionschef.
Kritisch kommentierte Reitano die aufwändige Produktion von Verticals, also von Bildern im Hochformat, denn der Kostenfaktor sei dabei zu hoch. Klar sei indes: „Wir sind daran interessiert, eine serielle Produktion aufzusetzen, damit wir in der Tat die Sehgewohnheiten verändern können“, hob der Sky-Manager hervor.
Er plädierte dafür, die Brille des TV-Machers bei vertikalen Produktionen abzusetzen. Reitano nannte es eine „neue Challenge“. Er hoffe bei den Kosten auf die Weiterentwicklung hin zu günstigeren Produktionsweisen.
Innovation ist super, muss aber Mehrwert liefern.
Alessandro Reitano, Sky Deutschland
Der Bundesliga-Dachverband DFL ist seit einigen Jahren dabei, den Prozess zwischen „Glas“ (Kamera) und „Glas“ (Empfangsgerät beim Publikum) so aufzustellen, dass neue Anforderungen der Rechte-Nehmer aus Pay-TV und OTT sowie bei den Zuschauer:innen erfüllt würden. „Da wir jederzeit eine weitere Kamera im Stadion aufstellen oder eine weitere Art AI-basierte automatisierte Content-Produktion anschieben können, sind wir sehr gut aufgestellt, um flexibel zu reagieren“, betonte Andreas Heyden. So sei es möglich, auf neue Trends im Konsum auch adäquat reagieren zu können. Der Geschäftsführer von DFL Digital Sports hat bereits gute Erfahrungen mit Hochformatbildern gemacht: Der „Super Cup 2021“ beispielweise wurde für „Sat.1 Ran“ komplett eigenständig und live als Vertical produziert, Bilder, die mehr Tiefe in der Hochkant-Sehweise des Smartphones versprechen. Allein auf TikTok erreichte das Format laut Heyden mehr als 1,1 Millionen Zuschauende.
„Der Zündstoff für Innovationen ist für uns das Dreieck aus Augmented Reality, Artificial Intelligence und 5G“, so der Digitalexperte der deutschen Fußballliga. Man werde in den kommenden Jahren viele nachwachsende Zielgruppen sehen, für die man neue Produkte bereitstellen müsse, so Heyden. Dazu zählt AR.
„Es geht nicht um die Technologie, es geht um die Applikation der Technologie. Und es geht um die Erweiterung des Spielerlebnisses – und nicht um den Ersatz.“
Andreas Heyden, DFL Digital Sports
Im Interview mit Moderatorin Anett Sattler aus dem Team Magenta Sport stellte Andreas Gerhardt die Refinanzierung der Angebote in den Fokus. Der Chief Distribution Officer von Sport1 schilderte dabei die fundamentale Bedeutung der Fernsehwerbung, die erst den Kauf von Rechten und eine hochwertige journalistische Produktion ermögliche.
Wir machen etwas ganz Verrücktes bei Sport1: Wir wollen Geld verdienen!
Andreas Gerhardt, Sport1
Die Sendung „Doppelpass“ etwa sei „ein ganz entscheidendes Nachverwertungsrecht“. Schwieriger sei es hingegen, mit Streaming-Angeboten die Kosten zu decken. Dennoch setzt das Unternehmen auch auf die neue Plattform Sport1 Extra, die zum Beispiel die ganze Breite des Volleyballs abdecken und Differenzierungsmöglichkeiten schaffen könne. Für Ligen oder Events, die in den gängigen Premium-Angeboten im Markt kaum Platz finden würden. „Wir bleiben nicht bei Volleyball stehen, wir arbeiten daran, dass wir weitere größere Ligen und Sportarten bekommen, um ein großes Angebot im Streaming zu schaffen“, stellte Gerhardt in Aussicht.
Gerhardt warb zudem für den Gaming-Abosender eSportsONE: „Wir haben diese Heimat für eSports-Fans so umgesetzt wie kein anderer.“ Im Free-TV funktionierten die Games-Übertragungen allerdings nicht so gut. „Nicht jeder guckt gerne zu, wenn jemand anders FIFA zockt“, erklärte der Sport1-Manager.
Hier der Mitschnitt des Sportpanels:
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