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KI-Spagat zwischen Effizienz und Publikumsvertrauen

Geschrieben von Petra Schwegler | 11. Dezember 2025

Produktivitätsversprechen oder Vertrauenskrise? Das sind die Pole, zwischen denen Medienschaffende und Medienkonsumierende aktuell Arbeit und Angebote mit Künstlicher Intelligenz (KI) ansiedeln. Aktuelle Studien zeigen: Wer Medienmarken zukunftsfest machen will, muss KI deshalb tief in den Arbeitsabläufen Workflow verankern – und zugleich transparent sowie menschlich verantwortet nach außen erklären.

Der jüngste Bericht des Reuters Institute, "AI Adoption by UK Journalists and their Newsrooms", beschreibt KI nicht mehr als Experiment, sondern als eine der zentralen Triebfedern der Transformation im digitalen Nachrichtenmarkt. Basierend auf einer Umfrage unter 1004 britischen Journalist:innen wird deutlich, dass mehr als die Hälfte (56 Prozent) KI inzwischen wöchentlich nutzen, weitere 27 Prozent seltener.

Hauptsächlich wird KI für Sprachverarbeitung eingesetzt: Transkription (49 Prozent mindestens monatlich), Übersetzung (33 Prozent%) und Grammatikprüfung (30 Prozent ). Auch für Recherche (22 Prozent ), Ideenfindung (16 Prozent ) und Textgenerierung (16 Prozent) kommen diverse Tools zum Einsatz.

Audio- und Videogenerierung mittels Künstlicher Intelligenz spielt im Arbeitsalltag britischer Journalist:innen derzeit praktisch keine Rolle, obwohl Verlage mit Podcasts und Bewegtbild-Beiträgen in neue Geschäftsfelder vorstoßen. Lediglich vier Prozent der Befragten setzen KI ein, für Videos sind es sogar nur zwei Prozent.

Jüngere, männliche Journalisten und solche in Führungspositionen nutzen KI häufiger. Die Nutzung variiert nach Themengebiet – Wirtschaftsjournalist:innen (43 Prozent wöchentlich) nutzen KI deutlich öfter als ihre Kolleg:innen aus dem Lifestyle (21 Prozent).

KI wird Standardwerkzeug, Vertrauen bleibt Achillesferse

Interessant: Trotz der durchaus großen Verbreitung sehen die Befragten in Großbritannien KI überwiegend als Bedrohung. Sie äußern den Studien-Autor:innen gegenüber hohe ethische Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen. 62 Prozent sehen KI laut Reuters-Studie sogar als große Bedrohung, nur 15 Prozent als große Chance. Besonders besorgt sind Journalist:innen über Auswirkungen auf Vertrauen (60 Prozent), Genauigkeit (57 Prozent) und Originalität (54 Prozent).

Das Integrieren von KI in Redaktionen – zu 60 Prozent sind die Teams schon mit dabei – ist Reuters zufolge meist begrenzt, obwohl die Erwartung einer zukünftigen Zunahme hoch ist. Private/kommerzielle sowie öffentlich-rechtliche Medien zeigen unterschiedliche Ansätze bei Richtlinien und Schulungen. Die meisten Befragten (60 Prozent) berichten von etablierten KI-Richtlinien zu Themen wie menschlicher Kontrolle (44 Prozent) und Datenschutz (43 Prozent). Zwei Drittel erwarten zunehmende KI-Nutzung. Nur 32 Prozent erhalten KI-Schulungen. Die meisten Redaktionen (57 Prozent) nutzen ausschließlich externe KI-Tools.

 

Andere Handhabe im Bereich Bewegtbild

Apropos Audio- und Video-Angebote, die mit KI-Tools erstellt werden: Auch wenn klassische Verlage in Großbritannien hier laut Reuters noch zurückhaltend handeln, hat sich Künstliche Intelligenz in den Branchen TV, Streaming und Produktion längst zum gängigen Werkzeug entwickelt.

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen unter anderem: In der Postproduktion können KI‑Tools Kosten um rund ein Drittel senken – etwa durch automatisiertes Sichten, Transkribieren und Schneiden von Material. Generative KI unterstützt beim Erstellen von Storyboards, beim Visualisieren und sogar beim Erzeugen von Stimmen, Musik und Soundeffekten, was Produktionen schneller und flexibler macht.

Auf den Streaming-Plattformen selbst sorgen lernende Systeme für personalisierte Empfehlungen, bessere Suche und einen angepasste Streaming‑Qualität – und steigern damit Nutzungsdauer und Bindung ans Angebot deutlich. Gleichzeitig warnen auch hier die Kenner: Je mehr KI entscheidet, was produziert und ausgespielt wird, desto wichtiger werden Transparenz, Urheberrecht und faire Arbeitsbedingungen in der Branche. Des Weiteren grassiert gerade im Bereich Produktion die Angst vor Jobverlust.

 

Strategische Hausaufgaben für Medienhäuser

Aus den aktuellen Studien lassen sich für Medienstrategen drei zentrale Handlungsfelder ableiten:

  • Erstens geht es darum, KI systematisch in Arbeitsabläufe zu integrieren, um Freiräume für eigene Recherchen, Einordnung und kreative Formate zu schaffen – also genau jene Bereiche zu stärken, in denen menschliche Kompetenz sichtbaren Mehrwert stiftet.
  • Zweitens brauchen Redaktionen verbindliche Leitlinien zu Transparenz, Korrekturprozessen und zum Umgang mit Halluzinationen, um Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden.trust+4
  • Drittens fordern Forschende dazu auf, die Sicht des Publikums konsequent mitzudenken. Es geht um Akzeptanzschwellen, Testläufe mit unterschiedlichen Hinweisen zur KI‑Nutzung und Erklärangebote , die helfen könnten, das „Vertrauensdefizit“ zu verringern.

Deutlich wird: Wer als Medienanbieter Künstliche Intelligenz nur als Effizienz-Beschleuniger versteht, riskiert, die Beziehung zu den eigenen Zielgruppen zu beschädigen. Es gilt vielmehr, in der KI-Ära journalistische Werte neu zu erklären. So könne Profil beim Publikum gewonnen werden, suggerieren diverse Studien.

Die Münchner Denkfabrik 1E9 hat bei einem Event rund um Vibe Coding im Mediennetzwerk Bayern einen Blick in die Zukunft der Medien gewagt und prognostiziert:

  • Die Anzahl der "Digital Experiences", die unser Aufmerksamkeit wollen, steigt.
  • Die Personalisierung durch KI wird maximal, situativ wie proaktiv.
  • Die kumulierte Aufmerksamkeit für traditionelle Medien sinkt.

Das Team von 1E9 rät den Anbietern: "Medien müssen stärker als je zuvor persönliche Relevanz entwickeln."

 

Das neue MTM SPECIAL AI & MEDIA zu Künstlicher Intelligenz in den Medien findet am  21. und  22. April 2026 in der HFF München statt. In Keynotes, Panels und Masterclasses geht es um aktuelle Anwendungen, rechtliche Fragen und neue Perspektiven für den Einsatz von KI in der Medien- und Filmproduktion. Tickets? Gibt es hier


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