Zwischen „Schürfrechten“ fürs KI-Training, Warnungen vor Re‑Nationalisierung der Medienpolitik und der Frage, wie sich digitale Identitäten vor Deepfakes schützen lassen: Auch diese Fragen haben die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 im Zeichen von KI, Urheberrecht und der Zukunft der europäischen Medienordnung gestellt.
Dabei wurde deutlich: Ohne europäische Antworten, faire Lizenzmodelle und neue öffentliche Räume im Netz droht ein demokratisches Vakuum.
Unter dem Motto „WTFuture?!“ sind die #MTM25 zur Bühne für einige der drängendsten Fragen der Medienbranche geworden:
Mit der Europatag-Diskussion „May I? Please?“ wurde thematisiert, wie KI-Modelle legal mit urheberrechtlich geschützten Inhalten trainiert werden können. Vertreter:innen aus Tech, Verlagswelt und Verwertungsgesellschaften machten deutlich, dass Text- und Data-Mining zwar rechtlich möglich bleibt, Rechteinhaber:innen aber wirksame, maschinenlesbare Opt-out-Optionen und faire Lizenzmodelle benötigen.
KI-Anbieter Aleph Alpha verwies auf kuratierte, lizensierte Datensätze und den Einsatz von robots.txt als Branchenstandard, während die GEMA anhand des Falls „Mambo Nr. 5“ zeigte, wie schnell KI-Systeme zur Urheberrechtsverletzung werden können, wenn Training ohne klare Vergütung und Kontrolle erfolgt.
Der Münchner Verlag C.H. Beck präsentierte ein Gegenmodell, bei dem Autor:innen ab dem ersten Euro an KI-Umsätzen aus Verlagsinhalten beteiligt und aktiv um Zustimmung gebeten werden – ein Ansatz, der die Interessen von Kreativen in den Mittelpunkt stellt.
Einigkeit bestand darin, dass das bloße Verlagern von KI-Training in Rechtsräume mit schwacher Regulierung keine Option ist, wenn die Modelle später in Europa genutzt werden. Die Diskussionsteilnehmer:innen betonten, dass Territorialität und Marktorientierung des europäischen Rechts verhindern müssen, dass Schutzstandards durch Outsourcing ausgehöhlt werden. Gefordert wurden Lizenzmodelle, die Text- und Data-Mining weiterhin ermöglichen, aber klare, rechtssichere Opt-out-Möglichkeiten bieten und den Schutz des geistigen Eigentums als Grundlage für Innovation begreifen.
Die europäische Ebene war auch der rote Faden der Session „What now. What next?“, in der der Europatag der MEDIENTAGE MÜNCHEN eine unmissverständliche Botschaft formulierte: kein Zurück in nationale Alleingänge der Mediengesetzgebung.
Vertreter:innen aus Politik, Plattformwirtschaft und Verbänden warnten in München davor, zentrale EU-Rechtsakte wie AVMD-Richtlinie, Digital Services Act und kommende Pakete wie den „Digital Omnibus“ in nationale Interessen zu zerlegen. Stattdessen brauche es eine Harmonisierung, die Auffindbarkeit, „Free Flow of Content“ und medienpluralistische Rahmenbedingungen europaweit sichert und gleichzeitig Bürokratie für Medienunternehmen reduziert.
Gleichzeitig zeigten sich Spannungen zwischen Regulierungsanspruch und Vollzug: Während Inhalteanbieter auf Planungssicherheit und Investitionsräume pochen, warnte die Aufsicht bei den #MTM25 vor massiven Vollzugsdefiziten bei der Bekämpfung von Hassrede und Desinformation. Ohne wirksam durchsetzbare Sanktionen gegen Plattformen, die EU-Vorgaben unterlaufen, gerate die „Demokratie im Netz“ ins Wanken, lautete die zugespitzte Diagnose.
Die Konsequenz: Regulierungen müssen kanalübergreifend denken, Verantwortliche klar benennen und dürfen nicht allein bei juristischen Details stehen bleiben, sondern müssen Inhalte- und Demokratieperspektive stärken.
Mit „Artificial Identity“ rückte eine weitere Schattenseite des KI-Booms bei den MEDIENTAGEN in den Mittelpunkt: Deepfakes, Voice-Cloning und manipulierte Identitäten. Die britische Medienjuristin Kelsey Farish zeigte anhand prominenter Deepfake-Fälle, wie KI längst in der Lage ist, aus einzelnen Fotos und kurzen Tonspuren glaubhaft wirkende, aber komplett künstliche Persönlichkeiten zu konstruieren.
Parallel wächst ein Creator-Ökosystem, in dem ein großer Teil der Medienschaffenden KI intensiv zur Content-Produktion nutzt, um Effizienz und Einnahmen zu steigern – mit der Folge, dass die Grenze zwischen authentischen und synthetischen Inhalten weiter verschwimmt.
Als Gegenstrategie empfahl Farish klare rechtliche Strukturen für den Umgang mit KI: Organisationen und Einzelpersonen sollten definieren, welche Werte sie mit KI-Inhalten verbinden, welche Daten sie in Systeme einspeisen, über welche Kanäle sie Inhalte verbreiten und welche Prüfschritte – inklusive menschlicher Kontrolle – obligatorisch sind.
Derlei Leitplanken sollten nicht Bremsklotz, sondern Sicherheitsnetz sein: Sie sollten ermöglichen, KI produktiv einzusetzen und zugleich Persönlichkeitsrechte und Markenidentitäten vor Missbrauch zu schützen.
Der Blick nach vorn richtete sich auf die strukturelle Ebene: Wie kann Europa seine digitale Abhängigkeit von großen US- und China-Plattformen verringern? Im Panel „Reset für die digitale Zukunft“ wurde mit dem Public Spaces Incubator ein konkretes Gegenmodell präsentiert. Es basiert auf einer dezentralen Infrastruktur statt auf geschlossenen Plattform-Gärten und setzt auf Technologien wie Mastodon auf. Öffentlich-rechtliche Akteur:innen wollen damit neue öffentliche Räume schaffen, die den demokratischen Austausch stärken und Inhalte für alle zugänglich machen, statt sie hinter proprietären Schranken verschwinden zu lassen.
Die Debatte zeigte, dass digitale Souveränität nicht allein eine Frage von Infrastruktur, sondern auch von Nutzerverhalten ist: Mediennutzer:innen entscheiden täglich, ob „man sich von Fast Food oder geistig gesund ernähre“, wie Dirk von Gehlen (Foto oben; Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN), Journalist und Director Think Tank beim SZ Institut, zu bedenken gab. Im Zusammenspiel mit KI-Plattformen, die Medieninhalte listen, analysieren und remixen, entsteht ein komplexes Ökosystem, in dem Medienhäuser ständig neu austarieren müssen, wie viel Sichtbarkeit sie externen Diensten überlassen und wo sie eigene Räume und Rechte konsequent verteidigen.
Auch wenn die MTM als Konferenz bis zum 21. Oktober 2026 pausieren: Wir bleiben präsent! Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen im Info-Bereich der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog bereit. Bilder für den Download (Quelle: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN) sind in der Mediathek zu finden.
Zudem können zahlreiche MTM-Themen gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".