Zeugnisvergabe in der Radiobranche: Die MA 2023 Audio II liegt vor und liefert Reichweiten der Sender für UKW- und Onlinewelten. Auf Basis dieser Zahlen wird errechnet, wohin sich die Spotpreise im kommenden Jahr entwickeln werden. Für einige Anbieter war der MA-Mittwoch daher auf lange Sicht ein guter Tag, für andere ein schwarzer.
Auch wenn die Eckdaten der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (ag.ma) mit der vorliegenden Sommer-MA eine unverändert hohe Nutzung der Gattung Radio/Audio bescheinigen: Die Nuancen verändern sich im befragten Zeitraum von September 2022 bis März 2023.
In den Details dokumentiert die aktuelle MA Audio den kontinuierlichen Wandel in der Hörwelt. So bleibt Radio als Gattung laut den MA-Zahlen der tägliche Begleiter über alle Altersgruppen hinweg. Dabei kann das Online-Beiboot der Senderfamilien – Online-Audio – bei den Hörer:innen wieder zulegen. „Der Verbreitungsweg Online-Audio, der nach der starken „Coronazeit“ zuletzt Reichweite abgeben musste, stabilisiert sich wieder: Im 4-Wochenzeitraum des Weitesten Hörerkreises (WHK) steigt die Nutzung auf 24,5 Prozent an (MA 2023 Audio I: 23,0 Prozent) wie zuletzt zur MA 2022 Audio II. Die junge Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen hört dabei immer noch am meisten (WHK: 40,5 Prozent – MA 2023 Audio I: 40,8 Prozent)“, teilt die ag.ma dazu mit.
Recht deutlich wird die Ausdifferenzierung der Hörwelt bei der Podcast-Nutzung: Sie ist weiterhin auf dem Vormarsch. O-Ton der ag.ma: „So wurden Podcasts von 40,6 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung schon einmal genutzt (MA 2023 Audio I: 40,1 Prozent). In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen haben sogar 55,8 Prozent schon einmal Podcasts gehört (MA 2023 Audio I: 55,2 Prozent)."
Generell gilt damit für den Hörmarkt: Die Deutschen lieben Audio. Im Weitesten Hörerkreis wird konstant von 94,1 Prozent (MA 2023 Audio I: 93,6 Prozent) der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren mindestens ein klassisches und/oder Online-Radio-Angebot genutzt. Die durchschnittliche Verweildauer bei den klassischen Radioangeboten bewegt sich bei 242 Minuten (Sommer 2022: 249 Minuten).
Deutlich wird aber auch, dass sich die Verteilung auf die einzelnen Audio-Genres kontinuierlich verändert. Noch zählen die klassischen Radiostationen weiterhin die größere Hörerschaft. In Zahlen der MA 2023 Audio II ausgedrückt: Etwa 52 Millionen Jugendliche und Erwachsene ab 14 Jahren schalten demnach zwischen Montag und Freitag im Schnitt pro Tag das Radio ein.
Trotz des leichten Schwundes um 0,6 Millionen Hörer:innen gegenüber der ma 2022 Audio II kann die Gattungsinitiative Radiozentrale vom „letzten echten Massenmedium“ schwärmen.
Wichtig sind die aktuellen Juli-Zahlen, weil die Radiobranche auf dieser Basis die Preise für Funkwerbung im kommenden Jahr festlegt. Daher können Teams wie jene des privaten Regiocast-Senders Radio BOB!, der mit seinem Rock-Angebot erneut zu den Gewinnern der aktuellen Reichweiten-Analyse gehört, doppelt feiern: jetzt den MA-Erfolg und 2024 weitere Mehreinnahmen.
Andere, darunter der Lokalsenderverbund Radio NRW und Antenne Bayern, die (wiederholt) Fans per UKW abgeben, müssen dafür Mindereinnahmen einkalkulieren. Sie müssten ihre Preise nach unten anpassen. Der Vermarkter RMS, so scheint es im Rückblick auf die Ankündigung zum Wochenstart, hat den teils starken Verlusten aus den Reihen der werbefinanzierten Wellen vorgebaut: Durch die Rückkehr der Regiocast-Familie ab 2024 zum Hamburger Team nach nur einem Jahr bei der Konkurrenz der ARD Media in Frankfurt sichert sich die RMS stabile Reichweiten bei den großen Kombis. BOB! is back!
Woran liegt es, dass einige Massenwellen des Formatradios stark verlieren und so manch klar zugeschnittene Spartenwelle gewinnt? Bei den LOKALRUNDFUNKTAGEN Anfang Juli in Nürnberg wurde über die Stärken des Radios diskutiert und unter anderem von Niki Fuchs festgehalten: „Musik ist noch immer Kern des Radios und bei uns das Fundament, auf dem wir alles aufbauen”, so die Managerin hinter der Rock Antenne Österreich. Und: „Ich finde es aber immer wichtiger, klar zu sagen, wofür man steht. In einem Satz sagen zu können, was Hörer:innen erwartet, wenn sie einschalten.” Beispiel MA-Gewinner Radio BOB!: Der Sender steht für Rock, er spielt Rock und er nutzt alle Verbreitungswege, um die Fans zu erreichen.
Bei dem Auf und Ab der UKW-Reichweiten für einige Sender in der Ausweisung wird der Wert einer MA-Konvergenzwährung deutlich, die es seit einigen Jahren gibt. Sie umfasst neben den klassischen Radioangeboten die Reichweiten für Online-Audio-Channels und die werberelevanten Kombis, Musik-Streamingdienste oder auch User Generated Radios. Abgebildet werden in der MA auch Reichweitendaten zu DAB+ und Kennziffern zu Podcasts. Inhalte und Verbreitungswege, die viele Stationen längst zu ihrem Portfolio zählen.
So kann die Gattung nach wie vor verkünden, dass Audioangebote ihre Rolle als täglicher Begleiter behalten – selbst wenn dem klassischen UKW-Radio wieder einmal Reichweiten flöten gehen, wohingegen manche Wellen (Radio Hamburg) über UKW unerwartet stark wachsen. Und viele der wachsenden Zahl an Senderangeboten sowie Kombis über DAB+ legen deutlich zu.
Bleibt zu hoffen, dass die Werbewirtschaft und Mediaplaner:innen bei Buchung von Audiowerbung vor Augen haben, dass Radio heute viel mehr ist als Radio. Ob es da noch zeitgemäß ist, wenn Sender in ihren MA-Mitteilungen auf UKW-„Gewinne“ in bestimmten Zielgruppen hinweisen?
Dem ganzen Markt – Sendern wie Vermarktern wie Werbekunden – würde es guttun, viel mehr die Stärken einer Audiomarke als Ganzes wahrzunehmen. Wie es beispielweise die Radioszene macht, wenn sie schreibt: „Hitradio antenne 1 wächst digital und sieht seine Strategie bestätigt.“
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 finden vom 25. bis 27. Oktober im House of Communication in München statt. Dabei blicken wir im Rahmen der Audio-Tracks auf die Herausforderungen und Chancen für die Branche und zeigen neue Perspektiven sowie Geschäftsmodelle der Anbieter auf.
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