Produktion und Distribution von Bewegtbild verbrauchen viel Energie. Dagegen wollen die technischen Dienstleister im Verband der Technischen Betriebe der Film- und Fernsehbranche (VTFF) etwas tun. Sie sehen sich in einer tragenden Rolle auf dem Weg hin zu umweltschonenderen Produktionsweisen.
In einem Meinungsbeitrag für den Blog der Medientage München schildert der neue VTFF-Geschäftsführer Achim Rohnke, wie die ökologische Transformation in der Film- und Fernsehbranche gelingen kann.
Der „Sturm der Liebe“ ist nicht rosarot – er ist grün. Die Telenovela – von Bavaria Film produziert – war die erste klimaneutrale Fernsehproduktion Deutschlands. Sie ist übrigens damit mehr von Hollywood inspiriert, als man das als Zuschauer wahrhaben möchte. Schon in den 2010er Jahren begannen die Studios in Los Angeles auf Nachhaltigkeit zu setzen, wie ich, damals Geschäftsführer der Bavaria, bei Dienstreisen bemerkte. Vor den Studios der Majors standen plötzlich immer öfter Hybridfahrzeuge, seinerzeit eine absolute Weltneuheit. Für Hollywood-Verhältnisse ungewöhnlich still, vollzog sich in der Traumfabrik ein Wandel hin zu einem größeren ökologischen Bewusstsein.
Für die Bavaria Studios in Geiselgasteig war das ein wichtiger Gedankenanstoß. Letztlich die Initialzündung, sich konsequent als „Green Studio“ zu positionieren. Die Heizung haben wir auf Geothermie umgerüstet, die Stromversorgung auf Hydropower und Photovoltaik, wir sanierten Gebäude- und Lichttechnik. 2013 hatte die Bavaria die Transformation vollzogen und sparte von da an über 90 Prozent der Treibhausgase ein.
Die Infrastruktur auf Grün umzustellen war das eine, ökologisches Denken und Handeln im Bewusstsein der Belegschaft zu verankern, die andere, nicht minder schwere Aufgabe. Selbst bei den eigenen Produzenten stieß die Idee des „Green Studios“ lange Zeit auf Skepsis. Es bedurfte unter der Belegschaft Aktionswochen zum Thema Umweltschutz und eines Green Consultant, um in diesem wichtigen Change-Prozess die notwendigen ökologischen Standards in die Unternehmenskultur einzuziehen. Aber gut, blicken wir nach vorne.
Die erschreckende Dynamik des Klimawandels drängt uns heute zu weiterem rascherem Handeln. Deshalb hat sich der Verband der technischen Betriebe Film und Fernsehen (VTFF), dessen Geschäftsführer ich heute bin, der branchenübergreifenden "Green-Shooting"-Initiative angeschlossen.
Ab 2022 setzen namhafte Produzenten, Studios, Sender, Streamer sowie die kreativen Servicedienstleister auf einen klar umrissenen Kriterienkatalog, um ökologische Mindeststandards einzuhalten – gleichermaßen bei Kino-, TV- und Online/VoD-Produktionen.
Anders als es der Begriff „ökologische Mindeststandards“ zunächst suggeriert, bedeutet die Bildung dieser selbstverpflichtenden Allianz ein Paradigmenwechsel in der deutschen Film- und TV-Landschaft. Das einstige Nice-to-have-Thema Nachhaltigkeit wird die Standards einer ganzen Industrie neu definieren.
„Einfach Drauflosdrehen“ wird es von nun an nicht mehr geben, der Katalog der einzuhaltenden Mindeststandards der Allianz umfasst 21 verbindliche Bestimmungen, von denen mindestens 18 zwingend eingehalten werden müssen. Nur wer sie nachprüfbar dokumentiert, kann am Ende seine Produktion mit dem Green-Motion-Label schmücken und sich so positiv vom Wettbewerb absetzen.
Das Thema Nachhaltigkeit muss von nun an vom ersten Script-Entwurf bis zur Postproduction mitgedacht werden.
Achim Rohnke, VTFF
Den technischen und kreativen Dienstleistern, also all die Rentals, Studios, Außenübertragungsfirmen und Postproduction-Häuser, die im VTFF organisiert sind, fällt in diesem schwierigen Übergangsprozess eine Schlüsselrolle zu. Sie müssen ihr gesamtes Equipment erneuern, Dieselgeneratoren durch Gas- oder Hybridgeräte ersetzen, sparsame LED-Lichtsysteme anschaffen, konventionelle Hard- und Software gegen Green-IT eintauschen und und und…
Diese millionenschweren Investitionen werden einer Branche aufgebürdet, die in einem hochkompetitiven, vom Preisdruck bestimmten Wettbewerb steht und die sich durch die sehr schnellen Innovationszyklen der digitalen Technologie ohnehin gezwungen sieht, ständig neue Technik anzuschaffen. Zudem steckt sie, wie andere auch, mitten in der Corona-Pandemie fest.
Trotz des aktuellen Produktionsbooms ist deshalb die Eigenkapitalquote und Kassenlage vieler der rund 700 Serviceunternehmen der Film und TV-Industrie dünn geworden. Staatliche Finanzierungshilfen zum Umstieg auf Öko-Produktion sind zwar vorhanden, doch die Antragsverfahren innerhalb der Programme, die beispielsweise von der KfW-Bank oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufgelegt wurden, sind für die technischen und kreativen Serviceunternehmen oft nicht zu bewältigen – zu bürokratisch, zu kompliziert, an den Bedürfnissen der Branche meilenweit vorbei.
Um solche langwierigen Verfahren durchzustehen, fehlt es vielen VTFF-Mitgliedern schlicht an Manpower. Externe Hilfe, etwa durch Green Consultants, kostet wiederum Geld, das nicht vorhanden ist. Wie aber soll sich angesichts drohender roter Zahlen ein grünes Bewusstsein bilden?
Unser Verband fordert angesichts dieses Zwiespalts von der neuen Bundesregierung, die sich selbst hohe Ziele bei Nachhaltigkeit und der Energiewende gesetzt hat, eine entschiedene Entbürokratisierung der staatlichen Hilfen.
Was bei den privaten Haushalten, etwa beim Umsatteln vom Dieselfahrzeug oder Benziner aufs E-Auto, möglich ist, muss auch für die Film und TV-Dienstleister gangbar sein: unkomplizierte Antragstellung, kurze Verfahrensdauer, schnelle Auszahlung der Hilfen, Abwicklung per Mouseclick ohne Büroklammer, Locher und einem Aktenschrank voller Ordner.
Auch eine grundlegende Reform der Filmförderung hin zu steuerlicher Entlastung und besseren Investitionsbedingen wäre sehr hilfreich. Es wird eine der großen Aufgaben des VTFF und anderer Branchenverbände im neuen Jahr sein, für diese Forderungen zu kämpfen.
Wenn die materiellen Rahmenbedingungen stimmen, wird sich bei allen Beteiligten des ökologischen Transformationsprozesses in der TV- und Filmbranche auch das Bewusstsein durchsetzen, das Richtige, Notwendige, ja Überlebenswichtige zu tun. Dann wird auch die Green-Shooting-Initiative Erfolg haben, nicht zuletzt wirtschaftlichen: Da der Filmstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht der preisgünstigste sein kann, muss er andere Benefits bieten - neben einer hervorragenden Infrastruktur auch möglichst ökologische Produktionsbedingungen. Und dies nicht als Sahnehäubchen obendrauf, sondern als verbindliche Qualitätsgarantie einer ganzen Industrie.
Dann gibt es auch das, was es in Hollywood immer gibt: ein Happy End.
Zur Person:
Achim Rohnke ist seit September Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF). Der langjährige Bavaria-Film-Chef, der zuvor bis 2008 die ARD-Werbetöchter AS&S (ab 2022: ARD Media) und WDR mediagroup leitete, hat sich für seine neue Aufgaben an der Spitze des VTFF einiges vorgenommen: "Die technischen Film- und Fernsehdienstleister müssen in ihren kreativen und innovativen Leistungen gestärkt werden. Es ist mir ein persönliches Anliegen, nun für die dem VTFF angeschlossenen Unternehmen eine verbesserte Wahrnehmung im Markt zu erreichen", betonte Achim Rohnke bei seinem Amtsantritt.
Als die derzeit herausforderndsten Aufgaben des VTFF werden die wirtschaftliche Bewältigung der Corona-Krise sowie die betrieblichen Anforderungen, die der Klimawandel, der digitale Ausbau und das sich verändernde Branchenumfeld mit sich bringen, angeführt.
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