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Paid Content, E-Commerce, Spenden: Wie finanziert sich Journalismus?

Geschrieben von Petra Schwegler | 26. Januar 2021

Die digitale Leserschaft und ihre Zahlungsbereitschaft für Inhalte wachsen in Corona-Zeiten, Paid Content bewegt die Verlagsbranche. Vielen Trendberichten ist derzeit gemeinsam, dass sie einen beschleunigten Vorstoß in Richtung digitaler Abonnements und anderer Formen der Bezahlung von Inhalten skizzieren. Und gelungene Beispiele wie die New York Times, The Guardian, Dagens Nyheter, Zeit oder Süddeutsche Zeitung für die positive Entwicklung anführen. Doch reicht dieser Geldsegen für die Finanzierung von Qualitätsjournalismus aus?

Internationale wie nationale Printmarken verzeichnen nach dem ersten Covid-19-Jahr mit seinen Beschränkungen des öffentlichen Lebens einen starken Zuwachs bei Abonnent*innen der digitalen Inhalte. Der Abo-Spezialist Zuora bilanzierte sogar nach der ersten Lockdown-Phase im Frühjahr 2020, dass Medienveröffentlichungen das am zweitschnellsten wachsende Segment nach Video-Streaming-Diensten wie Disney+, Netflix und Amazon Prime seien. Zuora zufolge sind die durchschnittlichen Abonnements im Nachrichtenbereich zwischen März und Mai 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 110 Prozent gestiegen.

Für viele der „Early Mover“ übersteigt der digitale Umsatz inzwischen die Erlöse aus dem klassischen Printgeschäft. Auch kann eine beträchtliche Anzahl von Qualitätsblättern einen Weg in eine digitale Zukunft sehen, wie es etwa in Deutschland das Team der Wochenzeitung Zeit tut.

Diesen Schwung in Richtung Paid Content gilt es nun beizubehalten. Das empfiehlt auch das renommierte Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität von Oxford in seinem jährlichen „Digital News Report“. Zugleich schränken die Medienwissenschaftler die Erwartungen an diesen Einnahmestrang ein. Für viele Verlage werde das Wachstum bei den digitalen Abonnements nicht annähernd ausreichen, um die erheblichen Rückgänge bei den Printauflagen, bei den gedruckten und digitalen Werbeeinnahmen auszugleichen. Die volle Auswirkung des finanziellen Schlags, der durch die Schließung verursacht wurde, sei jetzt zu spüren, heißt es in dem aktualisierten jährlichen Werk.

 

Corona-Folgen werfen viele Fragen auf

Bei Wirtschaft wie Medien geht es nun, während der zweiten und härteren Corona-Welle mit anhaltenden Lockdowns weltweit, ums Durchhalten, Kostensenken und Konsolidieren.

Eine brennende Frage wird auch sein, wie man neue Abonnent*innen halten kann, die während des Covid-19-Booms an Bord gekommen sind. Zumal immer mehr Verlage um eine relativ kleine Anzahl von zahlungswilligen Kunden buhlen, könnte dies noch schwieriger werden, wenn sich die Wirtschaft weiter verschlechtert und die Finanzen der Leser*innen knapp werden. „Billigangebote und differenzierte Preise sind zwei wahrscheinliche Folgen“, mutmaßt das Reuters Institute for the Study of Journalism und verweist auf Verlage wie das Wall Street Journal mit speziellen "Sparangeboten" für Arbeitslose.

Auch erkennen die Wissenschaftler aus Oxford mehr Plattformunterstützung für Abonnements durch Projekte wie Apple News+ oder Subscribe with Google. Das Bezahl-Newsletter-Angebot Substack für unabhängige Autoren wird ebenfalls angeführt. Die Branche könne 2021 eine nahtlosere Integration von Abonnements beispielsweise in Form von Podcasts in ein breiteres Spektrum von nativen Plattform-Erfahrungen erwarten, lautet die Einschätzung. Gebündelte Print- und Audio-Abonnements werden als eine Möglichkeit genannt.

 

Wie werden Werbe- und Vertriebseinbußen ausgeglichen?

Die Corona-Pandemie hat zudem ein Fragezeichen hinter die digitalen Werbeerlöse der Printableger gesetzt. So hat sich laut dem Reuters-Bericht die Ansicht bestärkt, dass die Branche die ungesunde Abhängigkeit von digitaler Werbung durchbrechen müsse, der unter anderem vorgeworfen wird, Clickbait zu fördern, die Qualität zu mindern und ein schlechtes Nutzererlebnis zu schaffen.

Wirtschaftlich gesehen geraten die Verlage ohnehin im intensiven Wettbewerb mit Google, Facebook und Co ins Hintertreffen, die den Löwenanteil des Wachstums im digitalen Werbemarkt für sich beanspruchen. Viele Nachrichtenverlage verzeichnen aktuell nur ein geringes oder gar kein Wachstum ihrer Online-Werbeeinnahmen.

Die britischen Wissenschaftler folgern aus den durch Corona beschleunigten Entwicklungen, dass nachhaltige unabhängige Medien einen anderen Ansatz benötigen, der durch mehrere Einnahmequellen unterstützt wird. Kommerzielle Anbieter geben dem Reuters Institute zufolge derzeit vier verschiedene Einnahmequellen als wichtig oder sehr wichtig für die Finanzierung von Inhalten an:

  • das (digitale) Abonnement als inzwischen wichtigste Einnahmequelle
  • Werbung und Sponsoring
  • Micropayment, Spenden oder Unterstützung durch Fonds, Stiftungen  
  • Crowdfunding (einmalige oder wiederkehrende Spenden von Verbrauchern zur Unterstützung des Journalismus wie rund ums neue Silke-Burmester-Projekt Palais Fluxx)

„Gemischte oder hybride Modelle beginnen, positive Ergebnisse zu erzielen“, betonen die Wissenschaftler und führen den britischen Independent an, der seine Printausgabe vor mehr als vier Jahren eingestellt hat. Inzwischen sieht seine Mischfinanzierung digitale Werbung, E-Commerce, Affiliate-Einnahmen, Premium-Abonnements und ein Beitragsmodell vor. The Independent plant für 2021, neue Initiativen voranzutreiben. Dazu zählen ein neues Bewegtbildangebot sowie eine weitere internationale Expansion mit dem Ziel, schneller mehr umzusetzen.

Ein aktuelles Beispiel einer Mischfinanzierung digitaler Journalismusmodelle kommt gerade aus Österreich. 

 

Wie sehen neue Modelle der Refinanzierung aus?

Eine Einschätzung des Reuters Institute lautet: „Verlage werden ab 2021 mehr wie Einzelhändler aussehen.“ Mit dem Hinweis, dass in diesem Jahr stärker als zuvor am Produkterlebnis der Online-Angebote oder Apps gearbeitet werden müsste, um Abonnent*innen zu zufriedenen Kund*innen zu machen.

Einer, der das Markenbewusstsein einer jungen Zielgruppe bereits erfolgreich auf Unterhaltung und Shopping richtet, ist Christian Bäsler, der Mann hinter der US-„Medienmarke“ Complex Networks. Über Shows auf Social-Media-Kanälen wie Snapchat, Serien auf den Streaming-Portalen Netflix und Hulu, Festivals mit tausenden Besuchern sowie eigens entwickelte Produkte, die über Marktplätze verkauft werden, sprach der Gründer im Rahmen der Medientage München 2020:

 

 

Wird also doch die von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner ins Feld geführte „Quersubventionierung“ journalistischer Inhalte durch andere Geschäftsfelder Realität?

Verlage denken laut der aktuellen Reuters-Institute-Umfrage zunehmend darüber nach, wie sie am E-Commerce-Wachstum teilhaben können, indem sie Inhalte kuratieren, die die richtige Kaufabsicht erzeugen. Eigenständige Bewertungsseiten wie Wirecutter der New York Times oder IndyBest des Independent seien nur einige Beispiele für erfolgreiche Seiten, die durch Affiliate-Einnahmen einen erheblichen Beitrag zum Gewinn leisten - mit dem zusätzlichen Vorteil, dass sie wertvolle First-Party-Daten fürs Data Marketing sammeln.

Covid-19 hat auch dazu geführt, dass die Verlage umsatzrelevante Eventstrategien umschreiben mussten, da physische Treffen gestrichen und die Aktivitäten ins Internet verlegt wurden. Mittlerweile wissen die Publisher, dass virtuelle Events schneller auf die Beine gestellt werden können bei geringeren Kosten, mit hochkarätigen Gästen und einem größeren Publikum als bei physischen Konferenzen.

Viele Verlage setzten nun darauf, dass die Bündelung von kostenpflichtigen Events mit bestehenden Abonnements eine gute Möglichkeit sei, die Kundenbindung zu erhöhen und die Abwanderung zu verringern. Hinzu kommt: Virtuelle Events stellen eine wichtige Quelle wertvoller Daten und eine Möglichkeit dar, eine Beziehung zu neuen Nutzer*innen aufzubauen. Die Oxforder Forscher rechnen für dieses Jahr mit einer größeren Professionalisierung bei der Produktion und Verpackung dieser Events sowie mit neuen Funktionen, die dabei helfen sollen, überzeugendere Online-Erlebnisse zu liefern. Eine gewisse Zoom-Müdigkeit werde im Jahr 2021 unvermeidlich sein, da unser Verlangen nach menschlichem Kontakt wieder geweckt wird. Doch, so glauben die Studienautoren, wie in so vielen anderen Bereichen werde die Zukunft wahrscheinlich eine hybride sein.

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