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Sensible Sprache und barrierefreie Medien: Was zu beachten ist

Geschrieben von Petra Schwegler | 19. Juli 2022

Wie sollen Menschen mit Behinderung in Wort und Bild dargestellt werden? Was tun, um für sie barrierefrei zu berichten oder zu senden? Wichtige Fragen, die ein Ideathon im MedienNetzwerk Bayern aufgegriffen hat. Mit Antworten, die die Berliner Sozialheld*innen in verschiedenen Workshops gegeben haben. Ein Überblick über die wichtigsten Learnings.

 

Jonas Karpa von den Sozialheld*innen (im Foto oben links im Gespräch mit Lukas Schöne, MedienNetzwerk Bayern) nimmt eines vorweg: Lieber fragen und in den Austausch mit betroffenen Personen gehen, als weiter in der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung zu Klischees und Floskeln greifen.

So versteht sich auch der Berliner Verein, für den der Journalist als Redakteur, Podcaster und Dozent arbeitet, unter anderem als Anlaufstelle für Fragen. Dessen Angebot Leidmedien.de liefert Tipps, welche Begriffe zu vermeiden sind und welche Alternativen es gibt, um zu einer sensibleren Sprache zu finden.

Daneben pickt die noch junge Marke Die neue Norm als Onlinemagazin und Podcast Best-Practice-Beispiele auf und zeigt, wie Journalismus besser an sensible Themen herangeht und klärt auch, welche Bebilderung inklusiv ist. Immerhin müssen Onlineangebote nach und nach barrierefrei gestaltet sein.

Ergänzend klären die Sozialheld*innen in Workshops auf – wie auch im Rahmen eines Ideathons zur Barrierefreiheit im MedienNetzwerk Bayern.


Wie sprechen wir mit und über Menschen mit Behinderung?

Zunächst einmal verweist Karpa in der Definition des Begriffs auf das Sozialgesetzbuch: „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie (..) an der gleichberechtigten Teilhabe (..) länger als sechs Monate hindern können“. Deutlich zeige sich hier, wie vielfältig der Begriff Behinderung sei, so Karpa.

Auch daher rät der Sozialheld zu besonderer Umsicht in Formulierungen und zur Vorsicht mit Wörtern wie …

  •              „trotz Behinderung“
  •              „Obwohl“ er behindert ist ...
  •              „Dennoch“ meistert er …
  •              „heldenhaft“
  •              „Schicksalsschlag“
  •              „Handicap“
  •              „an den Rollstuhl gefesselt ..."

Warum stößt gerade der Begriff Handicap auf? Er werde häufig benutzt, zumal viele Autor:innen Vorbehalte gegenüber dem Wort „Behinderung“ hätten, berichtet Jonas Karpa. Doch damit werde Diskriminierung suggeriert, das modern und englisch klingende Wort sei „rein defizitorientiert“. . Karpa: „Das Wörtchen Handicap gehört auf den Golfplatz.“ 

Eine Übersicht zu Begrifflichkeiten, die besser nicht verwendet werden sollten, ist unter Leidmedien.de zu finden. Darüber hinaus legen die Berliner den Medienschaffenden nahe, ihre Gesprächspartner:innen auf jeden Fall nach  ihrer Selbstbezeichnung zu fragen. 

 

Fotos können sehr viel aussagen

Bei der Bildsprache wünscht sich das Team der Sozialheld*innen einen „respektvollen Umgang auf Augenhöhe“. Dazu zählt laut Jonas Karpa:

  •  Authentisch bleiben.
    Hat die Person im Bild eine Behinderung oder ist das Motiv gestellt? Ist der abgebildete Rollstuhl ein Hilfsmittel für den Außeneinsatz oder aufgrund von Schiebevorrichtungen sowie hoher Armlehnen ein Krankenhaus-Rollstuhl?
  • Auf realistische Proportionen achten.
    Ein Rollstuhl beispielsweise sollte nicht größer wirken als in der Realität.
  • Auf den Blickwinkel achten.
    Eine Behinderung sollte nicht durch das Bild nicht in den Vordergrund gestellt werden.
  • Nicht zu anonym fotografieren.
    Behinderte Menschen sollten integriert in einer Gruppe dargestellt werden, als Teil einer Gemeinschaft.
  • Auf die Perspektive achten.
    Kleinwüchsige Menschen etwa könnten in Porträts dargestellt werden – und nicht aus der Vogel- oder Froschperspektive.

Alles in allem raten die Sozialheld*innen dazu, dass Behinderung in Text und Bild keine plakative Rolle spielen sollte. Sie sollte nicht das Thema eines Bildes sein, sondern soll mit abgebildet werden. „Unser Ziel ist Disability Mainstreaming“, fasst Jonas Karpa die Handlungsempfehlungen zusammen. Für die Bildsuche empfiehlt er die alternative Fotodatenbank Gesellschaftsbilder.

 

Wie sehen Inhalte für Menschen mit Behinderung aus?

 So viel zu der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung. Für Barrierefreiheit und den einfachen Zugang zu Medien für Menschen mit Behinderung haben die Sozialheld*innen diese Tipps:

  • Bilder und Videos sollten durch Audiodeskription auch Sehbehinderten zugänglich gemacht werden.
  • Bei Podcasts und anderen Audioangeboten sollte Zugang zu den Transkripten ermöglicht werden.
  • Untertitel für gehörlose Menschen allein reichen nicht. Ihre eigene Sprache ist die Gebärdensprache.
  • Gerade beim Social Network Instagram kann in den Einstellungen Barrierefreiheit eingestellt und das gezeigte Motiv erklärt werden.
  • Websites sollten in einfacher Sprache gehalten werden – mit größerer Serifen-freier Schrift, mit kurzen Sätzen und wenig Fremdwörtern, mit vielen Absätzen zur besseren Orientierung fürs Auge.
  • Für den Lerneffekt sollte Menschen mit Behinderung im Social Web gefolgt werden.

Besonders wichtig ist den Sozialheld*innen übrigen ihr Empowerment-Projekt, mit dem aufgezeigt werden soll, wie Menschen mit Behinderung im 1. Arbeitsmarkt gut integriert werden können. Das Ziel: Inklusion und ein Miteinander im Arbeitsmarkt, von dem alle Seiten profitieren sollen.

 

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