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So läuft es für die Welt der Print-Marken

Geschrieben von Petra Schwegler | 04. Februar 2025

Reichweiten- und Verkaufszahlen belegen, wie sehr sich die Transformation bei Zeitungen und Zeitschriften in den letzten Jahren beschleunigt hat. Leser:innen greifen vermehrt auf digitale Varianten zurück oder auf die wachsenden Angebote der Printmarken im Netz, per Podcast oder Video. Künstliche Intelligenz hilft inzwischen dabei, das Abomarketing zu verbessern oder Alltagsprozesse in Redaktionen so zu erleichtern.


Publisher, die es verstanden haben, ihr Digitalbusiness auszubauen und so den Leser:innen- und Anzeigenschwund im Analogen halbwegs auszugleichen, stehen immer noch gut da. Die Zeitungen konnten ihre Gesamterlöse laut BDZV-Bericht "Branchenbeitrag 2024 – Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen" im vergangenen Jahr bei 7,5 Milliarden Euro stabil halten. Hier der Umsatzmix im Überblick: 

Quelle: BDZV, "Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen"

 

Aktuelle Umsatzzahlen zu Paid Content unterstreichen die Bedeutung des Umbaus hin zu digitalen Geschäftsmodellen, die immer stärker den Fokus auf ältere und solvente Zielgruppen richten können. Rund 1,45 Milliarden Euro erlösen deutsche "Publikumsmedien" inzwischen jährlich mit Bezahlinhalten. Der Branchendienst PV Digest hält auf Grundlage der regulären Endkundenpreise fest, dass sich der Zuwachs im vergangenen Jahr auf 18 Prozent erhöht hat. Von einer "neuerlichen Beschleunigung des Wachstumstempos" über die vergangenen drei Jahre ist die Rede. Das Erlös-Plus basiert zu 49 Prozent auf gestiegenen Preisen, gestiegene Mengen sind für etwas mehr als die Hälfte des Wachstums verantwortlich.

Und: Fast zwei Drittel der Paid-Content-Umsätze gehen auf Tageszeitungen zurück. PV Digest analysiert hier allerdings unterschiedliche Vorlieben der Kundschaft:
"Bei den regionalen Tageszeitungen ist es vor allem das E-Paper und zu nur 16% sind es die Plus-Abos oder andere Paywallprodukte, die erfolgreich verkauft werden. Bei den überregionalen Titeln dagegen ist die Digitalisierung auch im Lesermarkt deutlich weiter voran geschritten. Mit 49% – und damit um einiges mehr als durch den Verkauf von E-Paper-Abos – erreichen die nationalen Titel zusammen (aber nicht in jedem Einzelfall!) mehr Erlöse mit ihren Paywalls als mit ihren digitalen Print-Nachbildungen."

Im Umkehrschluss kann gefolgert werden: Bei regionalen Tageszeitungen ist bei der Digitalisierung im Lesermarkt noch viel Luft nach oben. Eine Marke, die gerade massiv aufholt, ist die Rheinpfalz. Das Haus hat seine Digitalstrategie auf mehreren Säulen weiterentwickelt, unter anderem gemeinsam mit zahlreichen anderen Regionalblättern als Teil des Datenpools DRIVE. Er wurde von der Nachrichtenagentur dpa und dem Beratungsunternehmen Highberg (vorher Schickler) 2020 eingerichtet.

Das Datenprojekt Digital Revenue Initiative, kurz DRIVE, soll durch Kooperation diverser Regionalblätter beim Aufbau tragfähiger digitaler Erlösmodelle helfen und so die Zukunftsfähigkeit des gesamten Mediensektors sichern. Daneben testet die Rheinpfalz KI-Tools für mehr Effizienz in redaktionellen Abläufen. Mit Erfolg, wie der stellvertretende Chefredakteur Uwe Renners verkündet: Er kann neue Rekorde für rheinpfalz.de zum Jahresstart melden.


Umbau zur wochentaz geht auf

Doch selbst in Print gewinnt noch, wer zur veränderten Mediennutzung passt und die "Quality Time" bespielt: schnelle digitale News am Morgen, vertiefte Lektüre in Richtung Wochenende. So gehörte bei der jüngsten IVW rund um harte Auflagen fürs letzte Quartal 2024 die ZEIT einmal mehr zu den Gewinnern; die Hamburger meldeten fürs 4. Quartal 530.086 verkaufte Exemplare. Damit wurden im Jahresvergleich 1,3 Prozent mehr gedruckte Wochenzeitungen abgesetzt. 480.118 Exemplare gingen per Abonnement an die Leser:innen – laut DWDL ein Rekord.

Zulegen konnten bei der IVW auch die im Herbst 2024 etablierte wochentaz (plus 1,3 Prozent), Der Freitag oder Das Parlament. Überregionale Tages- und Sonntagszeitungen gehörten indes zu den Verlierern. Dazu zählen Handelsblatt (minus 11,4 Prozent), SZ (minus 3,7 Prozent) oder FAZ (3,6 Prozent).

Mehr zur wochentaz: Der über Jahre ausgearbeitete Plan zur "Seitenwende", wie es das Berliner Zeitungs-Team nannte, ist fürs Erste aufgegangen. Gemeint ist der "Weg, die tägliche Zeitung ab 17. Oktober 2025 digital erscheinen zu lassen und nur noch die wochentaz zu drucken". Das ePaper in der taz-App erscheint seit Einstellung des Drucks von Montag bis Freitag als abgeschlossenes Zeitungsprodukt, die Website wurde relauncht. Die ersten Zahlen geben der Hoffnung recht, wonach dieser radikale Umbau "der richtige Weg ist, um das Fortbestehen der taz zu sichern".

 

Auf lange Sicht gibt Gedrucktes nach

Die "weicheren" Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, die anders als harte Verkaufszahlen auf Umfragen beruhen und Aussagen zur Nutzung treffen, zeichnen für Zeitschriften ein ähnliches Bild: Auf lange Sicht wird alles in allem weniger auf Gedrucktem gelesen. Selbst der für Mitglieder kostenlose Publikumstitel ADAC Motorwelt muss 7,3 Prozent weniger Reichweite in der ma 2025/I gegenüber dem Vorquartal hinnehmen. Heute reichen damit 5,93 Millionen Lesende für den Titel "reichweitenstärkste Publikumszeitschrift" aus; vor rund 15 Jahren waren es in der MA noch drei Mal so viele Fans.

Die TV-Beilage Prisma erobert laut Meedia Terrain dank des Rückzugs des Konkurrenten rtv und zieht mit einem Reichweitenplus von 5,6 Prozent mit der ADAC Motorwelt nahezu gleich. Über alle 135 untersuchten "Pressemedien" hinweg meldet die agma eine "stabile" Nutzung. 

Doch zahlreiche Titel unter den deutschen Top 20 wie stern, Hörzu oder Focus gaben nach. BamS, Spiegel, TV14, Bunte oder auch Gala gehörten dieses Mal zu den Gewinnern der Zeitschriften-MA. Dass einzelne Titel bei der harten IVW-Auflage verlieren und zeitgleich bei der MA an Reichweite zulegen, sehen Fachjournalisten einmal mehr kritisch.

 

"Print" ist heute viel mehr als Zeitung oder Zeitschrift

Wenn gedruckte Auflagen erodieren, kann nicht nur der Aufbau digitaler Geschäftsfelder für Ausgleich sorgen. Auch nicht-klassische Verlagssegmente wie beispielsweise der Event-Bereich oder auch Investments in vielversprechende Branchen oder Dienstleistungen im Bereich Vermarktung geraten stärker in den Fokus. Daneben bespielen die Publisher erfolgreich Audio- und Videokanäle. Die ZEIT etwa gehört zu den Absendern diverser erfolgreicher Podcasts, die auch als Live-Events auf die Bühne kommen. 

Doch kann nicht überall Zusatzgeschäft etabliert oder zu digitalen Erlösquellen gegriffen werden. Gerade in dünn besiedelten Regionen Deutschlands verschwinden immer mehr Lokalzeitungen mit großen Auswirkungen auf unsere Demokratie. Eine Studie dokumentiert inzwischen, wo die Gefahr einer "Nachrichtenwüste" besonders groß ist …

 

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