Die Pandemie schafft neue Perspektiven für die Medienbranche. Der Erfolg der Streamingdienste bleibt ungebrochen und der Wettbewerb um Public Value nimmt bei den Sendern Fahrt auf. Gleichzeitig verschärft sich die Problematik der sozialen Medien. Wie lassen sich Hass und Fake News nachhaltig bekämpfen?
„Reagieren reicht nicht mehr – Medien müssen agiler werden“, so der Appell von Dr. Thorsten Schmiege, bei der Eröffnung der Medientage München 2021. Die Pandemie habe die ohnehin fortschreitende Digitalisierung massiv verstärkt, nun gelte es, zu handeln. Einen besonderen Fokus setzt der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) auf die lokalen Medien: Um am Markt zu bestehen, müssen sie auf Kooperationen setzen. Aus diesem Grund habe die BLM die Medienplattform Bayern aus der Taufe gehoben, die lokale Sender dabei unterstützen soll, Meinungsvielfalt unabhängig mitzugestalten.
Eine Herausforderung für alle Medien, die sich während der Corona-Krise verschärfte, ist die ungelöste Problematik der sozialen Medien: Alles, was über Social Media läuft, habe eine enorme Wucht, werde in Zeitverzögerung von anderen Medien übernommen und zum breiten Thema, so Ministerpräsident Markus Söder. Die „Hass Community“ sei in der Coronazeit massiv ans Tageslicht gekommen. Verantwortung sieht Söder direkt bei den Anbietern – also Facebook, Telegram und Co. „Aus verwirrten Gedanken entstehen aggressive, hetzerische Worte. Der Weg zur Tat ist ein kurzer.“
Dr. Mai Thi Nguyen-Kim dagegen sieht die Verantwortung in der Gesellschaft: „Wir sind Teil des Problems, wenn auch Schaulustige Attila Hildmann folgen.“ Der Algorithmus kostenloser Plattformen sei werbefinanziert und könne nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden. „Wir müssen uns gesellschaftlich auf Regeln einigen. Das ist aber sehr komplex, ich habe keine Lösung, wie man das machen kann, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken.“
Die Wissenschaftlerin, Autorin und Moderatorin erfährt durch ihre Social Media Aktivitäten Hass am eigenen Leib: „Der Ton in sozialen Medien ist etwas rauer. Ich habe das Privileg, ein Team um mich zu haben, das mich abschirmt.“
Die Pandemie habe gezeigt, dass die Wissenschaft kein Aufmerksamkeitsproblem hat: „Die Aufmerksamkeit hat der Wissenschaft geschadet, weil die Leute nun ein falsches Bild haben.“ So habe die Corona-Berichterstattung zu einer Pauschalisierung geführt: „Es gibt nicht die eine Wissenschaft.“
Discovery ist einer der Corona-Gewinner, gibt Dr. Gunnar Wiedenfels an. „Wie haben es geschafft, durchgehend weiter zu produzieren – das hat uns von Wettbewerbern abgehoben“, so der Chief Financial Officer. Im Wettbewerb gegen YouTube und Netflix setzt Discovery künftig auf eine Allianz mit Warner Media, um die Stärken der Marken zu bündeln: Warner Media im Fiction Bereich, Discovery im non-fiktionalen Bereich. „Die neue Perspektive ist eine nie dagewesene Breite an Inhalten für den Konsumenten“, sagt Wiedenfels.
Für regionale Anbieter bleibt da vor allem die lokale Lücke. So glaubt Dr. Hannes Ametsreiter, CEO Vodafone Deutschland: „Wir bewegen uns in eine neue Ära“ und: „Man muss Nischen bedienen.“
Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks, setzt ebenfalls auf lokale Inhalte und Nähe zum Zielpublikum: „Die Vielfalt, die Ausdifferenzierung und die Regionalität im Informationsbereich sind unsere großen Stärken.“ Man dürfe auch im Bestreben, neue Zielgruppen zu erreichen, nicht diejenigen vergessen, die dem Markenkern schon jetzt entsprechen: „Was wir haben, was viele andere Plattformen nicht haben: große Treue!“ Das sei etwas, was man auch leicht verlieren könne. Wildermuth setzt deshalb auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Sky Deutschland lernte während der Pandemie: „Nothing replaces human interactions“, erklärt Desvesh Raj, Vorsitzender der Geschäftsführung Sky Deutschland. Eine Entwicklung, die Sky zudem beobachten konnte, ist die Relevanz von User Engagement. Die Kundenbindung möchte das Unternehmen unter anderem mit Sky Glass erreichen: einem TV Gerät, das neben dem hauseigenen Angebot Streaming Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ oder YouTube bündelt.
Auch Stephan Schäfer, Co-CEO RTL Deutschland und CEO Gruner + Jahr hat große Pläne für die Marke: „Wir bauen ein voll integriertes Medienunternehmen und modernisieren den gesamten Markenauftritt. RTL+ soll das größte Entertainmentangebot in Deutschland werden.“ Dabei soll vor allem glaubwürdiger Journalismus helfen – über alle Gattungen hinweg. „Wir können das Nachrichtengeschäft ausbauen und besetzen. In Zukunft werden wir sehen, welche Gattungen sich durchsetzen.“
Die hybriden MEDIENTAGE MÜNCHEN 2021 stehen unter dem Motto "New Perspectives". Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf.
Tickets für vor Ort und für den Stream sind hier erhältlich! Im Nachgang ist das Programm der #MTM21 vier Wochen on demand abrufbar.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden.
Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.