Der deutsche Sport-Streaming-Markt erlebt eine Phase intensiver Bewegung. Neue Partnerschaften, millionenschwere Rechtepakete und veränderte Nutzungsmuster prägen das Bild einer Branche, die sich rasant wandelt. Ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen zeigt: Das Streaming von Live-Sport wird immer mehr zur Normalität – und die Anbieter kämpfen mit harten Bandagen um die Gunst der Zuschauenden. Ein Überblick.
Nehmen wir nur den August 2025: Der Monat markiert einen Wendepunkt in der deutschen Streaming-Landschaft. Sky Deutschland hat eine strategische Allianz mit Amazon geschmiedet, die WOW Live-Sport als Zusatzkanal direkt in der Prime-Video-App verfügbar macht.
Dieses Integrieren ist mehr als nur technische Spielerei – sie ist ein Paradebeispiel für die neue Ära des Sport-Streamings, in der Kooperationen über Plattformgrenzen hinweg zum Erfolgsfaktor werden.
Wo geht die Reise hin?
- Konsolidierung durch Kooperation:
Statt sich gegenseitig zu bekämpfen, gehen immer mehr Anbieter strategische Partnerschaften ein. Die WOW-Amazon-Allianz könnte erst der Anfang sein: "Strategische und innovative Partnerschaften sind essenziell für unseren Streaming-Erfolg", betont Evelyn Rothblum, Chief Transformation Officer bei Sky Deutschland. Diese Aussage trifft den Kern der aktuellen Marktdynamik: Ohne starke Partner wird es für Streaming-Anbieter zunehmend schwer, in einem hart umkämpften Markt zu bestehen.
Für die Nutzer:innen bedeutet dies konkret: Alle Freitags- und Samstagsspiele der Bundesliga, die komplette 2. Bundesliga, Formel 1, MotoGP, Premier League und Weltklasse-Tennis sind nun mit wenigen Klicks auch über Prime Video zugänglich – ohne App-Wechsel, ohne zusätzliche Registrierung. Diese nahtlose Integration zeigt, wohin die Reise geht: weg von isolierten Streaming-Silos hin zu vernetzten Ökosystemen.
Auch Investoren werden wichtiger: So will der Sport-Streamer Dyn um Ex-DFL-Chef Christian Seifert mit der Schwarz-Gruppe und der DFL als neuen Gesellschaftern neben Springer weiter wachsen. Dyn-CEO Andreas Heyden sagt dazu Interview mit dwdl.de, dass "kein Fußball" vorerst der Kurs bleibe. Die Lidl- und Kaufland-Mutter Schwarz soll digitale Kompetenz einbringen. Nach zwei Jahren zeigt Dyn nach Heydens Angaben Erfolg: Das Interesse an den fünf Sportarten (Basketball, Handball, Volleyball, Tischtennis, Hockey) ist ihm zufolge gestiegen, Top-Spiele erreichen bis 200.000 Zuschauer:innen. Nun gehe es darum, Interesse in dauerhafte Abos umzuwandeln. Expansion ist geplant: Im Zentrum steht der neue FAST Channel Dyn Sport Mix mit Live-Spielen, Magazinen und Highlights für mehr Sichtbarkeit.
- Hybride Modelle und mehr Sport-Abwechslung gewinnen:
Während Sky und Amazon ihre Streaming-Allianz schmieden, kontert beispielsweise RTL Deutschland mit einer breit angelegten Sport-Offensive. Das Unternehmen setzt bewusst auf eine Hybridstrategie: hochkarätiger Live-Sport sowohl im Free-TV als auch auf der eigenen Streaming-Plattform RTL+. Von Fußball über Formel 1 bis hin zu MMA-Fights und der Basketball-EM – RTL will beweisen, dass Free-TV im Sportbereich noch lange nicht tot ist.
Diese Strategie ist bemerkenswert, da sie gegen den Trend läuft und entgegen der allgemeinen Publikumsbewegungen auf die Stärken des Free-TV setzt: maximale Reichweite und niedrige Einstiegshürden für die Zuschauer:innen. Gleichzeitig wird RTL+ als zusätzlicher Raum etabliert, um auch Streaming-affine Zielgruppen zu erreichen. Ganz im Sinne der allgemeinen Konzernstrategie.
RTL Deutschland baut etwa seine NFL-Berichterstattung für die Saison 2025 massiv aus und setzt dabei auf eine Drei-Säulen-Strategie: Ein neues Live-Talkformat ist der Appetizer. "Guten Abend Football" startet sonntags um 18.15 Uhr im Free-TV beim Free-TV-Kanal NITRO und liefert 45 Minuten NFL-Talk vor den Live-Spielen. RTL+ liefert dazu die Premium-Ergänzung: Während RTL/NITRO zwei Abendspiele zeigen (19 Uhr und 22 Uhr), bietet RTL+ ein zusätzliches drittes Live-Spiel um 19 Uhr exklusiv für Streaming-Abonnenten. Dazu kommt eine erweiterte Vorberichterstattung bereits ab 18:45 Uhr.
RTL+ bekommt dafür ein eigenes Experten-Team. RTL nutzt ergo die NFL als Premium-Content für RTL+, um Streaming-Abos zu treiben, während das Free-TV als Reichweiten-Generator zum Einsatz kommt.
Die NFL hatte zum Start in Deutschland ihr Zuhause bei ProSiebenSat.1-Sendern, die RTL-Familie hatte die Münchner 2022 beim Rechte-Deal ausgestochen. Nun haben sich die Kölner in der dritten Spielzeit als exklusiver Free-TV-Partner der NFL mit den Irland und Madrid Games sogar zwei zusätzliche Premiumrechte gesichert, um die Premieren der Football-Liga in der kommenden Spielzeit in Irland und Madrid auszustrahlen.
- Rechte und Technologie werden zu Differenzierungsfaktoren:
Wer das beste Streaming-Erlebnis bietet, gewinnt Marktanteile. Investitionen in Rechte und die Infrastruktur werden entscheidend. Einen spektakulären Schachzug hat beispielsweise die Telekom gelandet. Mit dem Erwerb der Übertragungsrechte für gleich mehrere WM-Pakete hat sich die Telekom-Offerte MagentaTV als ernstzunehmender Player im Premium-Sportsegment positioniert. Das Paket umfasst die U20-Weltmeisterschaften 2025 und 2027, die Männer-WM 2026 in Nordamerika sowie die Frauen-WM 2027 in Brasilien. Insgesamt 272 WM-Partien – ein Linzenzpaket von großer Dimension. Wolfgang Metze, Geschäftsführer Privatkunden der Telekom, spricht bei der Präsentation vom "größten Sportrechtepaket, das es jemals gab" und will die Telekom zum "Haus des Fußballs" machen, auch dank modernster Übertragungstechniken und Ausspiel-Modalitäten.
Sky liefert unterdessen eine interessante strategische Antwort auf den Verlust der traditionellen Bundesliga-Konferenz an DAZN: mit einem anderen Fußball-Recht. Mit "Goal Rush" versucht Sky, das beliebte Format auf die britische Premier League zu übertragen und damit eine Alternative zu schaffen. Jeden Samstagnachmittag ab 16:00 Uhr werden die parallel laufenden Premier-League-Spiele in einer gemeinsamen Übertragung gezeigt. Das Hauptspiel steht im Fokus, aber Highlights anderer Partien werden "in Echtzeit" mit deutschem Kommentar eingeblendet. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechnung aufgeht; die Münchner setzen dabei auf die hohe Popularität der englischen Liga und das bewährte Konferenz-Konzept.
Ein oft übersehener Aspekt des Sportstreaming-Booms ist die technologische Komponente. MagentaTV kündigt bereits eine "technische Aufrüstung" an und plant, möglicherweise für WM 2026 alle Kunden auf unlimited zu setzen. Auch Sky betont das "noch bessere Streaming-Erlebnis" durch WOW Premium. Diese Entwicklung ist nicht zufällig: Sport-Streaming stellt höchste Anforderungen an die Infrastruktur. Millionen von Nutzer:innenn wollen gleichzeitig das gleiche Ereignis in bester Qualität sehen – ohne Verzögerung, ohne Aussetzer. Wer hier technologisch nicht mithalten kann, verliert Zuschauende an die Konkurrenz.
- Frauen-Sport gewinnt an Bedeutung:
RTL und Telekom setzen verstärkt auf Frauen-Fußball. Und: Das ZDF wird ab der Saison 2025/26 Spiele der Frauen-Champions-League übertragen, sowohl live als auch zeitversetzt im TV und Streaming. Möglich macht dies ein EBU-Vertrag über fünf Jahre, der bis zu einem Spiel pro Woche plus ein Halbfinale und das Finale umfasst. Auch hier greift wieder der Hybrid-Ansatz.
Die kompletten Rechte (75 Spiele pro Saison) hat sich Disney+ gesichert, das erste Live-Sportangebot des Streaming-Dienstes in Deutschland. Disney+ löst DAZN als bisherigen Rechteinhaber ab.
- Fragmentierung als Herausforderung
Bei aller Euphorie über neue Partnerschaften und Rechtepakete darf ein Problem nicht übersehen werden: die zunehmende Fragmentierung des Marktes. Während früher ein Pay-TV-Abo ausreichte, um den Großteil des Premium-Sports zu sehen, müssen Fans heute oft mehrere Dienste abonnieren.
Bundesliga-Spiele bei Sky/WOW, Champions League bei Amazon Prime Video, WM-Spiele bei MagentaTV – für den vollständigen Sport-Genuss wird das Portemonnaie der Zuschauenden immer stärker belastet. Das bestätigt auch der „XPLR Report Sportstreaming DE“ der MEDIENTAGE-Schwesterinitiative XPLR: Media in Bavaria. Insbesondere DAZN und Sky prägen demnach den Markt mit kostenintensiven, immer fragmentierteren Exklusivrechten. Relevante Inhalte und starke Markenbindung entstehen demnach zunehmend durch geteilte Rechte und Community-Konzepte: Neben Fußball gewinnen Nischensportarten, Frauenfußball und regionale Ligen an Sichtbarkeit, unter anderem durch interaktive Formate und Creator-Content auf Plattformen wie TikTok und YouTube. On Top zu bestehenden Angeboten!
Auch das Preismodell vieler Anbieter verändert sich: Steigende Abo-Kosten und eine Zunahme werbefinanzierter Angebote (FAST Channels) prägen den Markt. Rund ein Drittel der Fans empfindet die Kosten fürs Streaming generell als zu hoch, wie zuletzt eine Studie von Simon Kucher betätigt hat. Besonders Jüngere sehnen sich nach mehr Flexibilität und Community-Beteiligung.
Fazit und Ausblick
Der deutsche Sport-Streaming-Markt steht vor spannenden Jahren. Die jüngsten Entwicklungen zeigen: Die Phase der wilden Expansion neigt sich dem Ende zu. Jetzt beginnt die strategische Konsolidierung – und die wird für Anbieter wie Zuschauer:innen gleichermaßen interessant. Ökonomisch treiben die Konkurrenz um Premiumrechte und die zunehmende Fragmentierung die Rechtepreise.
Gleichzeitig entstehen kooperative Lizenzmodelle, geteilte Ausstrahlungsrechte und neue Monetarisierungsformen wie FAST. Regionale Anbieter und neue Aggregationsplattformen wie Sportworld bieten Orientierung im Abo-Dschungel und stärken kleinere Sportarten sowie die Community-Einbindung.
Noch gravierender könnte die Veränderung übrigens in Österreich ausfallen: Dort steht "König Fußball" vor einer Zäsur. Denn Sky droht in der Alpenrepublik der Verlust der österreichischen Bundesliga-TV-Rechte ab 2026/27. Die Liga plant eine Eigenvermarktung über eine eigene Plattform mit angestrebten 100.000 Abos zum Start. Sky zahlt derzeit über 40 Millionen Euro jährlich, bietet künftig aber weniger – unter 30 Millionen Euro. Kleinere Vereine fürchten Einnahmeverluste, während größere Klubs wie Rapid Wien weniger skeptisch sind. Canal+ schied mit zu niedrigem Gebot aus. Der ORF sicherte sich bereits vier Spiele pro Saison.
Die Entscheidung fällt im Herbst – ein Mammutprojekt für die Liga, die binnen Monaten Redaktion, Preismodell und Vertrieb aufbauen müsste. Für Sky Österreich und seine rund 60 Mitarbeiter:innen in der Sportredaktion wären die Folgen gravierend, da (hier wie da) die Bundesliga-Rechte elementar sind.
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