Wenn wir den großen Bildschirm anschalten, dann liegt die Quelle des Bewegtbilds immer öfter im Internet. Mit dem Boom der gestreamten Inhalte nimmt nun auch rapide die Zahl der Werbefilme zu, die wir über diesen Weg sehen. Verschiedene Studien zeigen gerade auf, wie sich das Video-Ökosystem im Netz zugunsten von werbefinanzierten Inhalten verändert.
Treiber der Entwicklung, dass die Zahl der so genannten Ad Views in Europa stark anwächst, ist das Plus an FAST Channels. Also jener Streaming-Sender, die den werbefinanzierten Spartenkanälen der analogen Fernsehzeit nachempfunden sind. „FAST Channels definieren den Premium-Videovertrieb neu“ titelt FreeWheel bei Vorlage des neuen Video Marketplace Reports, der die Videowerbetrends für das zweite Halbjahr 2022 in den USA und Europa offenbart.
Demnach steigt die Zahl der Werbeaufrufe rund um Bewegtbildinhalte aus dem Netz – „begünstigt durch die Weiterentwicklung und Transformation des Premium-Video-Ökosystems“, wie es heißt.
Das sind die zentralen Ergebnisse:
- Da das Publikum verschiedene Geräte nutze, um auf die große Vielfalt verfügbarer Inhalte zuzugreifen, sei die Zahl der Ad-Views in Europa im zweiten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gestiegen.
- Der "Big Screen" ist laut FreeWheel von zentraler Bedeutung: 56 Prozent des Fernsehkonsums in Europa erfolgt über Connected TV (CTV) und Set-Top-Box (VoD). Berücksichtigt sind Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Spanien und Großbritannien.
- Dank der schnell wachsenden FAST-Kanäle in den USA streamen dort bereits 62 Prozent der Zuschauenden über OTT-fähige Geräte außerhalb von klassischen abofinanzierten Angeboten „– und damit ohne sich vorher registrieren zu müssen“, wie es heißt. In der EU hingegen seien noch immer 80 Prozent der gestreamten Inhalte kostenpflichtig – inklusive Authentifizierung durch die Zuschauenden.
- Laut der Analyse von FreeWheel, Tochter des Kabelnetzbetreibers Comcast und Anbieter von Lösungen für digitales Werbemanagement, ist CTV für Werbetreibende von großer Bedeutung. Über die vernetzten TV-Geräte könnte ein „engagiertes Publikum in einem Premium-Lean-Back-Umfeld mit relevanten Botschaften“ erreicht werden.
- Aber: Während CTV in Europa an Bedeutung gewinnt, wirken sich Datenschutzbestimmungen auf das Targeting der Werbetreibenden aus.
- Die FAST-Entwicklung, die nun auch in Europa Einzug hält, hat zur Folge, dass in den USA ein starker Anstieg der programmatischen Deals zu verzeichnen ist (plus 12 Prozent im Jahresvergleich). Sie machen nun FreeWheel zufolge 32 Prozent aller Buchungen aus, was auf die Einführung von CTV und das „außergewöhnliche Wachstum der FAST-Kanäle“ zurückzuführen sei. In Europa sei der Anteil der programmatischen Werbung mit 14 Prozent aller Transaktionen noch gering. Bei diesen Deals werden Menge, Preis und Laufzeit der Werbung zwischen der Einkaufs- und der Verkaufsseite im Voraus festgelegt. Dieser Anteil könnte weiter steigen, da die Transaktionen zunehmend kuratiert und die Datenschutzbestimmungen verschärft werden.
FAST und AVoD treffen auf klamme Streaming-Haushalte
Parallel dazu bestätigt eine Studie des Adtech-Anbieters Magnite den Trend zum Stream beziehungsweise zum werbefinanzierten Online-Video aus Sicht der User.
- Das internetbasierte Streaming entwickelt sich demnach zur bevorzugten Form des Bewegtbildkonsums in Deutschland und anderen europäischen Ländern.
- Außerdem mache der wirtschaftliche Druck, den Corona-Pandemie, Inflation und hohe Energiepreise für die Haushalte mit sich bringen, für Verbraucher:innen zunehmend werbefinanzierte Streaming-Alternativen interessant, also FAST- und AVoD-Angebote, heißt es. Und: Der Magnite-Studie zufolge ist Werbung im Stream deutlich vertrauenswürdiger als im Umfeld von Social Media.
- In “Die neue Ära von Streaming TV: Wie Werbung die Streaming-Zukunft der EU5 prägt” führt Magnite Connected TV (CTV) als die inzwischen am meisten genutzte Form des TV-Konsums in Großbritannien, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich an. Als “Streaming TV” definiert das beauftragte Marktforschungsinstitut Harris Interactive “TV-Inhalte, die über das Internet gestreamt werden, unabhängig vom Empfangsgerät”. Insgesamt geben 71 Prozent der Befragten diese Präferenz an.
- Daneben offenbart das Werk, dass die Verbraucher:innen immer öfter knapp bei Kasse sind und daher auch ihre Streaming-Abonnements neu bewerten. Knapp die Hälfte (43 Prozent) gibt an, bei Netflix und Co – also bei den klassischen SVoD-Angeboten – kürzen oder streichen zu wollen. Im Gegenzug wollen 74 Prozent in diesem Jahr einen neuen kostenfreien oder günstigeren werbefinanzierten Streaming-Service nutzen. Auf diese Wünsche reagiert die Branche bereits seit vergangenem Jahr; immer mehr Hybridmodelle wie Amazon FreeVee kommen auf den Markt.
- Die Verteilung zwischen reinen Paid-Streams und werbefinanzierten Angeboten – AVoD und FAST – ist bereits nahezu paritätisch: Der Studie zufolge entfallen innerhalb der EU5 15,9 Stunden pro Woche auf ausschließlich werbefinanzierte und 16,3 Stunden auf werbefreie Streaming-Dienste.
- Verschiedene Geräte prägen die Streaming-Gewohnheiten in Deutschland. Die Mehrheit (92 Prozent) streamt über den Fernsehbildschirm. Daneben liegen laut Magnite das Smartphone/Tablet (70 Prozent) sowie das Laptop/Desktop gut im Rennen bei den Deutschen, auch wenn hier zwischen lang- und kurzformatigen Inhalten unterschieden werden muss.
- Zusätzlich untermauert die Studie von Magnite, dass Streaming-Umfelder von Usern als vertrauenswürdig angesehen werden: 82 Prozent der werbeunterstützten Streaming-Zuschauenden geben an, dass sie Kampagnen in Bewegtbild-Umfeldern vertrauen. Ähnlich, wie es Studien zum klassischen TV-Umfeld belegen. Dagegen vertrauen nur 55 Prozent der Befragten der Werbung in sozialen Medien.
Für die Studie “Streaming TV – eine neue Ära: Wie Werbung die Streaming-Zukunft der EU5 prägt” hat Harris Interactive 5.306 Teilnehmende im Alter zwischen 16 und 74 Jahren in den fünf europäischen Ländern (EU5) Großbritannien, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich von Dezember 2022 bis Januar 2023 befragt. Voraussetzung: Die Befragten mussten mindestens sieben Stunden pro Woche TV schauen.
Werbungtreibende mögen Vernetzung
Die Werbemarkt springt auf CTV an: Der Studie 'Connected TV Trends, 2022-23' von Appsflyer zufolge gehen 98 Prozent vion 200 befragten Unternehmen davon aus, dass CTV-Werbung in Zukunft größer sein wird als Mobile-Kampagnen.
Laut der Werbebuchungsplattform crossvertise beinhaltete 2022 schon jede siebte TV-Buchung CTV. Der Anteil des Kanals am Buchungsvolumen für Fernsehen erhöhte sich von 0,6 auf 5,8 Prozent. Diese Prozente greift das vernetzte TV von klassischer Fernsehwerbung ab: Hier sank der Anteil laut crossvertise im Vorjahresvergleich von 81 auf 73 Prozent.
Streaming, Connected TV, AVoD, FAST, OTT, Addressable TV, Social TV: Viele Facetten prägen den dynamischen Bewegtbild-Kosmos. Doch welche Trends, Business-Modelle, Content- und Media-Strategien setzen sich durch? Welche Technologien, Anwendungen und Player geben künftig den Ton an? Wie nutzen wir im Jahr 2030 den großen Bildschirm?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen MTM SPECIALS FUTURE VIDEO 2023. Die Konferenz findet am 16. Mai im Münchner House of Communication statt und widmet sich der Zukunft von Video. Ein Tag mit spannenden Branchenexpert:innen und interessanten Einblicken in die Maschinenräume der Bewegtbildkonzerne.
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