Im Rahmen von AVoD, dem werbefinanzierten Streaming, tut sich ein neues Gefäß für kleinere Programmanbieter auf. Über Free-Ad-Supported TV – kurz: FAST – ist eine breite Masse werbefinanzierter linearen Spartensender machbar und online. Im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 wird das Werbeumfeld aus verschiedenen Blickwinkeln durchleuchtet. Für die Mediaplanung spricht dort Katharina Baumann, Geschäftsführerin von pilot München. Im Interview mit dem MTM-Blog macht sie Fakten und Herausforderungen.
Für werbefinanziertes Streaming rudern Anbieter eher etwas zurück. Ein strukturelles Problem oder allgemeine Unlust im Werbemarkt?
Diese Entwicklung ist recht einfach zu erklären: Die Testphase geht zu Ende. Die Streaming-Anbieter müssen jetzt dem normalen Wettbewerb des Werbemarktes standhalten.
Ist Euphorie fürs Werbeumfeld Streaming aus Mediasicht weiterhin angesagt?
Die Werbewirtschaft hat zunächst begeistert darauf reagiert, dass mit dem Öffnen der zuvor rein Abo-finanzierten Plattformen für Werbung nun sehr attraktive Zielgruppen erreicht werden können, die sich sehr bewusst für ein Umfeld entschieden haben.
Hinzu kommt diese Lean-Back-Haltung der Zuschauer:innen, die wir aus dem linearen TV kennen – und die Streamer bieten sehr gutes Entertainment. Wenn sich User für werbefinanziertes Streaming entscheiden, dann sehr bewusst. Werbung geht in dem Umfeld mit einer hohen Akzeptanz des Publikums einher. Auch gibt es dort keine Zehn-Minuten-Werbeblöcke.
Die Umfelder müssen aber auch in den Kampagnen-KPIs überzeugen.
Im Wettbewerb zum gesamten Bewegtbildangebot zeigt sich, dass die Streaming-Anbieter an der einen oder anderen Stelle durchaus noch ihre Hausaufgaben machen müssen.
Die lange Zeit geforderten crossmedialen Reichweiten für TV und Stream sind für die Mediaplanung inzwischen Realität. Welche Aufgaben stehen für werbefinanziertes Streaming nun im Vordergrund?
In der Praxis bestätigt sich, dass die Fragmentierung der Anbieter und Inhalte eine Reichweitenherausforderungen mit sich bringt.
Hinzu kommt, dass digitale Ausspielungen von Werbespots im Stream attraktiv sind, weil sie durch Targeting ergänzt oder theoretisch ergänzt werden könnten. Die Erwartung der Werbungtreibenden ist da, um Zielgruppen noch direkter ansprechen zu können.
Nur: Die Streaming-Plattformen öffnen teils nur begrenzt ihre Targeting-Möglichkeiten. Wir werden hier eine Evolution sehen, da alle Anbieter noch in einem verhältnismäßig frühen Stadion sind und die Möglichkeiten langsam testen.
Als Media-Expertin werden Sie bei den #MTM24 zur Frage "Können AVoD und FAST neue Werbetöpfe abschöpfen?" Ihre Einschätzung abgeben. Wie lautet sie?
Ich denke nicht, dass neue Töpfe im Bewegtbild aufgemacht oder zusätzliche Online-Budgets abgeschöpft werden können. Auch wenn beide Werbetöpfe zum Zuge kommen.
Bleiben wir realistisch: Es geht heute um die gesamte Bewegtbildnutzung und darum, integriert Mediaspendings zu planen. Am Ende differenzieren wir noch zwischen den Geräten und Bildschirmen, auf denen Inhalte genutzt werden.
Die Nutzungssituationen unterscheiden sich zwar. Doch ob das Publikum nun auf dem TV-Gerät lineares Fernsehen schaut oder sich im Catch-up der Mediatheken, via App oder in einem FAST-Channel die Inhalte konsumiert, spielt keine so große Rolle. Solange Studien die gleiche Wirkung der Ausspielwege belegen und im Gesamt eine solide Nettoreichweite erzielt wird.
Das übergeordnete Ziel in der Mediaplanung bleibt, Wirkung für die Werbekunden zu erzielen. Und das Vehikel dorthin ist die Reichweite.
Kann FAST – also die linearen, werbefinanzierten und meist monothematischen Channels im Internet – aus Mediasicht mit dem linearen Fernsehen mithalten?
Sagen wir so: Wenn FAST mit diesen sehr spitzen Zielgruppen eine gute Nische belegt und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, dann kann so ein Angebot den Mediamix sinnvoll ergänzen.
Nehmen wir ein Rechenbeispiel: Früher wurde einfach TV gebucht und die Kampagne erzielte 75 Prozent Reichweite in einer erwünschten Zielgruppe. Heute funktioniert das nicht mehr. Es ist viel zu tun, um im Prinzip die gleiche Zielgruppe zu erreichen. Dann belegt man vielleicht TV, dazu Catch-up-Umfelder aus den Mediatheken, Streaming Social Video und dazu noch FAST Channels. Die Frage bleibt, welcher Mehrwert von dem Angebot ausgeht.
Zur Person:
Katharina Baumann ist Geschäftsführerin von pilot München und gilt als Media-Allrounderin mit dem Schwerpunkt digitale Kommunikation. Gemeinsam mit ihrem Co-Geschäftsführer Thomas Mautner verantwortet sie den Münchner Standort der Agenturgruppe pilot. Katharina Baumann stieß Anfang 2021 zu pilot München und arbeitet seither am Ausbau und der Weiterentwicklung der Agenturgruppe mit.
Vor ihrer Zeit bei pilot München war sie als Mitglied der Geschäftsleitung bei der Mediaplus- und Plan.Net Media für das Bestandskundengeschäft und das New Business gleichermaßen verantwortlich – national und international. Ihre ersten beruflichen Schritte machte Katharina Baumann bei der Agentur CROSSMEDIA und bei Telegate.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 finden vom 23. bis 25. Oktober unter dem Motto "Realities" bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können zahlreiche Medienthemen auch gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".