Im Schnelldurchgang hat das Corona-Jahr 2020 viele Entwicklungen in der Medienbranche vorgespult. Zudem trifft die Krise auf Transformationsprozesse. So tiefgreifend sind nun die Veränderungen für Gesellschaft und Wirtschaft, dass sie auch die kommenden Monate und Jahre prägen werden.
Das MedienNetzwerk Bayern, wie XPRL: MEDIA in Bavaria und die Medientage München eine Marke der Medien.Bayern GmbH, hat Trends identifiziert, mit denen sich die Medienbranche 2021 näher auseinandersetzen sollte.
Welche Strömungen werden Audio, Bewegtbild, Buch, Print & Publishing sowie Werbung im kommenden Jahr prägen? Diese Frage stellten sich das MedienNetzwerk Bayern und Magnus Gebauer, Trend-Spezialist im Team Vernetzung & Strategische Partnerschaften des Unternehmens. Mit einer umfangreichen Recherche in Fachmedien, mit Besuchen digitaler Konferenzen und aus persönlichen Gesprächen mit Branchenexperten ergaben sich zum Teil bereits bekannte Entwicklungen, die schon längere Zeit zu beobachten sind, als auch neue, teils stark durch Corona geprägte Trendthemen.
Gemein haben diese Entwicklungen, dass sie im nächsten Jahr aus Sicht des MedienNetzwerk Bayern eine wichtige Rolle einnehmen werden. Präsentiert wurden sechs ausgewählte Trends im Rahmen der gemeinsamen Digital-Veranstaltung "Medientrends 2021" von MedienNetzwerk Bayern und XPRL: MEDIA in Bavaria, dem Guide zum Medienstandort Bayern.
Als Beispiel dafür, dass Corona die Medienbranche innerhalb weniger Monate auf den Kopf gestellt hat, führt Magnus Gebauer Quibi an. Nur gut sechs Monate nach dem furiosen Launch des Videodienstes wurde das Unternehmen dahinter im Herbst eingestellt.
Andere Themen haben im Krisenjahr weiter an Bedeutung gewonnen. Debatten über „Fake ‚n‘ Trust“ werden laut Gebauers Beobachtung 2021 wichtiger. Auch das Verschmelzen von Trendthemen wie etwa beim Vodcasting führt er als wichtige neue Entwicklung an. „Da werden wir einige interessante Dinge im kommenden Jahr sehen“, betonte er.
2021 wird sich die Branche nun auf die Suche nach Antworten machen – in einem Jahr, das weiter im Zeichen der Medienkonvergenz stehen wird. Drei Trendkategorien hat das MedienNetzwerk Bayern ausgemacht, abgegrenzt nach den Treibern dahinter: der Mensch, sich wandelnde oder neue Prozesse sowie technologiegetriebene Entwicklungen.
Sechs relevante Strömungen stellte die Konferenz "Medientrends 2021" in den Mittelpunkt:
Verbindende Formate sind in dieser besonderen Zeit des Social Distancing gefragt, am stärksten bei den Millennials, den zwischen 1980 und 1995 Geborenen. Der Trend zu „We“deo prägt Reality TV, wo beispielsweise im Juli das Angelcamp auf Twitch Massen begeisterte, oder den Bereich E-Commerce mit so genannten Social Live Shopping Events, wie sie in den USA und China stattfinden. Passend zum Trend hat die Streaming-Plattform Disney+ unter anderem Group Watch gestartet.
Medien.Bayern-Geschäftsführerin Lina Timm ordnete bei der Online-Konferenz die Ergebnisse ein. Sie glaubt an den Fortbestand des Wir-Bedürfnisses in der kommenden Zeit und geht davon aus, dass sich 2021 entscheiden wird, was nach Corona davon übrigbleibt. Ein digitales Konzert hat aus ihrer Sicht weniger Zukunft als etwa ein Social Live Shopping Event.
In Deutschland leben rund 42 Millionen Frauen und 41 Millionen Männer. Doch Wirtschaft und Medien spiegeln dieses Gleichgewicht nicht wider: Es dominieren männliche Chefs und männliche Themen. So variiert der Frauenanteil in journalistischen Führungspositionen von Regionalzeitungen (10,2 Prozent) bis hin zu Zeitschriftenverlagen (48,9 Prozent) – im Schnitt verharrt das Verhältnis deutlich zu Ungunsten von Frauen. Das Ungleichgewicht prägt Inhalte, selbst bei „modernen“ Medien wie Streaming, wie unlängst eine Studie ermittelte. Und dabei stammt das meistgesehene YouTube-Video des Jahres 2020 von der Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim aus dem öffentlich-rechtlichen funk-Reich.
Doch Wandel ist in Sicht. Weil Stories anders erzählt, Formate weiblicher ausgerichtet werden wie etwa beim österreichischen Wirtschaftsmagazin Sheconomy, das nun testweise auch in Bayern zu haben ist. Auch entstünden neue Medienunternehmen wie hello sunshine von Reese Witherspoon oder der Münchner Verlag &Töchter, führte Magnus Gebauer als Beispiele an.
Warum ist die Medienbranche von Männern dominiert?
Einen Antwortversuch unternahm bei der Präsentation der „Medientrends 2021“ Lina Timm: „Grundsätzlich stellt man eher Leute ein, die einem ähnlich sind.“ Auch wenn die Medien.Bayern-Chefin eine langsame Veränderung wahrnimmt, so fehlt ihr doch noch der Druck aus der Gesellschaft heraus, das ehrliche und ernsthafte „Das müssen wir ändern!“. Das Ziel von Diversity sollte sein, abzubilden, wie sich die Gesellschaft darstellt, betonte sie. Erst recht aus wirtschaftlichen Gründen, um mit Frauen eine riesige kaufkräftige „Zielgruppe“ anzusprechen.
Was macht Substack als wichtigen Treiber des Subsription-Newsletter-Trends aus? Laut Magnus Gebauer kommen zwei Gründe zusammen: Das Bezahlen für Online-Inhalte sei inzwischen gelernt und treffe auf eine Art zweiter Blogger*innen-Welle. Hinzu kommt, dass Substack die Verfasser*innen redaktionell unterstütze. Namhafte US-Journalist*innen wie Glenn Greenwald oder Casey Newton haben sich inzwischen für Substack als Newsletter-Plattform entschieden. Der deutsche Markt entdeckt gerade das Newsletter-Potenzial – beispielsweise die Looping Group um Dominik Wichmann mit dem Angebot Ping.
Eine immer größere Rolle dürfte auch im deutschen Newsletter-Angebot die Persönlichkeit spielen, betonte Gebauer. Einzelne Newsletter zielten bereits auf eine Art Personenkult ab. Magnus Gebauer: „An Inhalten mangelt es heute sicher nicht mehr. Die Persönlichkeit, die dahintersteht, kann den Unterschied ausmachen.“
Einiges ist schon passiert, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, wie das Trend-Werk des MedienNetzwerk Bayern offenbarte. Vieles davon geht über Kompensationszahlungen für hohen CO2-Verbrauch hinaus. Bei Produktion, Content, Distribution, Werbung/Media und Geschäftsmodellen sei bereits viel geschafft, erklärte Magnus Gebauer vom MedienNetzwerk Bayern. Darunter das 99-stündige Charity-Livestream-Event YouTopia Ende September, das i&u TV mit bekannten YouTube Creators produzierte und so 116.000 Bäume für die Aufforstungsaktion „Plant for the Planet“ als Spenden einsammeln konnte.
Lobend erwähnte der MedienNetzwerk-Bayern-Spezialist den persönlichen Einsatz von Medienvertretern wie dem US-Schauspieler Rainn Wilson, der die Klimakrise via YouTube auch den größten Leugnern unter seinen Landsfrauen und -männern nahe bringen möchte …
Gebauer legte den Medienanbietern nahe, sich 2021 mit Nachhaltigkeit zu befassen. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: „Gerade im Bereich Geschäftsmodelle kann viel erreicht werden.“ Damit einher gehe die Chance, jüngere Zielgruppen anzusprechen.
„2021 bringt uns auf jeden Fall mehr Interactions“, prognostizierte Magnus Gebauer mit Blick auf die zunehmende Zahl an Sprachassistenten – auch dank des Pushs im Corona-Jahr. Die Beliebtheit von Sprachassistenten erkläre sich unter anderem durch die leichte und einfache Art, sich dem Internet zu nähern.
Da vor allem News, Musik oder Infos bei Nutzer*innen gefragt sind, riet er Medien, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Mit Erfolg würden dies bereits die britische BBC oder der Bayerische Rundfunk tun, die ihre Voice-Projekte im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN digital präsentiert haben. „Beispiele dafür, wie Voice in der Breite erfolgreich sein wird“, sagte Gebauer.
Der Voice-Trend werde derzeit stark von Werbungtreibenden getrieben; so hat Keksbäcker Bahlsen zusammen mit dem Vermarkter RMS und der Mediaagentur MediaPlus interaktive Spotwerbung inklusive dem Versenden von Produktproben initiiert.
Das Phänomen „Paradox of Choice“ wird in der Streaming-Welt immer prägnanter, machte Magnus Gebauer bei „Medientrends 2021“ deutlich. Die „Algorithm Fatigue“ trete ein, vor allem bei älteren Zuschauer*innen. Laut den Marktforschern von Nielsen wendet sich inzwischen jeder Fünfte (21 Prozent) wieder ab, wenn er von seiner Plattform nicht innerhalb von wenigen Minuten passende Inhalte empfohlen bekommt.
Als Lösungsansätze führte Magnus Gebauer Tests mit neuen Wegen der Inhalte-Empfehlungen an, darunter der Versuch von Netflix, mit dem bekannten „Shuffle Play“ der Ermüdung der User*innen entgegenzuwirken. Als Alternativen würden auch Apps basierend auf „Human Algorithm“ (Bingie) oder die Kuratierung durch den Anbieter zum Zuge kommen.
Doch die User Experience bleibe entscheidend, schätzte Magnus Gebauer: „Empfehlungsalgorithmen werden nie vor guten Inhalten stehen.“
Die Präsentation ist hier für den Download hinterlegt. Im Januar wird der Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN das Trendthema aufgreifen. Sie wollen sich selbst ein Bild von den „Medientrends 2021“ machen? Das Online-Event ist hier einsehbar:
Sie interessieren sich für Themen rund um die Medienbranche? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.