Creator können mehr als ausschließlich Content produzieren. Trotzdem finden nur die allerwenigsten den Weg ins Fernsehen. Warum das so ist und wie sich das ändern könnte, erklärt Oğuz Yilmaz. Der ehemaliger Star-Youtuber und heutige Chef des Talent-Managements YilmazHummel wird als Experte der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 über die "neue Medienformel" sprechen und die Frage, wie Creator und klassische Medien konstruktiv zusammenarbeiten können.
Wie stark spüren Sie als Inhaber eines Talent-Managements aktuell das Interesse von TV-Sendern und Streaming-Plattformen an der Creator-Branche – ist das bereits Alltag oder noch ein Experimentierfeld?
Eher letzteres. Leider ist es immer noch so, dass gerade im linearen TV der Social-Media-Erfolg keinen wirklichen Wert hat. Außer kleinen Cameo-Rollen gibt es aktuell kaum nennenswerte Engagements.
Ein wenig besser sieht es bei Streaming-Diensten wie Netflix oder bei den VoD-Plattformen der privaten TV-Sender wie Joyn aus. Da spielt Caro Daur in einer Nebenrolle in einer Netflix-Produktion mit und Felix "Tomatolix" Michels produziert seine eigene Doku-Reihe auf Joyn.
Immer noch Ausnahmen von der Regel sind die Wissenschaftlerin Nguyen-Kim mit ihrer ZDF-Neo-Wissenschaftssendung "MaiThink X – Die Show" oder Phil Laude, der mit "Almania" den schwierigen Alltag an deutschen Schulen für die ARD Mediathek zeigt.
Die Programmverantwortlichen scheinen Angst zu haben, sich die Zuschauenden zu verprellen.
Oğuz Yilmaz, YilmazHummel
Sie waren als Mitglied der Comedy-Crew Y-Titty selbst ein Internet-Star und müssen es wissen: Warum schaffen es YouTube- oder Instagram-Stars so selten ins lineare Fernsehen?
Es gibt zwar insgesamt mehr Verständnis in der Gesellschaft für die Lebensrealität der Gen Z und Y, doch die Programmverantwortlichen scheinen Angst zu haben, sich die Zuschauenden zu verprellen. So, als sei lineares TV nur was für Menschen ab 60. Dabei zeigen die Zahlen, dass auch die Älteren YouTube und Instagram nutzen.
Unterdessen lässt das Fernsehen hier einen riesigen Talent-Pool ungenutzt, denn jeder Creator bringt eine Fülle an Fertigkeiten mit. Erstellen der Inhalte, Planen von Themen, Bespielen der Plattformen und Ansprache der Zielgruppen. Mit jeder Fähigkeit steigen auch die Möglichkeiten, diese Fachleute einzusetzen. Aber da prallen häufig zwei Welten aufeinander.
Wo kommt es am häufigsten zu Reibungen – bei Budgets, Rechten oder redaktioneller Verantwortung?
Das Budget ist nicht das größte Thema. Es sind eher die Sachzwänge des Linearen. Darunter fallen die zeitlichen Abläufe, die nicht zueinander passen. Auf Social Media müssen Inhalte schnell erstellt und verbreitet werden. Im TV gibt es lange Vorlaufzeiten, es wird häufig ein Jahr im voraus geplant. Das hat eine völlig andere Taktung zur Folge.
Was auch schwierig ist: Creator werden häufig nur als Darsteller:innen gesehen, dabei könnte man sie auch als Co-Produzent:innen oder Co-Distributor:innen verpflichten. Zudem gibt es immer wieder Missverständnisse darüber, was die Aufgabe von Creatorn ist. Wie zum Beispiel Assets zu drehen, um ein TV-Format zu bewerben. Das können die schon machen, aber das ist keine kostenlose Leistung.
Wenn sich das klassische TV doch darauf einließe – welche Vorteile würde die Zusammenarbeit für beide Seiten bringen?
Medienhäuser könnten neue Zielgruppen erschließen, da Creator häufig bereits ein Millionen-Publikum haben. Ein zusätzlicher Benefit wäre, dass sie in der Promo-Phase auf ihren Kanälen für die TV-Inhalte werben und dadurch mehr Buzz für ein Format aufbauen könnten.
Für die Youtuber:innen wäre es ein wichtiger Schritt in die Zukunft, um vom Content-Fließband wegzukommen. Staffelweise fürs Fernsehen drehen zu können, bedeutet auch mehr finanzielle Unabhängigkeit. Zudem bringt die Anbindung an eine gut ausgestattete Infrastruktur mit Redaktion, Produktion und Distributionsnetzwerk Vorteile. Und mit zunehmender Reichweite und Bekanntheit lassen sich auch größere Werbedeals generieren.
Ist es für Creator tatsächlich so erstrebenswert, einen Job im TV zu bekommen – riskieren sie dabei nicht auch ihre Spontanität oder die Nähe zur Commnity?
Authentizität ist das größte Pfund der Social-Media-Akteur:innen. Und die geht verloren, wenn sie sich komplett unterwerfen müssen und die eigenen Wünsche nicht mehr unterbringen können. Die Community checkt das sehr schnell und straft mangelnde Authentizität sofort ab. Falls dieser Verlust zu befürchten steht, sagen sie ein Engagement lieber ab.
Brücken ins traditionelle Bewegtbildangebot sind nach wie vor Mangelware.
Oğuz Yilmaz, YilmazHummel
Wohin geht der Trend – zu hybriden Formaten, die Social Media und TV dramaturgisch miteinander verschränken – oder werden beide Welten doch getrennt bleiben?
Eine hybride Lösung wäre wirklich wünschenswert, aber ich vermute, so weit sind wir noch nicht. Das würde von beiden Seiten große Zugeständnisse erfordern. Damit sich der Erfolg einstellen kann, ist es wichtig, von Anfang an eine Verlängerung von Social Media aufzubereiten, um die Fans zu animieren, die Plattform zu wechseln.
Zum einen müssten die Sender neben der Produktion des Stoffes auch Geld für den Social-Media-Content in die Hand nehmen. Zum anderen wäre es schlau, sich richtige Ableger beziehungsweise Line Extensions für Social Media zu überlegen.
Wenn Sie in die nächsten drei Jahre blicken: Welche Rolle wird die Creator Economy im deutschen TV- und Streaming-Markt spielen?
Bestimmt weniger als eigentlich möglich wäre. Erfolgreiche Creator sind seit über zehn Jahren im Markt, doch Brücken ins traditionelle Bewegtbildangebot sind bekanntermaßen nach wie vor Mangelware. Das System ist einfach zu langsam und es fehlt auch bei den Sendern die Bereitschaft, Reibungen auszuhalten.
Ich hoffe dennoch, dass erkannt wird, welches Skill-Set Creator mitbringen und dass die Creator Economy als Talentpool wahrgenommen wird.
Zur Person:
Oğuz Yılmaz ist Co-Gründer des Talent-Mangements YilmazHummel. Als Mitbegründer von Y-Titty hat er das deutsche YouTube-Trio aufgebaut, das über drei Millionen Abonnent:innen hatte. 2020 gründete er mit Felix Hummel das Unternehmen YilmazHummel und vertritt erfolgreiche sowie aufstrebende Creator.
Heute ist Oğuz Yılmaz, der von Forbes in die "30 Under 30 DACH-Liste" aufgenommen wurde, gefragter Experte, der den Wandel und das Wachstum der digitalen Medienlandschaft mitgestaltet.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 finden vom 22. bis 24. Oktober unter dem Motto WTFuture bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
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