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TV, VoD, Streaming: Fakten rund um Bewegtbild

Geschrieben von Petra Schwegler | 11. Mai 2023

Status quo vor der Prognose: Wenn am 16. Mai Expert:innen bei dem #MTM SPECIAL Future Video in München sprechen, geht es um die Zukunft des Bewegtbild-Kosmos'.
Doch wie ist die Ausgangslage? Wie schauen wir aktuell fern, wie nutzen wir Streams? Schwenken wir von Abo-finanzierten Angeboten hin zu werbegestützten VoD-Plattformen und -Channels? Welche Rolle spielt der TV-Bildschirm (noch) – und wie steht es um die anderen Devices, mit denen wir glotzen und streamen? 

 

Kontinuierlich hat die Langzeitstudie ARD/ZDF-Massenkommunikation die Trends der Mediennutzung im Blick. Die aktuellsten Daten darüber, wie wir Medien und im konkreten Fall Bewegtbild konsumieren, stammen aus dem Herbst 2022. Sie besagen: Fernsehen bleibt stabil, der Trend zur nicht-linearen Nutzung setzt sich fort und die meiste Zeit, die wir täglich mit Medien verbringen, geht an Bewegtbild (214 Minuten täglich, 8 Minuten weniger als während des Corona-Ausnahmejahres 2021).

Noch gehört das lineare Fernsehen für die Mehrheit der Bevölkerung zum Alltag: 65 Prozent werden pro Tag darüber erreicht. Die größte Bewegtbildnutzungsdauer haben aber nach wie vor Menschen jenseits der 50 Jahre: Sie verbringen knapp 250 Minuten täglich mit Bewegtbild, überwiegend mit linearem TV.

Neu ist: Die unter 30-Jährigen sind seit Herbst 2022 erstmals die Altersgruppe mit der höchsten Bewegtbildreichweite, sie verbringen immer mehr Zeit mit Videos und immer weniger mit Audios. Auch die Nutzungsdauer sei in dieser Gruppe gestiegen und nähere sich mit aktuell 194 Minuten immer mehr dem Bevölkerungsdurchschnitt (214 Minuten) an, heißt es in der Analyse.

Davon profitieren demnach nicht nur Streaming-Dienste und Social-Media-Plattformen, sondern auch die Fernsehsender: Pro Tag werden 38 Prozent der Menschen unter 30 Jahren mit TV-Inhalten über Mediatheken oder YouTube erreicht. Bei Future Video werden Vertreter:innen von Google TV, YouTube oder auch pub., Digitaltochter von BR und SWR, über Veränderungen und Perspektiven sprechen.

Insgesamt entfallen laut der ARD/ZDF-Analyse noch 64 Prozent der Video-Zeit auf lineares Fernsehen. Dabei gilt: Je jünger das Publikum, umso breiter das Nutzungsspektrum: Bei den unter 30-Jährigen entfällt auf lineares Fernsehen weniger als ein Viertel der Video-Zeit (22 Prozent), bei den 30- bis 49- Jährigen gerade einmal die Hälfte (51 Prozent).

Hier zeigt sich der Trend hin zum Digitalen besonders deutlich. Er dürfte sich verschärfen: Laut aktueller Astra-Zahlen geht die Zahl der TV-Haushalte deutlich zurück.

Daneben erforscht Hubert Burda Media mit „Screens in Motion“ seit sechs Jahren die Dynamiken der Deutschen beim Nutzen von Bewegtbild. Erneut erarbeitet das Programmzeitschriftenangebot TV Spielfilm Plus zusammen mit der GfK das Werk, dessen erste Ergebnisse aus der aktuellen Befragungswelle von der Studienverantwortlichen Marion Sperlich, Head of Research bei Burda, im Rahmen des #MTM SPECIALs Future Video präsentiert werden.

Zuletzt wurde – ähnlich wie bei der Studie ARD/ZDF Massenkommunikation – für TV weiter eine Spitzenposition bei zunehmender On-Demand-Nutzung attestiert. Daneben hatte Burda 2022 unter anderem festgehalten, dass die Nutzung weiterer Bildschirme parallel zum TV-Gerät in deutschen Wohnzimmern immer weiter um sich greift.

 

Wie es um die Zahlungsbereitschaft steht

Ebenso wie das Burda-Werk hat die Score Media Group, Vermarkter von regionalen Tageszeitungsmarken, die Zahlungsbereitschaft für die Inhalte untersucht. Laut „Screens in Motion“ nutzten im vergangenen Jahr 83 Prozent der Befragten mindestens ein On-Demand-Angebot (Streaming-Abo oder Pay-TV oder Mediathek). Daneben schauten rund 70 Prozent der Nutzenden von Netflix auch Prime Video und umgekehrt.

Die Paid-Content-Studie von Score geht noch weiter und gibt Einblicke in die Zahlungsbereitschaft für Medien-Abos: „Im statistischen Mittel hat jeder Video-on-Demand-Haushalt 2,5 Streaming-Abos.“ Zum Teil handele es sich um Abos, die außerhalb des eigenen Haushalts abgeschlossen wurden. Stichwort „Account Sharing“.

Unter anderem Marktführer Netflix hat nun allerdings angekündigt, zukünftig dagegen vorzugehen. Über alle Medien hinweg gilt laut der Score-Media-Analyse: „Haushalte mit einem oder mehreren Abos – das sind 84 Prozent – geben im Durchschnitt 41 Euro monatlich dafür aus, wobei Haushalte mit Zeitungs-Abos fast ein Viertel mehr ausgeben. Video-Streaming ist erwartungsgemäß am meisten verbreitet.“

 

Wie sich Streaming weiterentwickelt

Das Geschäft mit den Abrufinhalten befindet sich schon wieder im Wandel, wie der aktuelle Report „Fokus Streaming: Wie sich die Branche verändert” von XPLR: MEDIA in Bavaria dokumentiert. „Bei den Verwertungsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen stehen angesichts einer aufkommenden Subscription Fatigue besonders die Themen Bundling und Super Aggregation im Fokus“, heißt es in der Ankündigung. Auch illegales Streaming und Password Sharing als Bedrohung für die Geschäftsmodelle der Anbieter werden in dem Werk der Marke, die ebenso wie die Medientage München zu der Medien.Bayern GmbH zählt, beleuchtet. 

Deutlich wird in dem Report: Während die SVoD-Anbieter wie Netflix, Prime Video oder das ebenfalls rückläufige Disney+ erstmals auf (stagnierende oder schrumpfende Abozahlen) und eine gesunkene Nutzungsdauer blicken müssen, können Mediatheken ein gelungenes Jahr 2022 melden. Sie erreichen laut ARD/ZDF-Onlinestudie so viele Menschen wie noch nie.

So greifen mittlerweile 57 Prozent der Befragten mindestens einmal monatlich auf die Onlineangebote der Sender zu. Besonders hervor sticht dabei die Tendenz bei der jüngsten Zielgruppe. Über zwei Drittel der 14- bis 29-Jährigen schauen demnach monatlich Inhalte in Mediatheken.

Hier die Übersicht aus dem Report „Fokus Streaming: Wie sich die Branche verändert” (er steht über diesen Link zum kostenlosen Download bereit)

 

 

 

Werbung prägt nun die Streaming-Entwicklung

Zudem etablieren sich neben den SVoD-Angeboten Stichwort „Abomüdigkeit“ – zusätzlich günstigere oder sogar kostenlose Streaming-Offerten, die sich durch Werbung (zusätzlich) finanzieren.

Werbefinanzierte On-Demand-Angebote (AVoD) existieren bereits seit einigen Jahren in Deutschland. Beispiele sind Netzkino oder wedotv, die Filme und Serien mit Werbeunterbrechungen zeigen; hinzu kommen immer mehr AVoD-Beiboote der Platzhirsche wie Amazon FreeVee. Auf Websites und Apps auf Smart-TV-Geräten konkurrieren sie mit werbefinanzierten, linearen Streaming-Sendern – bekannt als Free ad-supported Streaming TV (FAST).

Führende FAST-Anbieter auf dem deutschen Markt sind Pluto TV, Samsung TV Plus und Rakuten TV. Auch der in München ansässige Sport-Streamingdienst DAZN hat sein Angebot um FAST Channels erweitert, die über waipu.tv verfügbar sind und verschiedene Inhalte auch ohne ein DAZN-Abo zugänglich machen. Was die Prognosen für FAST angeht: Die Marktforscher:innen von Omdia listen Deutschland unter den globalen Top-Ten-Regionen mit den größten Wachstumsperspektiven fürs werbefinanzierte Streaming-Umfeld. Den Blick über den Tellerrand werden die Briten ebenfalls kommende Woche bei der Tageskonferenz Future Video in München wagen.

Immer mehr Anbieter entscheiden sich für hybride Plattform-Modelle – im Rahmen des #MTM SPECIALs Future Video werden Speaker von Samsung, waipu.tv oder auch DAZN zu Perspektiven sprechen. 

 

Ist das goldene Netflix-Zeitalter schon wieder vorbei?

Magnus Gebauer, Streaming-Experte aus dem MedienNetzwerk Bayern, geht in einem Interview mit turi2 von einem neuen Nebeneinander der verschiedensten Geschäftsmodelle aus: „Ich glaube, dass wir in der nächsten Zeit viele verschiedene Ansätze von Aggregation und Zusammenlegung erleben werden. Da wird es viele Versuche geben, den Markt neu zu bedienen. Manche werden erfolgreich sein, andere werden auch genauso schnell wieder verschwinden“, so der Branchenkenner aus der Medien.Bayern GmbH.

Er verweist auf Evan Shapiro, Produzent und Professor aus den USA, der kürzlich auf der Inhaltemesse MIP TV in Cannes das neue Modell der „Collabor-Gaters“ beschrieben hat, einen Mischzustand aus Kollaboration mit Aggregatoren. Am Ende sollen alle Stränge zusammenspielen und linear oder On-Demand, über Pay-TV oder Free-TV Angebote geschaffen werden, „die möglichst viele Leute zufriedenstellen“, wie es Magnus Gebauer formuliert.

 

Content-Vorlieben je nach Ausspielungsweg

Zurück zu „Screens in Motion“. Die Burda-Studie befasst sich auch mit den Inhalten, die bei Fans gefragt sind. Sie unterscheiden sich nach Verbreitungsweg, Absender und nach Alter.

  • Klassisches TV bediente 2022 demnach mit Abstand „das breiteste Genre-Spektrum“; dort waren Nachrichten (71 Prozent) besonders gefragt, gefolgt von Filmen (61 Prozent).
  • Bei den Streaming-Anbietern Netflix und Co. konzentrierte sich das Interesse eindeutig auf Filme (79 Prozent) und Serien (75 Prozent); wie dieser Content aufgrund von Daten und Vorlieben kuratiert wird, soll bei Future Video thematisiert werden.
  • Einzig auf privaten Mediatheken sind Burda zufolge Serien mit 43 Prozent das beliebteste Genre.
  • Bei den öffentlich-rechtlichen Mediatheken punkten demnach Filme (50 Prozent) und Dokumentationen (42 Prozent).
  • Beim Pay-TV erreicht Sport (43 Prozent) Rang drei in der Beliebtheit.
  • In Social Media seien besonders Musikvideos (40 Prozent) und Tutorials (39 Prozent) gefragt, weiß das Werk.

 

Neue Herausforderungen für Programm & Werbung

Vor besonderen Herausforderungen stehen angesichts der hoch dynamischen Veränderungen des Nutzungsverhaltens Programmanbieter, Marktforschende und auch die Mediabranche. Content-Häuser wie Warner Bros. Discovery, die die ganze Klaviatur von TV über Pay-TV bis hin zum Stream bespielen, müssen stets abwägen, wo welche Inhalte wen ansprechen können.

Die aus dem klassischen Fernsehen bekannte Messung der Reichweiten – hierzulande in Händen der AGF Videoforschung – muss für die Vermarktung heute und morgen belegen, wo die User schauen. Werbekund:innen wie Mediaplaner:innen brauchen zudem adäquat zur bekannten TV-Planung neutrale und transparente Angaben darüber, welche Zielgruppen mit Werbung im Digitalen erreicht werden

Darüber hinaus müssen sich Kreative neuen Herausforderungen stellen: Der klassisch gemachte  30-Sekunden-Spot aus dem Fernsehen, eingebettet in eine minutenlange Werbeinsel, hat es schwer im Streaming-Umfeld. Diese werblichen Aspekte wird das  #MTM SPECIAL Future Video ebenso thematisieren wie Fragen nach den Plattformen der Zukunft oder der Regulierung.

 

Streaming, Connected TV, AVoD, FAST, OTT, Addressable TV, Social TV: Viele Facetten prägen den dynamischen Bewegtbild-Kosmos. Doch welche Trends, Business-Modelle, Content- und Media-Strategien setzen sich durch? Welche Technologien, Anwendungen und Player geben künftig den Ton an? Wie nutzen wir im Jahr 2030 den großen Bildschirm? 

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen MTM SPECIALS FUTURE VIDEO 2023. Die Konferenz findet am 16. Mai im Münchner House of Communication statt und widmet sich der Zukunft von Video. Ein Tag mit spannenden Branchenexpert:innen und interessanten Einblicken in die Maschinenräume der Bewegtbildkonzerne.

Mehr Informationen und der Ticketshop sind hier zu finden.

 

Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.