Die Medienlandschaft ist im Umbruch. Was gestern noch Zukunftsvision war, wird heute bereits Realität: Games sind nicht mehr nur Unterhaltung, sondern entwickeln sich zum "kulturellen Betriebssystem" unserer Gesellschaft. Das ist bei der Konferenz MEDIA meets GAMES des MedienNetzwerk Bayern deutlich geworden – mit eindrücklichen Impulsen von Expert:innen aus Medien und Spielebranche.
Gaming ist längst kein Nischen-Phänomen mehr, sondern eine der treibenden Kräfte des medialen Wandels. Zu den Fakten: Fast 50 Millionen deutsche Frauen und Männer, die im Schnitt 38 Jahre alt sind, spielen regelmäßig – und machen Gaming zu einem 6,6-Milliarden-Euro-Markt, der weit über Unterhaltung hinausgeht. Von der games.com bis zu Twitch-Streams, von Hollywood-Adaptionen bis zu KI-generierten Welten: Die Spieleindustrie etabliert sich als kulturelle Kraft und erfindet sich dabei kontinuierlich neu.
Die MedienNetzwerk-Bayern-Konferenz MEDIA meets GAMES hat verdeutlicht, dass Games Generationen verbindet, neue Formate schafft und die Zukunft der Medien sowie der digitalen Gesellschaft mitprägt. Petra Fröhlich, Chefredakteurin der GamesWirtschaft und Moderatorin des Events der Medien.Bayern-Initiative, hat die Teilnehmenden mit einer Sensation begrüßt: Der Freistaat Bayern will massiv in die Spieleförderung investieren und München zur neuen Games-Hauptstadt machen. https://www.gameswirtschaft.de/meinung/froehlich-am-freitag-2025-25-bayern-games-soeder-200625/ Aus guten Gründen: Zur Strategie von Münchner Medienhäusern wie ProSiebenSat.1 oder Ippen zählen Gaming-Ansätze.
Prof. Dr. Dr. Rudolf Thomas Inderst (Foto oben; Medien.Bayern GmbH, Alex von Spreti) von der Hochschule Neu-Ulm macht in seiner Keynote deutlich, wie tief Games bereits in unserer Kultur verwurzelt sind: "Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei Jung wie Alt, bei allen Geschlechtern, auf vielen Devices." Inderst fasst die gesellschaftliche Wirkung von Games zusammen:
Games haben sich dem Wissenschaftler zufolge zu "langlebigen Kulturgütern" entwickelt, die Menschen "immer wieder herauskramen" – ein Zeichen ihrer nachhaltigen kulturellen Bedeutung. Übrigens: Inderst spielt seit den 1990er-Jahren und greift täglich im Schnitt 30 Minuten zum Controller.
"Die Sprache zu verstehen und sich einzufügen: Das ist die größte Schwierigkeit heutzutage", betont Florian Pabst, COO von GameInfluencer. Medienunternehmen, die Gaming als Vehikel nutzen wollen, um neue Zielgruppen zu erreichen, stehen vor dieser Herausforderung. Content Creator werden dabei immer wichtiger – sie sind die Brücke zwischen traditionellen Medien und der Gaming-Community.
Pabsts Rat an Marken: Nicht mit viel Geld auf die Gaming-Zielgruppe zugehen, sondern Geduld und Verständnis für die Community mitbringen. Plattformen wie Roblox erfordern langfristige Strategien, keine Schnellschüsse.
Matthias Leitner vom Bayerischen Rundfunk zeigt, wie sich auch traditionelle Medien wandeln. Als "Digital Storyteller, Creative Producer & Innovationsmanager" macht er Dinge, die es im öffentlich-rechtlichen Bereich noch nicht gab. Vom Game Jam mit der Medien.Bayern-Initiative Games/Bavaria bis hin zu Minecraft-Experimenten – der BR erforscht "Plattform für Plattform", wo er künftig stattfinden kann.
Das Ziel ist dabei weniger Reichweite als vielmehr Community-Building. "Der Wert, den wir kriegen, ist Vertrauen", so Leitner. Jedes Projekt müsse dabei den strengen Datenschutz-Anforderungen entsprechen – eine zusätzliche Hürde, die kreative Lösungen erfordert. Der BR blickt auch zu den Kolleg:innen aus Baden-Württemberg: Der SWR hat gerade ein Whitepaper zum Megatrend Gaming veröffentlicht.
Oliver Simon, CEO der Münchner K5 Media Group, macht deutlich: "Die Erzählung ist der Nukleus und Zentrum der erfolgreichen Story. Aber Geschichten enden nicht mehr im Kino oder im TV." Seine Herausforderung: einer Zielgruppe gerecht werden, die "fluider, flüchtiger und schwerer erreichbar ist." Zusammen mit dem XR Hub Bavaria aus der Medien.Bayern GmbH hat K5 im Pausenprogramm von MEDIA meets GAMES Virtuelles live präsentiert.
Ein praktisches Beispiel liefert auch Elfi Kerscher von Hyperbowl aus Penzing. Mit Virtual Production entstehen dank Game Engines bewegte Bildkompositionen in Echtzeit. Post Production fällt größtenteils weg – und statt monatelanger Dreharbeiten an fernen Orten wird der "Produktionstag" gebucht. Virtual Location Scouting per VR-Brille macht alles möglich.
"Gaming ist nicht einfach nur ein weiterer Kanal wie TV, Print oder Radio, sondern ein kulturelles Betriebssystem", fasst Simone Jocham aus der Mediaplus Group zusammen. Diese Erkenntnis verändert nicht nur die Mediaplanung, sondern ganze Geschäftsmodelle. Die allgemeine wie werbliche Ansprache muss eine andere sein. Der Live-Faktor mache dem ein oder anderen Werbekunden Probleme, sagt die Group Head Innovation der Mediaagentur; nicht jeder habe den Mut, die Zügel aus der Hand zu geben.
Benjamin Marx von Ippen Digital, der seit drei Jahren auch ingame.de verantwortet, berichtet von neuen Umsätzen über die gesamte Markenfamilie hinweg. Und: "Ein Gaming Hub in der Firma verändert ein Stück weit die Denkweisen", bestätigt er. Projekte wie "Crush or Flush" als witziges Dating-Format in Dixie-Toiletten zeigen, wie frisch das ehemals reine Print-Haus mit Gamification umgeht.
Die Süddeutsche Zeitung überträgt die "Liebesbeziehung" zwischen Tageszeitung und Rätsel ins Digitale. Korbinian Vielmeier-Thiede berichtet von 13.000 täglichen Rätsel-Nutzer:innen bei SZ.de – ein wichtiger Baustein für die Abo-Strategie, wie der Director Brand & Design, Süddeutsche Zeitung Digitale Medien betont.
Das Spiele-Traditionshaus Ravensburger mit seinen 140 Jahren Geschichte geht noch weiter: "Wir müssen raus aus dem Spieleschrank!", fordert Thomas Zumbühl. Licensing in beide Richtungen – von Brettspielen zu TV-Shows und umgekehrt – erweitere die Markenreichweite erheblich. Der International Category Director Games beim Ravensburger Verlag hat bei MEDIA meets GAMES für mehr Medienkooperationen geworben.
Christian Mahnke von EarReality demonstriert, wie interaktive Hörspiele funktionieren können. User beeinflussen über die Plattform Twist den Verlauf der Geschichte – sogar der Herzschlag kann als Variable die Story verändern. "Von der Idee bis zur Distribution in wenigen Momenten. Das macht uns aus", so Mahnke.
Ulrike Küchler vom Berliner Gamebook Studio zeigt, wie Bücherstoffe mit KI-Unterstützung und Zutun der Community zu interaktiven "Storygames" weiterentwickelt werden. Ihr Praxisbeispiel: Ravensburgers Flüsterwald-Universum über die hauseigene PICplattform – ein Content-Management-System, das Autor:innen die kreative Kontrolle über ihre Game-Adaptionen gibt.
Paul Redetzky von Emergo Entertainment aus Bayreuth versteht sich als "Handwerker" und will den "Game-Zauber" in andere Medien transferieren. Seine Vision: "Es wird viel in interaktiven Räumen passieren und ich möchte daran teilhaben." Das Know-how für interaktive Formate liege in der Games-Branche.
Ein Blitz-Hackathon unter der Leitung von Robin Rottmann von Games/Bavaria zum Abschluss der MedienNetzwerk-Bayern-Veranstaltung hat die Wirkmacht des Spielerischen spürbar gemacht. Der Auftrag: 20 Minuten Zeit für Gamification-Ideen rund um "Spiele, die auf einer Schlagzeile basieren".
Game Jam und Konferenz stehen dafür, wie vielfältig das Verschmelzen von Games und traditionellen Medien bereits heute funktioniert. Es gibt viele Gründe, warum Medien jetzt das Gaming lernen sollten. Wer in der Medienwelt der Zukunft bestehen will, kommt daran nicht vorbei. Die Frage ist nicht mehr, ob Medienunternehmen auf Gaming setzen, sondern wie schnell und geschickt sie den Sprung in diese neue Welt schaffen.
Die Nachlese zu MEDIA meets GAMES ist im Liveblog zum Event zu finden:
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 finden vom 22. bis 24. Oktober unter dem Motto WTFuture bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN noch mehr Lesenswertes zu finden.
Zudem können zahlreiche Medienthemen passenderweise auch gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".