Podcasts zählen zu den Gewinnern der Corona-Krise. Eine aktuelle Studie besagt: Im Schnitt hört inzwischen jeder sechs verschiedene Podcasts, die überwiegend über das Smartphone abgespielt werden. Das Warum und die psychologische Wirkung des Audio-Genres hat die Burda-Marktforschung Media Market Insights und das Institut Rheingold Salon besonders interessiert. Hier die Ergebnisse der Studie.
"Mit Podcasts der Krise entschweben" untertitelt die Burda-Marktforschung Media Market Insights ihre Studie "Podcast – Gehörte Freiheit". Sie wurde zusammen mit dem Institut Rheingold Salon durchgeführt und jetzt vorgelegt. Im Schnitt hört demnach jeder sechs verschiedene Podcasts, die überwiegend über das Smartphone abgespielt werden.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. hatte in einem Leitfaden zum Genre zu Jahresbeginn noch davon berichtet, dass typische Podcast-Nutzer*innen mit Kopfhörer lauschen. Jetzt zeigen sich das Forscher-Team von Burda und Rheingold Salon überrascht: "Podcasts werden vor allem ohne Kopfhörer angehört – besonders zuhause, unterwegs werden Podcasts eher mit Kopfhörern abgespielt.“
Liegt das an der neuen Nutzungssituation seit dem Lockdown wegen Corona? Das Angebot ist in den letzten Wochen extrem gestiegen – und Podcasts wie das Corona-Update des Virologen Christian Drosten verzeichnen mehrere Millionen Downloads.
Laut der aktuellen Studie von Burda und Rheingold Salon spielen Podcasts während der typischen Umbrüche im Tagesverlauf eine Rolle. Dazu zählen der morgendliche Weg zur Arbeit, die abendliche Fahrt nach Hause oder die Zeit vor dem Einschlafen.
"Podcasts sind in diesen Situationen echte Stimmungsaufheller: Die Befragten fühlen sich nach dem Hören besser und empfinden die tägliche Routine als weniger belastend", heißt es. Unterbrechungen dieser "stimmungsaufhellenden Situation" seien bei den meisten Hörer*innen unerwünscht.
Am liebsten würden Podcasts "bis zu einer Stunde am Stück" gehört. Comedy und Lifestyle-Themen sind den Befragten am nächsten, gefolgt von Nachrichten und Kulturthemen.
Mit "morphologische Tiefeninterviews" tasteten sich die Forscher*innen zum psychologischen Kern der Podcast-Nutzung vor – zum gedanklichen "Schwebezustand": Podcasts könnten Umgebungsgeräusche aktiv ausblenden und ermöglichen, das Hier und Jetzt gedanklich zu verlassen, heißt es in der Studie. Ein Loslassen beim Podcast-Hören, das die Befragten unter anderem in beklemmenden Situationen als "Freiheitsgefühl" empfinden würden.
Herausgearbeitet wurden dabei verschiedene "Podcast-Verfassungen"; einige werden genauer definiert:
Das Fazit: "Gerade in der Corona-Krise können Podcasts aus psychologischer Sicht unsere Gedanken auf eine Reise schicken, die uns glücklicher macht. Wir fühlen uns weniger festgelegt und eingeengt."
Jörg Thiele, Director Product Research bei Media Market Insights, fasst zusammen: "Bis dato gab es keine Studie, die die psychologische Wirkung von Podcasts so umfassend und detailreich analysiert hat wie wir. Unsere Erkenntnisse ermöglichen es, dass Medienmarken ihre Podcast-Inhalte entsprechend aufbereiten und so neue Zielgruppen erschließen können."
Für jede Verfassung hat das Forschungsteam konkrete Hörvorschläge:
Quelle: Media Market Insights, Rheingold Salon, „Podcast – Gehörte Freiheit“
Es gibt immer mehr Audioshows mit Unternehmens-Absender. Neben unterhaltsamen Podcasts seien auch Audio-Formate von medialen und prominenten Absendern gefragt, heißt es. Unter bestimmten Bedingungen, die Ines Imdahl, Geschäftsführerin des Rheingold Salon, ausführt: "Besonders Medien- und Verlagshäuser können sich als Absender eines Podcasts auf dem Markt etablieren, da sie Storytelling beherrschen und als glaubwürdig gelten. Dadurch fühlen sich Zuhörer geborgen und finden eher in den Schwebezustand." Andere Unternehmen hätten nur dann eine Chance, wenn der Podcast ihre Kernkompetenz widerspiegele und nicht der Eindruck geweckt würde, sie wollten lediglich Dienstleistungen verkaufen.
Imdahl empfiehlt: "Für die Podcast-Entwicklung sollte aber immer berücksichtigt werden, dass der Hörer sich durch das Audio-Medium in einen gedanklichen Schwebezustand begeben kann."
Klar ist: Die Zahl der Nutzer*innen von Audio-Inhalten auf Abruf nimmt über alle Altersgruppen hinweg weiter zu, wie diese Übersicht des BVDW zeigt:
Quelle: BVDW
Zunächst hat die Burda-Marktforschung Media Market Insights zusammen mit dem Institut Rheingold Salon mittels Social Listening verschiedene Podcast-Kategorien auf ihre Beliebtheit sowie auf die Kommentare der User*innen hin ausgewertet.
In einem zweiten Schritt wurden über 360 Online-Tagebuch-Einträge drei Wochen lang analysiert. In darauf aufbauenden 23 tiefenpsychologischen Befragungen wurde entschlüsselt, welche Emotionen die Nutzer*innen beim Hören von Podcasts empfinden.
Übrigens hat der BVDW für seinen Leitfaden nach den Beschäftigungen während des Podcast-Hörens gefragt. Eine große Anzahl der Nutzer*innen tut schlicht nichts und richtet die volle Aufmerksamkeit auf den selbstgewählten Content. Bei der Themen- und Angebotsvielfalt sieht der Verband noch lange nicht alle Felder und Formate abgedeckt.
Und: "Ein weiterer Aspekt für den Erfolg von Podcasts ist die steigende Qualität bei der Produktion von Content, technisch wie redaktionell, wie auch die Publishing Strategien und Ansprache der Nutzerschaft durch den Publisher."
Audio-Trends- und -Entwicklungen werden auch beim LOKALRUNDFUNKTAGE Online Special am 7. Juli 2020 thematisiert.
Sie interessieren sich für weitere Themen rund um Podcasts und Radio? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.