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Warum Publisher konvergente Reichweiten brauchen

Geschrieben von Petra Schwegler | 31. Januar 2023

Mit dem Wandel in der Mediennutzung gilt es, die Instrumente der Reichweitenmessung kontinuierlich anzupassen. Die Gattung Radio war mit der MA Audio Vorreiter. Bei TV und Bewegtbild ist für dieses Frühjahr der Marktstart des 2021 gestarteten Projekts X-Reach für die crossmediale Zukunft geplant. Die agma liefert seit Herbst 2022 Print-Digital-Reichweitendaten für Tageszeitungen. Die jetzt vorgelegten Daten für Zeitschriften und Wochenzeitungen aus harter Auflage (IVW) und User-Nutzung (MA) sorgen indes für Fragenzeichen.

 

Sollten Publisher bei der Media Analyse zu ihrem eigenen Vorteil auf eine konvergente Währung aus Print und Online drängen, wie es auch der Werbemarkt für eine bessere Vergleichbarkeit der Gattungen fordert? Die bisherige Ausweisung deckt zumindest für Zeitschriften und Wochenblätter die Markenwelt nur in Teilen ab.

Die Diskrepanz zwischen verkauften Exemplaren und tatsächlich gelesenen Printtiteln ist deutlich. Die aktuellen Ergebnisse der MA 2023 Pressemedien I hat Fachmedien erneut zu schrägen Rechenbeispielen getrieben. Meedia-Zahlenkenner Jens Schröder hinterfragt vor allem die Ergebnisse der Springer-Presse:

"Die Sport Bild ist damit ein noch größeres Extrembeispiel für die Diskussionswürdigkeit der Print-MA-Zahlen als die Bild am Sonntag. Die angeblichen 3,20 Millionen Leserinnen und Leser pro Ausgabe werden mit inzwischen nur noch rund 160.000 verkauften Exemplaren erreicht. Sprich: Eine Sport Bild teilen sich 20 Menschen. Auch wenn sich unter den 160.000 auch 29.000 Lesezirkel befinden, müssen in Wartezimmern und Friseursalons schon SEHR viele Leute Sport Bild lesen, um auf einen Durchschnitt von 20 Leserinnen und Lesern pro Heft zu kommen."

 

Tageszeitungen machen es in der MA vor

Nun brauchen Publisher reichlich Mediadaten, um mit ihren Angeboten in die Vermarktung zu gehen. Doch liefern die besagten Rechenbeispiele noch die Antworten, die der Werbemarkt braucht und fordert? Sollten diese Antworten nicht vielmehr das „neue“ Leser:innenverhalten spiegeln? 

Erste Tageszeitungs-Verlage haben umgeschwenkt und im vergangenen Herbst damit begonnen, kombinierte Markenreichweiten für ihre Print- und Digitalangebote auf Währungsebene unter dem agma-Dach vorzulegen. Björn Kaspring, Vorstand Internet der agma und Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (AGOF), bringt ein starkes Argument vor: "Die einst trennscharfen Grenzen zwischen Print und Online verwischen zunehmend.“

Und die Rechnung geht auf: Gerade das Springer-Angebot um Bild profitiert von der Tageszeitung-Konvergenzdatei, die der Kooperation von agma und AGOF zu verdanken ist. Nach absoluten Zahlen hat sich bei der Premiere im Oktober das Boulevardblatt erst recht als Medienmarke für Print- und Online-Kanäle an die Spitze gesetzt. Zu 7,352 Millionen Leser:innen pro Ausgabe sind 5,665 Millionen Unique User in der gemeinsamen Konvergenzreichweite addiert worden; macht 12,122 Millionen. Die Schwestermarke Welt indes ist im Netz deutlich stärker als auf Papier.

Des Weiteren wird durch die Konvergenz-Währung deutlich, wie stark regionale und lokale Printmarken im Markt verankert sind; die Lokalblätter rangieren in den konvergenten Reichweitenlisten teils unter den Top Ten und im Vergleich der jeweiligen Verbreitungsgebiete haben manche Marken wie die Frankenpost die Nase beim Publikum weit vorne. Die Zahlen basierten auf den daily digital facts und den passenden Daten der MA 2022 Tageszeitungen aus dem Sommer.

 

Grenzen zwischen Gedrucktem und Digitalem verwischen

Die Publisher scheinen überzeugt von der Konvergenz: Nach der ersten publizierten Version mit konvergenten Leser- und Userzahlen zu 130 Zeitungstiteln und ihren regionalen Belegungseinheiten weist die agma ab dem 1. Quartal dieses Jahres zusätzlich die Marken der Ippen-Media-Familie aus. Die Performance der Marken TZ, Merkur oder auch Frankfurter Rundschau wird damit für Print und Online künftig aus einer Hand ausgewiesen. Damit hätten sich neben den Bestands-Titeln der daily digital facts auch bereits über 100 neue digitale Angebote für die Studienteilnahme bei der agma entschieden; Gespräche mit weiteren Interessenten würden derzeit stattfinden, hat die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse Mitte Januar verkündet.

Ein Blick in die harten Auflagenzahlen der IVW für das abgelaufene Jahr bestätigt, dass die Grenzen zwischen Gedrucktem und Digitalem immer mehr verwischen. Im Schlussspurt des vergangenen Jahres haben vor allem Printtitel mit erfolgreichen Online-Modellen, mit E-Paper-Angeboten und -Sonderpublikationen ihre IVW-Auflagen sogar steigern können. Dazu zählen auch Magazine wie der Spiegel.

Andere Zeitungen und Zeitschriften konnten über ihr E-Paper-Angebot immerhin die Print-Auflagenverluste abmildern. „Bei Titeln ohne nennenswerte digitale Verkäufe dominieren dagegen die roten Zahlen“, fasst Horizont die Entwicklung zusammen.

 

Die Konvergenz schreitet voran

Vor einem Jahr hat die Studie "Trends der Zeitungsbranche 2022“ des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) prognostiziert, dass es über Print und Online hinaus noch viel mehr Kanäle geben wird, die Publisher bespielen werden. Die Zukunft der Häuser beruht demnach unter anderem auf der Personalisierung der Angebote auf Basis von Daten und auf der Wahl des richtigen Kanals – je nach Zielgruppe, legte das Werk nahe, das in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung SCHICKLER entstanden ist. Wörtlich hieß es dort:

„In wenigen Jahren wird Digital der Kerntreiber der Umsätze und Ergebnisse sein. Dabei ist die Personalisierung des digitalen Angebots die nächste Stufe; hier gehen Verlage ganz neue Wege. (…) Die Altersstruktur bestimmt den passenden Ausgabekanal. Was die ältere Zielgruppe bevorzugt als gedruckte Nachricht konsumiert, bekommen junge Menschen am liebsten als Podcast auf die Ohren.

Hören wird vor allem bei jungen Zielgruppen das neue Lesen. Auch das sollten Publisher künftig bei kombinierten Markenreichweiten mitberücksichtigen. Es gilt, bei der starken digitalen Konkurrenz dem Werbemarkt sukzessive darzulegen, wie breit gefächert eine „Printmarke“ in Zukunft auftreten kann.

Print ist bereits heute viel mehr als „nur Print“.

Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.

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