Etabliert, beliebt, für die Orientierung der Menschen unerlässlich, innovativ – doch nach Corona wirtschaftlich geschwächt und auf mehr Zusammenarbeit angewiesen: So könnten die Aussagen zum Status Quo des lokalen Rundfunks im Rahmen des 29. Lokalrundfunktags zusammengefasst werden. Das erstmals hybrid organisierte Event, das aus Nürnberg gestreamt worden ist, hat mit der Reichweitenanalyse FAB 2021 Radio, der Präsentation zahlreicher Best Cases und der Verleihung der BLM-Hörfunk- und Lokalfernsehpreise positive Akzente gesetzt. Auch Nachdenkliches hat die Tagesordnung geprägt. Eine Übersicht.
Die Thesen der Keynote von rheingold-Geschäftsführer Stephan Grünewald hat der #LRFT21 in Nürnberg gleich bestätigt. Der Wissenschaftler hat hervorgehoben, wie sehr Menschen gerade nach der Corona-Krise mit ihren Verunsicherungen und der Verschiebung von Wertevorstellungen Orientierung brauchen. Die Aufgabe, die Grünewald lokalen Medien mitgeben möchte, ist, Menschen aus dieser "Ohnmacht" herauszuführen, ihnen das Gefühl zu geben, gesehen zu werden, im nahen und gut bekannten Umfeld ein Sicherheitsgefühl zu finden.
Dass bayerische Hörer:innen ihren Rundfunk vor Ort schätzen und nutzen, belegen die Zahlen aus der Funkanalyse Bayern 2021 Radio, die von Kantar in Nürnberg präsentiert worden sind.
Die wichtigsten Ergebnisse der FAB 2021 Radio lauten:
Dass die Macher:innen mit neuen und vor allem digitalen Tools und Angeboten auf die Bedürfnisse des Publikums eingehen, haben zahlreiche Best Cases belegt, die in Nürnberg präsentiert worden sind. Um nur einige Beispiele zu nennen:
Stichwort digitale Community: Wie sie Hörer:innen und Zuschauer:innen auf sozialen Kanälen hinter ihren Sendern versammeln, haben Niki Fuchs, Head of Marketing & Digital bei radio 88.6, Kathleen Berger, Chefredakteurin bei Radio RST und Torsten Cuck, Head of Digital Content bei TV Oberfranken, präsentiert.
Wichtige Learnings lauten:
Für Nostalgie im Alten Rathaus hat die Präsentation des BLM-Forschungsprojekts zur Vielfalt im weiß-blauen Medienmarkt gesorgt. Der Sammelband mit den Ergebnissen unter dem Titel „Vielfalt vor Ort“ ist zeitgleich zum Lokalrundfunktag 2021 erschienen. Einer der Zeitzeugen, die Vera Katzenberger und Prof. Dr. Markus Behmer von der Uni Bamberg für das Forschungsprojekt „Entwicklung des privaten Rundfunks in Bayern“ berücksichtigt haben, ist Erwin Huber.
Der CSU-Staatsminister a.D. spricht in Nürnberg von einem „echten Paradigmenwechsel“, als Bayern in den 1980er-Jahren in den privaten Rundfunk eingestiegen ist. Die Einführung habe auch in seiner Partei zu „massiven Verwerfungen“ geführt. Befriedet hat die bayerischen Entscheider damals der Gedanke an eine Innovation: Lokalfunk gab es bis dato noch nicht! Und heute sei Bayern der Medienstandort Nummer 1, blickt der damalige Medienminister Huber zufrieden zurück.
Heute lobt einer seiner Nachfolger, Staatsminister Dr. Florian Herrmann, bei seinen Worten zur Eröffnung der Veranstaltung, den Wert des Lokalfunks: „Die Menschen in Bayern schätzen den Qualitätsjournalismus dahoam. Kein Online-Gigant ersetzt ihre journalistische Arbeit vor Ort. Der lokale Rundfunk hat einen unverzichtbaren Beitrag in der Pandemie geleistet."
Eine digitale Masterclass zum Auftakt des Lokalrundfunktags und eine hochkarätig besetzte Talkrunde zum Abschluss des Konferenzteils haben die Anbieter indes an ihre Hausaufgaben erinnert und einen Appell an Gesellschafter und Medienpolitik geschickt.
Markus Adomeit, Geschäftsführer von StreaMonkey, sieht die Gattung Radio als ein Medium mit "handgemachtem Charakter" gut gerüstet, rät aber dazu, als Macher:in am Ball zu bleiben. Sonst würden andere den Audioboom für sich vereinnahmen. Radio bleibt auch aus Sicht von Gesprächsparter Falk Zimmermann, Geschäftsführer von Broadcast Future, ein Medium der Zukunft. Auf Basis anderer Techniken, aber immer noch aus dem Studio. Im Rahmen ihrer Masterclass haben sie den Rat gegeben: Radio muss gut vorbereitet sein, Programmprozesse müssen angepasst, in Technologien sollte investiert werden.
Um dies leisten zu können, sieht Georg Dingler, Gründungsgeschäftsführer von Gong 96.3 in München und heute freier Berater, gerade mit Blick der Corona-bedingten Finanzdelle auch die Gesellschafter hinter den Sendern in der Pflicht: „Wir müssen etwas tun, um unseren Lokalfunk zu retten. Das kommt nicht von selbst, wir müssen darum kämpfen.“ Das System müsse gestützt werden, fordert er in der Abschlussrunde. Willi Schreiner vom Verband Bayerischer Lokalrundfunk (VBL) appelliert an die Anbieter, selbst mehr zu tun, um bei Programmangebot und Vermarktung mit großen Sendern oder gar Digitalkonzern weiter konkurrieren zu können: „Die lokalen Anbieter müssen sich noch viel mehr vernetzen.“
Einen interessanten Aspekt hat Elke Schneiderbanger im Gepäck. Sie ist heute Geschäftsführerin der AS&S, Vermarktungstochter der ARD: Ihre Wurzeln hat die Managerin aber im bayerischen Lokalradio, das aus ihrer Sicht zu Beginn in den 1980er-Jahren "viele Chancen für Frauen" geboten hat. Viele Moderatorinnen, programmverantwortliche Frauen seien damals am Werk gewesen.
Aus diesem Selbstverständnis heraus hat Schneiderbanger ihre Karriere beschritten - über Führungsposten bei Antenne Bayern über Radio NRW bis hin zur ARD-Werbung. Ähnlich wie bei Valerie Weber, die heute WDR-Hörfunkdirektorin ist. Außerdem betont Elke Schneiderbanger, dass das Lokale wichtig bleibe und vielleicht „noch wichtiger“ werde - mit Blick auf die Stadtflucht vieler Menschen, die nun auf dem Land umfassend informiert werden müssten.
Verabschiedet vom Lokalrundfunktag hat sich unterdessen BLM-Präsident Siegfried Schneider, der sich über seinen letzten LRFT-Auftritt in "kleiner Runde" in physischer Form nach all den digitalen Events freut. Das Motto des Tags, "Innovationen für die digitale Zukunft im Lokalen", nimmt er sehr ernst. Gemeinsam sei es der Branche gelungen, die digitale Transformation voranzutreiben - ohne das Lokale, "unsere Wurzeln", aus den Augen zu verlieren.
Schneider, der auf zehn Jahre an der Spitze der Münchner Medienanstalt zurückblickt und im Herbst das Amt an seinen Nachfolger Dr. Thorsten Schmiege übergibt, bedankt sich bei den Anbietern: "Vergelt's Gott!"
Die Ergebnisse der FAB 2021 Radio sind hier im Detail einsehbar. Gewinner der BLM-Hörfunk- und Lokalfernsehpreise und ihre Beiträge können auf dieser BLM-Seite eingesehen werden.
Der gestreamte Lokalrundfunktag kann in Gänze abgerufen werden. Hier geht es zum Video! Kernaussagen der Mitwirkenden und Impressionen sind im Liveblog nachzulesen.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN finden dieses Jahr vom 25. bis 29. Oktober statt. Sie stehen unter dem Motto New Perspectives. Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven sowie Geschäftsmodelle der Medienanbieter auf. Dazu zählt auch der Audiomarkt.
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