Medientage München - Blog

Weniger Chefsessel für Journalistinnen

Geschrieben von Petra Schwegler | 23. Januar 2025

Ein „alarmierendes Signal“ senden Redaktionen deutscher Leitmedien aus: Immer weniger Frauen entscheiden über Ausrichtung und Berichterstattung. Deutliche Rückgänge an weiblichen Führungskräften in einigen Häusern werden durch wenig Zuwachs an anderen Stellen nicht mehr kompensiert. Der Verein ProQuote sorgt sich um den Frauenmachtanteil im deutschen Journalismus. Der Überblick.

 

Schlechte Nachrichten für die „Geschlechtergerechtigkeit in Deutschlands Print- und Online-Leitmedien“ kommen von ProQuote: Der seit einigen Jahren vom Hamburger Verein dokumentierte durchschnittliche „Frauenmachtanteil“ in den Chefsesseln namhafter deutscher Redaktionen ist weiter rückläufig. „Nur noch 38 Prozent“ Frauen sind demnach in journalistischen Führungspositionen zu finden; binnen eines halben Jahres seit Juli 2024 macht das ein Minus von 0,7 Prozentpunkten. Und: Ein bisschen Plus kann das größere Minus nicht mehr kompensieren.

Das erneute Absinken des Frauenmachtanteils sei „ein alarmierendes Signal“, betont ProQuote-Vorständin Edith Heitkämper. Vielfalt in Führungsspitzen sei nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch der Qualität und Zukunftsfähigkeit unserer Medien, warnt sie in einer Mitteilung des Vereins. Heitkämper: „Verlage müssen sich ihrer Verantwortung stellen, die Medienlandschaft gleichberechtigter und diverser zu gestalten.“

Hier die aktuelle Rangfolge im Frauenmachtanteil der untersuchten Medien:

Quelle: ProQuote e.V.

 

Nur leichte Verschiebungen gibt es laut ProQuote ins Positive: Gleichgeblieben sind demnach die Führungswerte bei der Süddeutschen Zeitung und im Team der ZEIT. „Verbessern konnte sich Der Spiegel auf 43,3 Prozent und die BILD auf 38,1 Prozent“, heißt es in der Auswertung. An der Spitze mit dem höchsten Frauenmachtanteil rangiert weiterhin die taz mit 64,5 Prozent.

Dagegen die Sorgenkinder aus Sicht von ProQuote: Bei der Geschlechtergerechtigkeit liegt beim Burda-Blatt Focus mit 22,7 Prozent Frauenmachtanteil einiges im Argen; ein Wert, der bereits im vergangenen Sommer in den Listen von ProQuote stand. Doch durch etwas mehr weibliche Führungsrollen bei der FAZ haben die Frankfurter den Focus auf den letzten Platz im Ranking zurückgedrängt. Der Stern aus der RTL-Familie verzeichnet mit fünf Prozentpunkten den größten Machtverlust und rutscht vom 3. auf den 5. Platz ab, dicht gefolgt von Springers Welt mit minus 3,1 Prozentpunkten (Platz sieben).

 

Vielfalt in Redaktionen für Qualität und Glaubwürdigkeit

Seit 2012 zählt und vergleicht der gemeinnützige Verein ProQuote Medien die Frauenanteile in journalistischen Führungspositionen. Zu den untersuchten Leitmedien zählen BILD, Spiegel, Focus, Stern, ZEIT, SZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Welt, seit 2021 auch die Berliner tageszeitung. Gezählt wird auf Grundlage der Impressen, wobei nach Hierarchie-Ebenen gewichtet wird: Je höher die Position, desto größer die Machtfülle.

Edith Heitkämper zieht nach gut zwölf Jahren Beobachtung eine nüchterne Bilanz: „Wenn die Zahlen zurückgehen, weil wir den Blick auf Frauen in Führung in deutschen Medien nicht mehr für so wichtig erachten, wird uns das auf die Füße fallen.“ Die Relevanz dieses Themas zeige sich in diesen Tagen besonders deutlich beim Blick auf die internationalen politischen Entwicklungen blicken. Sie fordert: „Für eine Berichterstattung in Zeiten von Fake News brauchen wir Qualität und Glaubwürdigkeit – und die gibt es, wenn Führungsetagen der Medienhäuser auf größere Vielfalt setzen.“

Das Ziel von ProQuote lautet, die Hälfte der journalistischen Spitzenpositionen weiblich zu besetzen. Diese Hürde überspringt von den beobachteten neun Leitmedien derzeit nur die taz. 

 

Tipps für mehr Journalistinnen in Chefsesseln

Im Jahr 2021 wurde das Team von ProQuote vor allem von der verkrusteten Situation in der Lokalpresse aufgeschreckt. Damals entwickelte der Verein auf Grundlage der gesammelten Erkenntnisse sieben Verbesserungsvorschlägen für weiblichere Redaktionsspitzen. Diese Empfehlungen dürften nach wie vor Gültigkeit haben:

  • moderne Strukturen mit einer lebendigen Feedbackkultur
  • Frauenförderung mit Mentorenprogrammen
  • neue Formen der Redaktionskultur mit flachen Hierarchien
  • Anlaufstellen für Betroffene von Sexismus
  • flexibles Arbeiten
  • Herausbilden neuer Arbeitsmodelle
  • bessere Kinderbetreuung

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