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Werbemarkt nach Corona: Wo die Reise hingeht

Geschrieben von Petra Schwegler | 30. Juli 2020

Sommerzeit ist Prognosezeit: International tätige Mediaagenturen wie Zenith und auch das Interactive Advertising Bureau IAB blicken bei der Entwicklung der weltweiten Werbespendings in die Zukunft, zuweilen auch in die Glaskugel. Was sie nach dem massiven Corona-Einbruch prognostizieren, ist teils durchaus positiv.

Wirtschaft und Werbemarkt haben mit Ausbruch der Corona-Pandemie zum zweiten Quartal des Jahres eine Vollbremsung hingelegt. Dass die globale Marktanalyse der IPG-Tochter Magna, mit der sie Mitte Juni die Reihe von Vorhersagen fürs Reklamegeschäft eröffnete, in weiten Teilen und für viele Mediengattungen Schwund vorhersagte, wundert daher nicht. In dem Werk hieß es, dass die globalen Investitionen in Werbung im laufenden Jahr um über 42 Milliarden US-Dollar sinken werden. In Deutschland sollen demnach 2020 die Netto-Werbeinvestitionen 2020 um 10,5 Prozent und damit um 20,6 Milliarden Euro zurückgehen.

Weiter prognostizierte das Magna-Team einen geradezu historischen Einbruch der Werbeumsätze von traditionellen Medien in Deutschland; Außenwerbung und Print etwa könnten rund ein Fünftel der Nettospendings einbüßen. Sogar eine kleine Delle bei digitalen Medien (minus 2 Prozent) findet sich in der Prognose für 2020, verursacht von der aktuellen Krise.

Optimistisch dagegen Magnas Blick auf den deutschen Werbemarkt im kommenden Jahr: Den Forschern zufolge könnte sich die Branche mit einem Zuwachs der Werbespendings um 7,8 Prozent wieder kräftig erholen. Voraussetzung dafür ist, dass Deutschland und die Welt das Coronavirus in den Griff bekommen und werbeintensive Großveranstaltungen wie die Fußball-EM oder die Olympischen Spiele in Tokyo 2021 nachgeholt werden können.

 
Digital-Anteil des Werbemarkts wird spürbar größer

Mit dem Juli werden die Prognosen teils positiver. Der jährliche Advertising Expenditure Forecast der Mediaagentur Zenith geht davon aus, dass der weltweiten Werbewirtschaft in diesem Jahr mit Corona 9,1 Prozent der Erlöse verloren gehen. Für die einzelnen Mediengattungen im deutschen Markt sehen die Zenith-Forscher für dieses Jahr aber ähnlich Schwarz.

Die Marktkenner von Zenith heben einen Aspekt allerdings besonders hervor: Laut des Advertising Expenditure Forecasts wird der Digital-Anteil der globalen Werbeausgaben voraussichtlich bereits in diesem Jahr bei 51 Prozent liegen. Bislang war man davon ausgegangen, dass dieser Anteil erst 2021 die Mehrheit erreichen würde.

Zenith ist hier weiter sehr positiv gestimmt: Bis 2022 soll der Digital-Anteil des weltweiten Werbemarkts auf 55 Prozent ansteigen – ähnlich rechnet das IAB Europe. Auch mit Blick auf den Boom im E-Commerce und den wachsenden Umsätzes im Werbeumfeld Online-Handel mit Digital Retail Media.

 

Digitale und schnelle Medien profitieren

Über verschiedene Analysen zur Lage des Werbemarkts hinweg zeigt sich: Medien, die vor Corona schon schnell und digital aufgestellt waren, profitieren. Und so gibt es großartige Prognosen fürs Genre Online-Audio vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und dessen Fokusgruppe Audio.

Allein in Deutschland sind demnach die Umsätze mit Werbung in dem Bereich auf rund 63 Millionen Euro gestiegen - 2017 lag der Umsatz noch bei 35 Millionen Euro (2018: 49 Millionen Euro). Dem BVDW zufolge sollen die Umsätze im laufenden Jahr bereits die 70-Millionen-Euro-Marke knacken, was einer Verdopplung binnen drei Jahren entsprechen würde.

Allein für den US-Podcast-Markt werden aktuell Milliarden-Chancen vorhergesagt. 

 

Und wie geht es Print?

Sowohl Magna als auch Zenith gehen bei Werbeerlösen für Zeitungen und Zeitschriften von einem Minus in Höhe von rund 20 Prozent in diesem Jahr aus. Die Reißleine zieht nun beispielsweise Hearst: Der Verlag stellt zum Jahresende den gedruckten Klassiker "O, The Oprah Magazine" von und mit US-Medienikone Oprah Winfrey ein. Ab 2021 soll die Marke nach 20 Jahren "digitalzentriert" werden, wie der Verlag mitteilt. Weitere Printausgaben seien als vierteljährliche Spezialausgaben denkbar.

Zu beobachten ist, dass sich Printmarken stärker gegen die zunehmend hinterfragte Werbekonkurrenz aus dem Netz positionieren, als eine Art qualitativer Gegenpol. Die New York Times etwa setzt auf das sichere Umfeld für Leser*innen und verzichtet künftig auf Programmatic Advertising auf ihren Websites.

Dabei ist das New Yorker Blatt ohnehin schon feinfühlig, wenn es darum geht, zur Vermarktung sensible Nutzer-Informationen an Dritt-Firmen weiterzugeben. Daher lässt das renommierte Medienhaus bereits weltweit in eigenen Apps kein "Open Market Programmatic Advertising" zu. Argument: Verlage hätten hier nur wenig Kontrolle über die Verarbeitung persönlicher Nutzerdaten. Der Alternativplan sieht nun ein neues Werbe-Ökosystem vor, das nicht auf der Überwachung des "gesamten vernetzten Lebens" der Leser*innen basiert, wie die Marke im hauseigenen Blog verlauten lässt.

Die heutige Lage einstiger Dickschiffe im Printbereich macht die eigentlich positive Meldung zum geplanten Anzeigen-Joint-Venture von FAZ und SZ deutlich. Das Bundeskartellamt hat das Vorhaben diese Woche abgenickt – unter anderem mit der Begründung, dass die beiden Marken auch in Zukunft "keine überragende Marktstellung erlangen werden und es bei den Rubrikenanzeigen – wie Stellen- und Immobilienanzeigen – starken Wettbewerbsdruck durch entsprechende Onlineangebote gibt". Noch prüfen die Kartellwächter aber weiter und beziehen auch „Wochen- und Sonntagszeitungen sowie Nachrichtenmagazine“ ein. 

Debatten über die Entwicklung der Werbemärkte wollen die Medientage München Ende Oktober vertiefen - im virtuellen Raum.

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