Die Transformation für Verlagshäuser beschleunigt sich weiter. Zu wirtschaftlichem Druck gesellen sich Fachkräftemangel, nicht mehr greifbare Zielgruppen und vor allem der Game Changer KI. Die aktualisierte Studie "Trends der Zeitungsbranche 2024" des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Unternehmensberatung Highberg (ehemals Schickler) skizziert anhand von drei Trends, welche Umsatzquellen Publisher in den kommenden Jahren erschließen sollten.
Es geht um viel. Zeitungen müssen schnellstmöglich im Digitalen an Erlösen kompensieren, was Leser:innenschwund und Anzeigenrückgang im Analogen an Umsatz vermissen lassen. Und das seit Jahren.
Aktuell zeigen sich Verlage mit Blick auf den erneut wichtigsten Hoffnungsträger Digitalgeschäft für ihre kurzfristige Geschäftsentwicklung mehrheitlich „eher optimistisch“: „Die Unternehmen erwarten eine Verdreifachung des digitalen Umsatzanteils binnen fünf Jahren. Die Priorität im laufenden Jahr 2024 liegt beim Wachstum durch Paid Content und der Digitalisierung bestehender Print-Abonnements; dabei wird bis 2030 eine deutliche Veränderung in der anteiligen Zusammensetzung der Abonnements über Print, E-Paper und Plus deutlich“, heißt es in der repräsentativen Studie "Trends der Zeitungsbranche 2024".
Der BDZV hat die aktualisierte Ausgabe gemeinsam mit der Unternehmensberatung Highberg vorgestellt. Befragt wurden aus dem Publisher-Kreis dieses Mal 46 Geschäftsführer:innen, 68 Chefredakteur:innen und daneben Teilnehmende aus den Bereichen Werbemarkt (47), Lesermarkt und Logistik (je 42), Digitalverantwortliche (17) und 13 Digital-Publisher:innen. Sie stehen laut BDZV nach verkaufter Auflage für 73 Prozent der deutschen Zeitungen und für 87 Prozent der digitalen Blattreichweite.
Dabei wird von 265 Befragten allerdings nicht zu viel Optimismus verbreitet; mittelfristig würden die Erwartungen an die Geschäftsentwicklung „eher negativ“ ausfallen, so die Studie. Die von Highberg und dem BDZV identifizierten Trends machen deutlich, wo und wie neue Erlösströme erschlossen werden sollen.
Effizienzsteigerung durch Automatisierung: So wollen Publisher die Kosten senken. Mehr als die Hälfte derer Befragten (52 Prozent) sehen darin laut Studie „den wichtigsten Hebel oder das größte Potenzial für effiziente Arbeit“, und das vor allem im Kundenservice und in der Print-Seitenproduktion. Dagegen wirken die Sparpotenzial aus Outsourcing (14 Prozent), reiner Prozessoptimierung (14 Prozent ) und Zentralisierung (10 Prozent ) abgeschlagen.
Aufgrund der „rasanten“ Entwicklung tun sich die Befragten noch schwer, die Auswirkungen des KI-Einsatzes auf ihr Geschäftsmodell einzuschätzen. Zu Protokoll geben derzeit zwei Drittel, dass sie planen, KI zur Texterstellung einzusetzen. Eine „Vollautomatisierung in größerem Umfang“ soll es der BDZV-Studie zufolge nicht geben; die Verantwortung bleibe weiterhin bei der Redaktion. „35 Prozent lehnen den Einsatz von KI bei der Texterstellung ganz ab“, heißt es weiter. Gerade unterfinanzierte Redaktionen oder Lokalblätter mit einer dünnen Personaldecke könnten vom Co-Autor KI profitieren, wird in der Umfrage deutlich.
Dieser Trend schließt sich nahtlos an den KI-Einsatz an. Denn einerseits wollen sich viele Redaktionen mit menschgemachten Inhalten vom Content abheben, den generative KI wie ChatGPT erstellen kann. Mit dem Label „Von der Redaktion gemacht“ könnten Inhalte eher Abonnent:innen finden oder im Paid Content punkten und so höhere Erlöse erzielen, war der Tenor bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN. Daneben kann KI-Einsatz dabei helfen, die menschgemachten Inhalte zu recherchieren, besser auszugestalten und zielgerichteter an die Lesenden zu bringen.
In der BDZV-Studie heißt es dazu: „Eine Neuausrichtung in den Redaktionen soll zur Qualitätssteigerung der journalistischen Inhalte beitragen: 88 Prozent der Befragten glauben, dass eine erhöhte redaktionelle Qualität zu einer stärkeren Leser- und Nutzerbindung beitragen wird, 50 Prozent setzen auf personalisierte Inhalte, die (hyper-)lokale Berichterstattung sehen 47 Prozent als essenziell. Das Erfüllen von Nutzerbedürfnissen (User Needs) kann immer besser in Kennzahlen dargestellt und operationalisiert werden.“
Unter dem Konzept der User Needs ist zu verstehen, dass Redaktionen sich auf solche Inhalte konzentrieren, die nachweisbar Digital-Abonnements bringen. Eine teilweise Personalisierung kann nach Einschätzung von Expert:innen dabei helfen, die User auf Websites zu bringen und sie dort länger zu halten.
In der BDZV-Studie wird deutlich, dass fürs künftige Geschäftsmodell der Publisher eine genauere Ansprache ihrer Zielgruppen eine große Rolle spielt. Damit einher gehe der „Bedeutungs- und Relevanzverlusts der klassischen Ressorts“. Vielmehr würden sich Redaktionen stärker als bisher entlang von Themen und Zielgruppen orientieren.
Highberg hat in den Gesprächen mit Verlags-Verantwortlichen diese Themenfelder für eine ansprechendere Berichterstattung identifiziert:
Wenn es um die Ansprache junger Zielgruppen geht, wollen 82 Prozent der Befragten weiterhin gezielt Social Media einsetzen. 59 Prozent greifen auf Kooperationen mit Schulen und Bildungseinrichtungen zurück. Auch bestimmte Formate könnten hilfreich: 89 Prozent votieren laut Studie für Frage- und Antwort-Stücke/Listicles, „da diese als leicht zugängliche Inhalte-Formate für viel Reichweite sorgen können“. Ähnlich hoch eingeschätzt würden Themen-Newsletter (86 Prozent) und Liveticker bei akuten Nachrichtenlagen (84 Prozent), wie es heißt.
Deutlich wird in der aktuellen Analyse, die von BDZV und Highberg bereits zum zehnten Mal durchgeführt wurde, dass die vor Jahren von Springer ins Spiel gebrachte „Quersubventionierung“ von Journalismus bei den Einnahmequellen eine immer größere Rolle spielt.
Neue Geschäftsfelder der Publisher liegen der Studie zufolge vor allem Dienstleistungsbereich: Angeführt werden in dem Werk Jobportale von Zeitungshäusern oder auch Agenturdienstleistungen im PR- oder Druckbereich. Künftig dürften auch selbst entwickelte und speziell zugeschnittene KI-Tools zu den Dienstleistungen gehören, mit denen Publisher zusätzliche Geschäfte machen könnten.
Dennoch glauben die Verlage daran, dass das Gedruckte auf absehbare Zeit eine tragende Rolle spielen wird:
Die 38 Seiten starke Studie ist hier abrufbar.
Unterdessen hat der Verband der Zeitschriftenverleger erneut eine Absenkung der Mehrwertsteuer für alle Presseprodukte ins Spiel gebracht. Der Bundesgeschäftsführer des Medienverbands der freien Presse (MVFP), Stephan Scherzer, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Unabhängig von der diskutierten Zustellförderung wäre die Absenkung der Mehrwertsteuer für die Zeitschriften- und Zeitungspresse ordnungspolitisch einwandfrei. Sie wäre darüber hinaus auch eine Transformationsförderung, weil alle, die Umsatz machen - gedruckt oder digital – durch eine abgesenkte Mehrwertsteuer unterstützt würden.“
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 37. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.