Die wirtschaftliche Lage der Zeitungen ist weniger schlecht als erwartet. Die Verlage können den Leser:innenschwund sowie den Anzeigenrückgang im Analogen abfedern. Zum einen durch Preiserhöhungen im Vertriebsmarkt, zum anderen durch den erfolgreichen Ausbau der Digital-Angebote. In Summe bleibt die Gesamtsituation trotz der schwierigen Wirtschaftslage weitgehend stabil, wie der aktuelle BDZV-Bericht zeigt.
Seit Jahren schon sinken die Auflagen der gedruckten Zeitungen kontinuierlich und Hilferufe der Verleger:innen werden lauter: hohe Energie-, Personal- und Papierpreise, Probleme bei der Postzustellung sowie der Konkurrenzkampf im digitalen Werbemarkt durch Google & Co. Doch (noch) arbeitet die Gattung auf hohem Niveau: Das belegt der aktuelle BDZV-Bericht "Branchenbeitrag 2024 – Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen". Demnach konnten die Verlage über alle Geschäftsbereiche hinweg – und durch den Erfolg im Digitalen – ihre Gesamterlöse bei 7,5 Milliarden Euro halbwegs fixieren.
Zugegeben, das vergangene Werbejahr verlief enttäuschend: Hier sanken die Anzeigenumsätze um sieben Prozent und lagen damit bei 1,66 Milliarden Euro. Gleichwohl stabil blieben dagegen die Vertriebsumsätze mit 5,02 Milliarden Euro. Dagegen richtig gut schlagen sich die digitalen Angebote der Zeitungsverlage.
Es hätte also angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage sowie der geopolitischen Krisen deutlich schlimmer kommen können.
Trotz des sich wandelnden Marktes und steigender Kosten behauptet sich die klassische Zeitung also weiterhin auf dem Lesermarkt: In Deutschland werden erscheinungstäglich 12,64 Millionen Exemplare verkauft (Q II/2024). Davon sind 10,25 Millionen Tageszeitungen, 1,64 Millionen Wochenzeitungen und 0,75 Millionen Sonntagszeitungen.
Laut Bericht konnten die Preiserhöhungen die anhaltenden Auflagenrückgänge ausgleichen. So trug der Lesermarkt erstmals 75 Prozent zu den Gesamteinnahmen bei. Die Verlage haben ihre Abo-Preise über die letzten Jahre hinweg konsequent angehoben. 2023 kostete beispielsweise ein Print-Abo der Süddeutschen Zeitung im täglichen Bezug monatlich 74,90 Euro, aktuell werden dafür 80,90 Euro fällig.
Gleichzeitig darf man nicht verhehlen, dass es seit 2023 erstmals Regionen gibt, in denen keine gedruckte Zeitung mehr ausgeliefert wird. In einigen dünn besiedelten Regionen in Thüringen und Brandenburg stellten Verlage die Trägerbelieferung ein und bemühten sich allerdings, ihre Abonnent:innen für den Umstieg auf die digitalen Produkte zu gewinnen. Entwicklungen, die sich durchaus in den Reichweiten der Tageszeitungen niederschlagen.
Und diese digitalen Produkte entwickeln sich tatsächlich erfreulich, ob bei E-Paper, Paid Content oder in anderen Bereichen. So hat der Bereich E-Paper einen echten Wachstumsschub hingelegt und die Umsatz-Schwelle von 500 Millionen Euro erreicht, was einem Plus von 21 Prozent entspricht.
Ein Trend, der sich auch an den aktuellen IVW-Zahlen ablesen lässt. Im zweiten Quartal 2024 konnten die Verlage ihre Rückgänge im Print durch steigende E-Paper-Verkäufe abfedern. Die Welt verlor in Print zwar um 13 Prozent, dafür stieg die E-Paper-Auflage um 55 Prozent. Die Springer-Zeitung erreichte damit in Summe einen Anstieg um 6,5 Prozent bei den verkauften Exemplaren.
Auch die taz durfte sich freuen: Bei ihr legte die E-Paper-Auflage um 26 Prozent zu und glich damit die um 9 Prozent gesunkene Printauflage um ein gutes Stück aus und brachte dem Verlag insgesamt ein Plus von 8,6 Prozent.
Nicht ganz so rosig sah es bei der Süddeutschen Zeitung aus. Die SZ konnte ihr Minus im Print, das bei 9,7 Prozent liegt, nicht ausgleichen, denn die E-Paper-Auflage ist 2023 nicht gestiegen. Daraus ergab sich ein Minus von 6,1 Prozent bei den verkauften Exemplaren.
In Sachen Preispolitik gehen die Verlage übrigens recht unterschiedlich vor: Die Süddeutsche und das Handelsblatt verlangen für die Digitalversion rund die Hälfte, bei der FAZ sind es stolze zwei Drittel des Print-Abopreises.
Noch höher als die Einnahmen durch E-Paper war der übrige digitale Umsatz mit Angeboten von Paid Content bis zu Anzeigensuchmaschinen. Insgesamt gewannen die Verlage bei den digitalen Umsätzen zwölf Prozent auf nun 1,32 Milliarden Euro hinzu und lagen damit das zweite Jahr in Folge über der Schwelle von einer Milliarde Euro.
Dabei sind die überregionalen Zeitungen im Digitalgeschäft mit Abstand am erfolgreichsten: Sie erzielten auf diesem Weg bereits die Hälfte ihres gesamten Umsatzes (49,9 Prozent). Der Abwärtstrend wird in Summe dadurch zwar nicht gestoppt, aber deutlich verlangsamt.
Insgesamt wollen sich die Tageszeitungen noch breiter aufstellen und ein weiteres Feld beackern. Sie treiben den Ausbau des Videoangebots in den Umfeldern der regionalen Zeitung voran. Der nationale Vermarkter, Score Media Group, hat aus diesem Grund jüngst die Mehrheit der Red Pineapple Media übernommen. Dieser Video-Vermarkter aus Berlin bietet klassische sowie innovative Bewegtbildformate, aber auch interaktive Special Creations an, die dann in einem kuratierten Publisher-Netzwerk eingebunden werden. Ziel ist es, das bestehende Angebot im E-Paper sowie auf den Newssites der regionalen Tageszeitungen auszubauen.
Als die Top-Trends des Jahres nennt die BDZV-Studie eine Effizienzsteigerung unter anderem durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. KI ermöglicht es den Redaktionen, effizienter zu arbeiten und damit größere Zeitbudgets für die Recherche freizuschaufeln. Die Folge: eine Qualitätssteigerung der journalistischen Inhalte.
Ein weiterer Trend ist die präzisere Ansprache von Zielgruppen. Etliche Verlage haben dazu eigene Datenräume geschaffen. Andere setzen auf externe Expertise und arbeiten beispielsweise mit dem Angebot DRIVE für datengetriebene Personalisierung, das die Unternehmensberatung Highberg (vormals Schickler) unter anderem mit der Nachrichtenagentur dpa für regionale Printhäuser entwickelt hat.
Ansonsten blicken die Verleger:innen gewohnt verhalten auch auf das laufende Jahr. Sie erwarten einen weiteren Rückgang bei den Print- und Anzeigenerlösen, gleichzeitig rechnen sie mit weiteren Zuwächsen im Digitalen. Und auch das gehört zur neuen Realität: 80 Prozent der Befragten denken darüber nach, mittelfristig die Zustellung in unwirtschaftlichen Bereichen einzustellen. 47 Prozent wägen ab, die Print-Erscheinungstage zu reduzieren.
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