Verlage sind vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung darauf angewiesen, die Zahl von Digital-Abonnent:innen zu steigern und die Haltbarkeit der Abonnements zu verlängern. Auch die Personalisierung des digitalen Angebots ist ein entscheidender Punkt. Gemeinsame Datenräume wie DRIVE und TEMS leisten dabei ihren Anteil.
„Unsere Leserschaft ist im Durchschnitt 70 Jahre alt“. Dieses Bekenntnis stammt von Stefan Buhr, Chief Sales Officer, Leiter Product & Sales bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Es sei für den Verlag „also enorm wichtig, zusätzlich digitale Erlöse zu generieren“, sagte er anlässlich der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023. Mit einem eigenen KI-Projekt versucht die FAZ, abwandernde Kunden zu binden: Basierend auf verschiedensten Datenpunkten errechnet das System eine Stornowahrscheinlichkeit von 0 bis 100 Prozent.
Daten und KI helfen Publishern aber nicht nur, nach Kündigungswahrscheinlichkeiten optimierte Abo-Modelle zu entwickeln, sie helfen auch, digitale, personalisierte Produkte anzubieten.
Doch die Künstliche Intelligenz, die solche Angebote entwickeln soll, ist immer nur so gut wie die Daten dahinter. Das hat Catherin Hiller, Managing Director von The Date Institute der Funke Mediengruppe bei den #MTM23 klar ausgesprochen. Bei Funke wird aktuell daran gearbeitet, die E-Paper zu personalisieren. Die Mediengruppe produziert jeden Tag 150 Lokalausgaben und täglich bis zu 4000 Artikel. Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollen komplett individualisierte E-Paper entstehen – jede:r Abonnent:in erhält dann eine eigene digitale Tageszeitung. 2024 wird es so weit sein.
Gemeinsame Datenräume sollen Zukunftsfähigkeit sichern
Doch nicht jedes Medienhaus, das sich auf dem Weg zum Digitalpublisher befindet, hat wie die FAZ oder Funke die Möglichkeit, neue Geschäftsideen aus eigener Kraft zu stemmen. Deshalb haben die Nachrichtenagentur dpa und das Beratungsunternehmen Schickler 2020 das Datenprojekt Digital Revenue Initiative, kurz DRIVE angestoßen. Der Grundgedanke dabei: Durch den Aufbau tragfähiger digitaler Erlösmodelle soll die Zukunftsfähigkeit des gesamten Mediensektors gesichert werden.
Die Entwicklung und Einführung der damit verbundenen Technologien ist kaum alleine zu stemmen, weder finanziell noch in Sachen Know-how. Schließlich erwarten Nutzer:innen inzwischen auch auf einem regionalen Nachrichtenportal ein personalisiertes Produkt, wie sie es von YouTube, Netflix oder Spotify gewöhnt sind.
Aktuell teilen im Rahmen von DRIVE 26 deutsche, österreichische und schweizerische Regionalverlage detaillierte Nutzungsdaten, Content- und Abo-Daten zu digitalen Nachrichtenportalen. Die auf diesen Daten basierenden Analysen helfen den Verlagen, ihre Paid-Content-Angebote zu verbessern. Außerdem können Verlage Daten-Services wie Personalisierungsalgorithmen nutzen, die direkt in die Portale integriert werden. „Für die Nutzung der bereitgestellten Daten-Analysen und KI-Algorithmen zahlen die Verlage im Monat weniger als die Kosten für einen eigenen Data Scientist, der für die meisten Verlage ohnehin schwer zu finden wäre“, sagt Ole Fehling, Manager Data Science bei Schickler und technischer Projektleiter von DRIVE (Foto: Unternehmen).
Insgesamt 15 Expert:innen sind – vor allem für dieses Projekt– im Einsatz. Die Daten- und Beratungsexperten sitzen bei Schickler, die mit dem Redaktions-Know-how bei dpa. Sie treffen sich wöchentlich zu gemeinsamen Videocalls und einmal im Jahr zu einem Präsenzworkshop, zuletzt Anfang Dezember.
„Während wir im vergangenen Jahr noch hauptsächlich über Herausforderungen und Probleme sprachen, ging es in diesem Jahr um Lösungsansätze“, sagt Fehling. Inzwischen habe sich das Mindset völlig geändert. „Jetzt heißt es bei den teilnehmenden Medienhäusern nicht mehr, ob sie was mit Daten machen müssen und was passiert, wenn sie die Daten teilen“, so Fehling. „Inzwischen sind alle sind davon überzeugt, dass die konsequente und kooperative Arbeit mit Daten alternativlos ist“, so der Manager weiter.
Aktuell arbeitet Schickler an weiteren Datenräumen für den DACH-Raum: Während es bei DRIVE um Paid-Content geht, soll das Projekt RAPID digitale Werbeerlöse in den Fokus nehmen und GRID die Transformation von Print-Abos.
Datenraum für Europas Medien nimmt Form an
DRIVE ist gut angelaufen. Deshalb wollen Schickler und die dpa das Projekt nun auf die nächste Stufe hieven. Die Beratung nimmt deshalb am Aufbau einer übergreifenden, europäischen Daten-Infrastruktur teil, Trusted European Media Data Space, kurz TEMS. Sie ist dazu angedacht, als Gegengewicht zu FAANG (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google) anzutreten. „Derzeit wird evaluiert, wie Erkenntnisse aus DRIVE in TEMS integriert werden können“, sagt Ole Fehling über das Projekt, das mit 16,5 Millionen Euro von der EU gefördert wird.
Bis 2026 soll der europäische Medien-Datenraum dann fertiggestellt sein. Ein Konsortium aus 43 Medien- und Tech-Organisationen aus 14 europäischen Ländern ist für die Umsetzung des Projektes verantwortlich. „Auch ein Teil unseres DRIVE-Teams ist damit aktuell beschäftigt“, sagt Schickler-Manager Fehling. Wie bei DRIVE, sollen sich auch bei TEMS alle Mitglieder über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen, die sie im Mediensektor und zu Datenräumen machen, austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
Erste Anwendungsfälle sollen dann von News Fact Checking, Audience Analytics, Personalisierung von Inhalten und Werbung über Kollaboration in der Produktionskette für audiovisuelle Inhalte sowie die Erstellung von Augmented-Reality Formaten reichen.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 37. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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