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Daten und Vertrauen: Zwei Königskinder?

Geschrieben von Medientage München | 15. Juli 2021

Auch wenn zumindest Google für seinen Browser Chrome kurzfristig beschlossen hat, das Ende der Cookies von Drittanbietern um ein Jahr auf 2023 nach hinten zu verschieben, löst der Schritt das eigentliche Problem nicht: Seit dem sukzessiven Wegfall der Third-Party-Cookies Anfang 2020 als Grundlage für zielgerichtete Werbung sucht die Branche nach Alternativen wie etwa Login-basierte ID-Systeme.
Uli Hegge, Senior Vice President Central Europe beim Datenspezialisten InfoSum, rät in seinem Gastbeitrag im Blog der Medientage München, grundlegend über einen neuen Umgang mit User-Daten nachzudenken.

 

„Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten beisammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.“
Volksballade

 

Es fühlt sich so an, als ob die Namen der modernden Königskinder „Daten“ und „Vertrauen“ heißen. Fast jede Industrie sieht sich im Wandel zu datengetriebenen Geschäftsmodellen. Gleichzeitig steht insbesondere die Marketing- und Medienbranche vor einem großen Problem – und nein, damit ist nicht das Ende des Third-Party-Cookies gemeint: fehlendes Vertrauen, und zwar das kommerzielle Vertrauen unter den Unternehmen, und das der Internet-Dienste nutzenden Menschen, die dem Umgang der Branche mit ihren Daten recht skeptisch gegenüberstehen.

Laut einer repräsentativen Allensbach-Umfrage von Anfang dieses Jahres erwarten 66 Prozent der Deutschen vom Staat, den Missbrauch von persönlichen Daten durch Unternehmen aktiver zu unterbinden, 60 Prozent sehen Bedarf für eine bessere Absicherung ihrer Daten in sozialen Netzwerken. So wie zu viele Unternehmen mit Daten umgehen, so intransparent wie die Zusammenarbeit untereinander und für Außenstehende ist, so viele Baustellen wie es entsprechend bei den Themen Datensicherheit und Datenschutz noch gibt, da ist dieses fehlende, oder besser gesagt, das verlorene Vertrauen beim Umgang mit Daten vollkommen logisch. Also: Königskinder.

Welche Lösungswege gibt es, um eine Brücke über das tiefe Wasser zwischen den Beteiligten zu bauen – als essenzielle Grundlage für nachhaltige Geschäfte und gute Services für Nutzer:innen?

Im B2C-Verhältnis führt dies zu einem – leider nach wie vor zu oft berechtigten – Generalverdacht der Konsument:innen, der die Finanzierung der genutzten Dienste und deren Optimierung erschwert. Und ein ähnliches Problem gibt es auch im B2B. Im Medienumfeld bedeutet dies, dass Publisher und Werbungtreibende ihre wertvollsten, das heißt eigentlich effektivsten First-Party-Daten lieber bei sich behalten und eine geringere Performance als möglich wäre riskieren. Natürlich sehen nicht nur die Politik und die Konsument:innen Probleme, auch die Werbe- und Medienindustrie versucht seit Jahren, dies zu adressieren.

Hier eine kurze Bewertung der bisherigen Ansätze und Empfehlungen:

  • Transparenz“ ist immer eine der ersten Forderungen, nicht nur in den datenschutzrechtlichen Regelungen, sondern auch in Beiträgen der Presse und Fachdiskussionen. Wie schwierig diese herzustellen ist, lässt sich gut am Transparency & Consent Framework, kurz TCF, des IAB Europe beobachten. Tatsächlich sind, wenn korrekt implementiert, alle wesentlichen Informationen zur Weitergabe und Verwendung der erhobenen Daten im Rahmen der erteilten Einverständnisse vorhanden.
    Aber wenn man eine:n beliebige:n Nutzer:in fragt, was das alles bedeutet, wird es kaum Antworten geben, die vermuten lassen, dass so Vertrauen hergestellt wurde. Wenn es selbst manchen Adtech-Experten schwer fällt, zu verstehen, was im Detail alles passiert und welche Daten wirklich wo landen, kann man das von Konsument:innen nicht erwarten.
    Für einen spannenden Lösungsansatz halte ich explizite Abfragen wie sie beispielsweise vom Spiegel und der Zeit eingesetzt werden oder von Anbietern wie Contentpass als Service bezogen werden können. Es wird in klarer Sprache erklärt, was passiert, und um Zustimmung gebeten. Weitergehende Informationen sind verlinkt und abweichende Einstellungen sind sofort oder auch später über verlinkte Datenschutzeinstellungen möglich.
    Klare Kommunikation, klare Wahlmöglichkeiten, und eine Erklärung, warum das notwendig ist – so geht auf der Publisher-Ebene bessere Transparenz.
    Die Werbungtreibenden haben es gleichzeitig einfacher und schwieriger: Einfacher, weil über direkte digitale Kontakte auch eine Eins-zu-Eins-Beziehung aufgebaut werden kann. Schwieriger, weil ein Einverständnis mit einem entsprechenden Serviceangebot einhergehen muss, das Konsument:innen unmittelbar einen Mehrwert im Austausch mit den Daten vermittelt.
  • Der zweite, vielleicht etwas überraschende, Punkt nach „Transparenz“ sollte „Ehrlichkeit“ bei allen Beteiligten hinter den Kulissen sein. Sowohl die das Internet nutzenden Menschen wie auch Politiker:innen müssen darauf vertrauen können, dass bei einem vorliegenden Einverständnis dieses auch genau wie erteilt berücksichtigt wird.
    Wenn aber die technische Sicherheit persönlicher Daten dank immer neuer Datenskandale ständig in Frage gestellt wird und werden muss, und einige Technologieanbieter versuchen, den klar unerwünschten früheren Status Quo wieder herzustellen, wird ganz sicher keine Brücke über das tiefe Wasser gebaut.
    Selbst die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat sich vor einigen Wochen mit dem Thema Fingerprinting und anderen Tracking-Methoden beschäftigt. Einen Lösungsansatz gibt es auch hier: die sogenannten Data Clean Rooms. Das ist eine Technologie, die das Zusammenführen von persönlichen Daten verhindert, und trotzdem eine Zusammenarbeit bei der Datennutzung erlaubt. Bei Nutzung „echter“ Data Clean Rooms – es gibt leider auch nicht datenschutzkonforme Lösungen, die sich so nennen – ist es nicht mehr möglich, dass persönliche Daten ungewollt in die Öffentlichkeit gelangen.

Dies sind nur zwei Teilstücke der notwendigen Brücke, aber sie sind essenziell. Vertrauen und Daten sind nicht zwingend Antagonisten, sondern können durchaus wieder zusammenfinden. Erste Lösungsansätze gibt es, die sollten konsequent genutzt werden.

 

Zur Person:

Ulrich Hegge ist Senior Vice President Central Europe bei InfoSum, Anbieter von Data Clean Rooms zur neutralen Datenbank-Anfrage für Werbungtreibende, die mit dem Ende der Third-Party-Cookies vertrauenswürdige Aussagen über das Verhalten der Verbraucher brauchen. In dieser Position verantwortet Hegge die Aktivitäten des 2015 in Großbritannien gegründeten Unternehmens in Zentraleuropa. Als Mitglied des Senior Management Teams arbeitet Hegge eng mit den Produkt- und Entwicklungsteams zusammen.

Ulrich Hegge zählt zu den Pionieren der deutschen Digitalszene: Vor seiner Zeit bei InfoSum war er unter anderem Mitglied der Geschäftsführung von Gruner + Jahr EMS, Geschäftsführer bei Burda sowie Mitgründer und CEO des Targeting-Dienstleisters wunderloop, VP Strategic Market Development CE und Advisor to the Executive Committee bei AppNexus (heute Xandr), sowie CSO bei der Comdirect Bank AG.

 

Die MEDIENTAGE MÜNCHEN finden dieses Jahr vom 25. bis 29. Oktober statt. Sie stehen unter dem Motto New Perspectives. Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven sowie Geschäftsmodelle der Medienanbieter auf.

 

 

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