Die Corona-Pandemie hat allgemein den Medienkonsum beflügelt und im Besonderen die Social-Media-Nutzung. Die Aktivitäten der Deutschen bei Facebook und Co nahmen laut Bitkom bei der Mehrheit deutlich zu. Ebenso die Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Telegram. Allerdings verschärfte sich auch in besonderem Maße der Ton im Netz – Stichwort „Hatespeech“ – und das Problem, dass sich Menschen in geschlossenen Nutzergruppen radikalisieren. Ein Einblick in die dunklen Echokammern gaben die MEDIENTAGE MÜNCHEN digital.
Social Media macht Social Distancing erträglicher, hat aber auch eine dunkle Seite: Extremist*innen agieren immer öfter abseits von Facebook, Twitter, Instagram und Co und setzen stattdessen auf Messenger Apps oder geschlossene Social–Gruppen und –Kanäle. Wenn Hassreden hauptsächlich von privaten Gruppen innerhalb digitaler Netzwerke im so genannten Dark Social verbreitet werden, ist die Strafverfolgung sehr schwierig.
Dark Social, auf Deutsch etwa „geheimes soziales [Netzwerk]“, bezeichnet die Internetkommunikation, die über persönliche E-Mails, geschlossene Gruppen in sozialen Online-Netzwerken oder Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram entsteht. Ein Wissenschaftler, eine Journalistin und ein Journalist, die sich intensiv mit dem Phänomen Hatespeech im Internet beschäftigt haben, stellten im Rahmen der #MTM20 diese und weitere Erkenntnisse ihrer Projekte vor.
Konkret zur Bekämpfung von Hatespeech im Netz meldete sich die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN zu Wort. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich und BLM-Präsident Siegfried Schneider machten deutlich: Hass und Hetze im Internet gehen uns alle an. Er sei sofort zur Unterstützung bereit gewesen, als die BLM im vergangenen Jahr mit dem Wunsch nach einer Initiative gegen Hass im Internet an ihn herantrat, betonte Minister Eisenreich.
Die im Oktober 2019 gestartete Initiative wurde um ein Jahr verlängert und ermöglicht Mitarbeiter*innen bayerischer Medienhäuser, einfach und sicher Prüfbitten, ob strafbare Online-Inhalte vorliegen, an den Hatespeech-Beauftragten der Bayerischen Justiz zu senden. Seit Jahresbeginn wirkt er bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Zügig hätten mehr als 110 bayerische Medienhäuser Interesse an der Initiative gezeigt. Rund 80 davon beteiligten sich aktiv, bilanzierte Siegfried Schneider. In mehr als zehn angezeigten Fällen ist demnach inzwischen Anklage erhoben worden, von denen zwei zu Verurteilungen geführt hätten.
In ganz Bayern seien inzwischen 22 Sonderdezernate zur Bekämpfung von strafbarem Hass und Hetze im Internet eingerichtet worden, erklärte Eisenreich. Journalist*innen dürften nicht allein gelassen werden, wenn sie im Internet beleidigt oder bedroht würden. „Löschen von strafbaren Hasskommentaren allein reicht nicht“, sagte Georg Eisenreich und unterstützte die geplante gesetzliche Verankerung der Anzeigepflicht sozialer Netzwerke von strafbaren Kommentaren, etwa im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Zugleich müssten Plattformen wie Facebook sich ihrer Verantwortung stellen und Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften ohne Wenn und Aber beantworten.
BLM-Präsident Schneider unterstrich die Bedeutung präventiver Maßnahmen: „Junge Menschen müssen sich wehren können und den Mut finden, den Eltern und den Lehrkräften von Bloßstellungen im Netz zu berichten.“ Man werde auch über eine Möglichkeit nachdenken, wie auch einzelne Bürger*innen einfach online Prüfbitten einreichen könnten. Doch schon jetzt könne sich jeder, der von Hass-Postings bedroht werde oder diese im Internet entdecke, an Polizei und Staatsanwaltschaften wenden. Klar müsse sein: Die Justiz kann nur ermitteln, wenn strafbare Inhalte auch zur Anzeige gebracht werden.
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