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"Die meisten Erfolgsfaktoren kann die Branche selbst beeinflussen"

27. September 2022

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In der Krise spielen etablierte Medienhäuser ihre Stärken aus: Glaubwürdiger Journalismus ist den Rezipient:innen wichtiger denn je. Um den verschiedenen Disziplinen beim Wissensaustausch zu helfen und den Dialog der Medienanbieter über Gattungsgrenzen und Geschäftsmodelle hinweg zu fördern, sodass alle davon profitieren, hat Ellen Heinrichs zusammen mit Deutsche Welle, Rheinische Post Mediengruppe, RTL Deutschland und das dänische Constructive Institute im März 2022 das Bonn Institute gegründet.
Im Interview mit dem Blog der Medientage München erläutert Geschäftsführerin Ellen Heinrichs, was der Journalismus braucht und wie das Bonn Institute für verantwortungsbewussten Journalismus sorgen will.

 

Frau Heinrichs, warum brauchen wir das Bonn Institute? 

Das Bonn Institute sucht gemeinsam mit der Medienbranche Wege, wie der Journalismus sich verändern muss, um morgen noch relevant zu sein. In einer Zeit, die von immensen Herausforderungen gekennzeichnet ist und in der sich immer mehr Menschen vom Nachrichtenkonsum abwenden, ist das von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Mit unseren Angeboten begleiten wir Redaktionen, die ihren Journalismus zeitgemäß weiterentwickeln wollen.

Es gilt, Nutzerbedürfnisse besser zu verstehen und den Journalismus lösungsorientierter, perspektivenreicher und dialogischer zu gestalten. Allerdings: Was sich vielleicht leicht anhört, ist in der täglichen Redaktionsarbeit oft schwer umzusetzen, denn nicht nur das traditionelle journalistische Selbstverständnis, sondern auch gewachsene redaktionelle Strukturen und Prozesse stehen diesem Ansatz oft entgegen. Insofern geht es hier um einen umfassenden, ganzheitlichen Transformationsprozess hin zu einem nutzerzentrierten Journalismus.

 

Was fehlt dem Journalismus denn auf dem Weg dorthin? Und welche Instrumente setzen Sie ein? 

Die Diskussion darüber, was denn wertvoller Journalismus im 21. Jahrhundert ist und für welche Inhalte die Menschen heutzutage noch bereit sind, Geld auszugeben – und seien es Rundfunkgebühren – ist aus meiner Sicht der nun nötige, zweite wichtige Schritt im Rahmen der Digitalisierung. Bisher war die digitale Transformation des Journalismus in den Häusern weitgehend ein Projekt mit technologischem Fokus: Neue Prozesse und Plattformen wurden etabliert, Paywalls errichtet usw. Da ist schon viel und gute Arbeit geleistet worden.

Jetzt aber müssen wir einen Schritt weiter gehen: Wir müssen herausfinden, welche Angebote für die Leute einen echten Mehrwert haben. Und da ist im Moment viel Bewegung drin. Nach der langjährigen Fixierung auf Reichweite erkennen immer mehr Medienhäuser, wie wichtig Angebote sind, bei denen sich die Leute so gut informiert fühlen, dass sie gerne wiederkommen und lange bleiben. Und wenn man dann schaut, wann sich die Leute tatsächlich gut informiert fühlen, dann ist es oft so, dass sie sich einen weniger engen Fokus von Journalistinnen und Journalisten auf negative Nachrichtenereignisse wünschen, oder konstruktivere Debatten oder eine größere Vielfalt an Perspektiven in der Berichterstattung.

Das sind alles Themen, die den Kern redaktioneller Arbeit betreffen – nämlich den Journalismus. Wie kann er also lösungsorientierter, konstruktiver, dialogischer werden und trotzdem kritisch und professionell bleiben? Hier bieten wir Hacks und Hilfe an, mit Webinaren, Workshops und auch längerfristigen Coaching-Angeboten für Redaktionen.

 

Ist es mit dem Austausch von Wissen und Kompetenzen getan? 

Wie gesagt, es handelt sich um einen Transformationsprozess. Lösungsorientierung statt Problemfokussierung erfordert viel Übung und Fokus – übrigens auch von Führungskräften. Denn wie bei jedem Innovationsprojekt gilt auch hier: Nur, wenn Führungskräfte den Wandel wirklich wollen und konsequent vorantreiben, kann er gelingen.

Das gilt auch für das wichtige Thema Perspektivenreichtum: Wir wissen, die Menschen wünschen sich mehr Vielfalt im journalistischen Diskurs. Das ist angesichts von weitgehend nicht-divers besetzten Redaktionen jedoch kein Thema, das von heute auf morgen erledigt werden kann. Auch hier braucht es deshalb Führungskräfte, die weitsichtig agieren und Vielfalt zur Chef- oder Chefinnensache machen.

Insofern haben Sie recht: Es geht nicht nur um den Austausch von Wissen und Kompetenzen, es geht tatsächlich um einen grundlegenden Kulturwandel hin zu einem dienstleistungsorientierten Journalismus.

Nur, wenn Führungskräfte den Wandel wirklich wollen und konsequent vorantreiben, kann er gelingen.


Ellen Heinrichs

 

Die Bedeutung von Qualitätsjournalismus ist in der Branche kaum umstritten. Allerdings liegen nicht alle Faktoren, unter denen der Qualitätsjournalismus leidet, innerhalb der Medienhäuser … 

Ehrlich gesagt glaube ich schon, dass die meisten Erfolgsfaktoren für den Journalismus von der Branche selbst beeinflusst werden können. Wir leben doch in geradezu paradiesischen Zuständen: Wir haben Pressefreiheit, wir haben eine Bevölkerung, die immer noch stark an Nachrichten interessiert ist, wir haben eine vielfältige Zeitungslandschaft und einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Auf der anderen Seite wird unsere Branche unbestritten von den aktuellen Krisen stark gefordert – Stichwort Energie- und Papierpreise etwa. Aber auch hier können wir uns fragen: Welche Chancen könnten in diesen Krise liegen? Übrigens auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Ist das vielleicht die Gelegenheit, den Journalismus konsequent digital und noch stärker auf Nutzerinteressen auszurichten?

Ich halte nichts davon, darauf zu warten, dass es andere für einen richten.

Ellen Heinrichs

 

Der Mix aus Rundfunk und Print, privat und öffentlich-rechtlich, klassischen und digitalen Medien, den das Bonn Institute repräsentiert, ist ein reizvoller interdisziplinärer Ansatz. Ihre Erfahrung nach den ersten Monaten: Sorgt das dafür, dass Sie auf schier unbegrenzte Ressourcen und Kompetenzen zugreifen können, oder schon auch mal für Missverständnisse?

Auch hier sehe ich viele Chancen. Denn so unterschiedlich, wie diese Medien laut Innensicht zu sein scheinen, sind sie oft nicht. Daher lohnt es sich sehr, einen Austausch zu initiieren, von dem Private genauso profitieren wie die Öffentlich-Rechtlichen. Beispiel Klimajournalismus – den macht bislang kaum einer richtig gut und erfolgreich – warum nicht gemeinsam über Best Practices sprechen und über neue Wege nachdenken? Oder Nutzerorientierung: Darüber müssen Redaktion diskutieren, egal, ob sie Geld verdienen oder rechtfertigen müssen, wie sie Rundfunkgebühren sinnvoll verwenden.

Ein anderes Thema, das gerade alle bewegt: Was sind eigentlich passende Metriken, um guten Journalismus zu messen? Auch diese Diskussion müssen wir branchenweit führen. Sie sehen, die Liste der Themen ist endlos, und selbstverständlich wissen wir im Bonn Institute auch nicht die Antwort auf alle diese Fragen. Aber wir haben durch unsere diverse Gesellschafterstruktur mit RTL, Rheinischer Post, Deutscher Welle und Constructive Institute die ganze Bandbreite der Branche an Bord und verfügen insofern über den Background, einen breit angelegten Diskurs zu moderieren, von dem am Ende sowohl die Medienunternehmen als auch die Allgemeinheit profitieren können.

 

Wie werden Ihre Angebote bisher angenommen?

Ich kann tatsächlich sagen, dass wir von der Resonanz der ersten Monate ziemlich überwältigt sind. Das gilt für unsere Webinare, an denen schon hunderte Journalisten teilgenommen haben, das gilt für unsere Newsletter, auf die wir herausragendes Feedback bekommen, und das gilt für die schiere Anzahl an Anfragen, die wir täglich bekommen – auch aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland.

Wir arbeiten gerade sehr intensiv an unserer Produktstrategie, denn es ist uns wichtig, im kommenden Jahr noch mehr Redaktionen erreichen, um die große Nachfrage bedienen zu können. Dazu bauen wir gerade ein Netzwerk von Expertinnen und Experten auf und bekommen auch viel Unterstützung von unseren ehrenamtlichen, prominenten Kuratoriumsmitgliedern.

Bedingt durch die Krisen gibt es viel Veränderungsbereitschaft in der Branche.


Ellen Heinrichs

 

Wie sehen Ihre strategischen Ziele mit dem Bonn Institute aus?

Ich sehe gerade ein Momentum. Bedingt durch die Krisen gibt es viel Veränderungsbereitschaft in der Branche. Auch die Ergebnisse des Reuters Digital News Reports hinsichtlich der steigenden Nachrichtenvermeidung der Deutschen haben viele Redaktionsverantwortliche aufgerüttelt. Das wollen wir nutzen und unseren Teil dazu beitragen, dass der Journalismus in Deutschland sich stärker an den tatsächlichen Informationsbedürfnissen der Menschen orientiert. Dabei geht es uns geht es um echten Impact. Wir wollen, dass sich etwas bewegt.

Schon jetzt sehen wir, wie wichtig es vielen Menschen in der Medienbranche ist, sich mit uns zu vernetzen und auszutauschen, da entsteht eine echte Community. Für diese Leute, die sich teilweise in ihren Redaktionen noch alleine oder ausgebremst fühlen, wenn sie versuchen, den Journalismus weiterzuentwickeln, werden wir noch mehr Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und gemeinsamen Lernen schaffen.

Im November wird zudem unsere Studie zu konstruktiven Ansätzen in der Kriegsberichterstattung erscheinen, zu der es auch Workshops geben wird. Und für Anfang 2023 planen wir die Publikation unseres Werkstattberichts "Monetarisierung von Lösungsjournalismus im Lokalen" – ein Projekt, das wir gemeinsam mit der Rheinischen Post und der Landesmedienanstalt NRW auf den Weg gebracht haben.

 


Zur Person:

Ellen Heinrichs ist Gründerin und Geschäftsführerin des Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog. Die Allianz privater, öffentlich-rechtlicher und gemeinnütziger Akteure setzt sich für Journalismus ein, der gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Die Organisation soll konstruktive Impulse setzen und den Wissensaustausch in der Branche vorantreiben.

Ellen Heinrichs (Foto oben: Bonn Institute) kennt fast alle Gesellschafter, die sich am BI beteiligt haben, von innen: Ihre Karriere begann die Journalistin bei der Rheinischen Post; sie arbeitete außerdem für die Deutsche Welle und war – als erste Deutsche – Fellow am Constructive Institute der Universität Aarhus in Dänemark. Im Auftrag des Grimme Instituts veröffentlichte sie eine Studie über die Wirkung von konstruktivem Journalismus in Deutschland. 2022 erschien im Herder Verlag ihr Buch "Journalismus auf der Couch" (mit Astrid Prange de Oliveira).  

Während der #MTM22 wird Ellen Heinrichs im Rahmen des Journalismus Summit am 20. Oktober über die Relevanz des Journalismus debattieren – unter anderem mit Corinna Milborn von ProSiebenSat.1 Puls4 und Markus Knall von Ippen Digital.

 


Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2022 finden vom 18. bis 20. Oktober vor Ort in München statt. Zu Herausforderungen und Chancen der Publishing-Branche wird in diversen Sessions mit hochkarätigen Speakern diskutiert. Daneben stehen im Rahmen des Journalism Tracks wichtige Fragen für die Branche und ihre Mitarbeitenden auf dem Programm der Konferenz. Hier geht es zum Ticketshop!

MTM-Impressiom-Foyer

 

Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München. 

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