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Digital News Report: Die Fakten zum Lokaljournalismus

Geschrieben von Petra Schwegler | 23. Juni 2025

Krisen, Krieg, Kommunikations-Überdruss: Die Menschen meiden zunehmend Nachrichten. Dennoch bleibt ihr Informationsbedürfnis hoch. Laut "Reuters Institute Digital News Report 2025" und der deutschen Teilstudie des Leibniz-Instituts für Medienforschung/Hans-Bredow-Instituts wird vor allem lokaler Journalismus als zentral für die Informationsversorgung von Menschen betrachtet. Er trägt zur Meinungsbildung, gesellschaftlichen Teilhabe und zur Kontrolle lokaler Institutionen bei.

Da ist er wieder, der jährliche Zustandsbericht des Journalismus zum Halbjahr aus der Feder des renommierten britischen Reuters Institute. Er bietet einen tiefen Einblick in die aktuellen Trends, wie wir Menschen Nachrichten nutzen – weltweit und speziell in Deutschland. Und die 2025er-Ausgabe besagt, dass es schon mal besser stand um die Arbeit der Redaktionen.

Denn die Menschen hierzulande (wie auch global gesehen) sind nachrichtenmüde. Namhafte Einzelpersonen, die sich zuhauf "Influencer" nennen, laufen etablierten Medien den Rang ab, die im Gegenzug immer mehr investieren müssen, über immer mehr Kanäle ihr Publikum zu erreichen. Alles in allem zeigt der Report eine Branche im Wandel, die mit sinkender Nutzung, Vertrauensverlust und neuen technologischen Herausforderungen konfrontiert ist, während die Bedeutung unabhängiger Nachrichten in Krisenzeiten weiter wächst. Es bestätigt sich, was die Briten zum Jahresauftakt an ersten Prognosen für dieses Jahr ausgegeben hatten.

An Positivem gibt der "Reuters Institute Digital News Report 2025" aus, dass sich die Menschen dennoch sehr fürs Weltgeschehen interessieren und ihr Vertrauen in Medien halbwegs stabil ist, dass gute Inhalte gefragt bleiben und dafür auch eine Zahlungsbereitschaft herrscht. Und: Gerade lokaler Journalismus bleibt im digitalen Wandel unverzichtbar.

Die Studie basiert auf den Antworten von rund 100.000 Befragten aus 48 Märkten. Sie bildet repräsentativ die Internet nutzende Bevölkerung hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region und Bildung ab.

Hier sind die wesentlichen Erkenntnisse der Studie mit Blick auf den lokalen Journalismus zusammengefasst:

  • Das Interesse an lokalen Nachrichten bleibt hoch.
    84 Prozent der Befragten zeigen mindestens etwas Interesse an lokalen Informationen aus ihrer Gegend. Knapp die Hälfte (48 Prozent) ist sogar äußerst oder sehr interessiert an lokalen Nachrichten. Zwei Drittel der Nutzer:innen greifen bei Informationen zu lokalen Themen bevorzugt auf klassische Medien vor Ort zurück: Zeitung, Lokalfunk, lokale oder regionale TV-Sender und die Online-Angebote dieser Anbieter.
  • Altersunterschiede prägen das Interesse.
    Ältere Internet-Nutzer:innen zeigen tendenziell ein höheres Interesse an Lokalnachrichten als jüngere. Dennoch sind drei von vier jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren mindestens "etwas" an lokalen Informationen interessiert. Es gibt regionale Unterschiede: In ländlichen Gebieten ist die Bindung an lokale Medien oft stärker als in urbanen Zentren.
  • Lokale Nachrichten führen die Nutzung an.
    Über die Hälfte der Befragten hat der Studie zufolge in der vergangenen Woche lokale Nachrichten (Verbrechen, Unfälle) genutzt – bei den über 55-Jährigen waren es 61 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen 34 Prozent.



  • Vielfältige lokale Themen sind gefragt.
    Jeweils rund 30 Prozent der deutschen Internetnutzer informieren sich über lokale Politik, Informationsdienste (Busfahrpläne, Kinoprogramm) und Aktivitäten oder Kultur vor Ort.
    Die Menschen suchen weltweit am häufigsten nach allgemeinen lokalen Nachrichten wie Verbrechen und Unfällen (49 Prozent).
    Für die Forschenden überraschend ist der Fakt, dass nur ein Drittel auf Informationen über lokale Politik zugreifen, obwohl dies oft als wichtigste Funktion lokaler Medien gilt. Die Studie zeigt zudem im globalen Vergleich einen entscheidenden Wandel: Während lokale Medien noch als beste Quelle für lokale Politik und Nachrichten gelten, werden Plattformen mittlerweile als besser für lokale Aktivitäten, Dienstleistungen und den lokalen Handel angesehen.
  • Lokale Medien dominieren als Informationsquelle.
    Diese Nachrichtenmedien – sei es die Zeitung, das Radio, der TV-Kanal oder das Internet-Angebot aus der Region – sind für die meisten lokalen Themen die wichtigste Informationsquelle:
    - 73 Prozent nutzen sie für lokale Bekanntmachungen
    - 67 Prozent für die Politik aus Stadt oder Landkreis
    - 64 Prozent für weitere lokale Nachrichten.
    Die Studie hebt hervor, dass das Vertrauen in lokale Nachrichtenmedien im Vergleich zu nationalen Medien oft höher ist. Dies liegt daran, dass lokale Medien als näher an den Menschen und ihren alltäglichen Problemen wahrgenommen werden.



  • Die Herausforderungen sind hoch.
    Lokale Medien stehen unter erheblichem wirtschaftlichen Druck, da Werbeeinnahmen sinken und die Zahlungsbereitschaft für lokale Nachrichten begrenzt ist. Sie experimentieren daher mit neuen Geschäftsmodellen, wie Mitgliedschaften, Crowdfunding oder Kooperationen mit anderen lokalen Akteuren.
    Frisches Kapital wird gebraucht: Die Digitalisierung stellt lokale Redaktionen vor die Herausforderung, neue Formate und Kanäle zu entwickeln, um weiterhin relevant zu bleiben. Die Studie berichtet von innovativen Ansätzen im lokalen Journalismus, etwa durch stärkere Einbindung der Community, Nutzung von Social Media und Entwicklung digitaler Produkte.
  • Vertrauen braucht Qualität.
    Die Zeitung vor Ort, der Lokalfunk, lokale oder regionale TV-Sender und die Online-Angebote dieser Anbieter: Sie alle genießen häufig ein höheres Vertrauen, weil sie als unabhängig und nahbar gelten. Allerdings gibt es auch Kritik an der Qualität, insbesondere wenn Ressourcen fehlen oder politische Einflussnahme besteht.
  • Und wie stehen die Menschen zu KI im lokalen Medium?
    Es wird zunehmend akzeptiert, dass Künstliche Intelligenz bei der Nachrichtenproduktion eingesetzt wird. Voraussetzung: transparente Kennzeichnung und redaktionelle Verantwortung.
    Ein gutes Drittel (34 Prozent) der Befragten nimmt hin, wenn News mit KI-Unterstützung erstellt und in letzter Instanz von Journalist:innen überarbeitet werden.

Das Fazit zum "Reuters Institute Digital News Report 2025"

In einer Zeit großer politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit bleibt der lokale Journalismus ein wichtiger Pfeiler der demokratischen Öffentlichkeit, steht aber angesichts digitaler Transformation und ökonomischer Herausforderungen vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Zukunftsfähigkeit hängt maßgeblich von Innovation, Community-Orientierung und nachhaltigen Geschäftsmodellen ab.

Die Forschenden raten lokalen Anbietern, eine differenzierte Strategie ins Visier zu nehmen: Sie sollten sich auf die Bereiche konzentrieren, für die Menschen noch zu ihnen kommen, und gleichzeitig verstehen, welche Informationstypen die Plattformen besser bedienen. Das Erfolgsrezept: "Weniger veröffentlichen, aber besser veröffentlichen" – also auf hochwertige, einzigartige digitale Inhalte setzen, für die User bereit sind zu zahlen.

Die Studie macht deutlich, dass lokaler Journalismus nicht per se "besonders" ist, sondern den gleichen digitalen Trends unterliegt wie der Journalismus insgesamt – nur mit unterschiedlicher Ausprägung je nach Land und historischer Stärke der lokalen Medienlandschaft.

Seit 2012 untersucht der "Reuters Institute Digital News Survey" jährlich über Repräsentativbefragungen generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Das Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut verantwortet seit 2013 als Kooperationspartner die deutsche Teilstudie.

Ganz im Zeichen des Lokaljournalismus steht das Klassentreffen des lokalen und regionalen Rundfunks:  Am 25. und 26. Juni finden die LOKALRUNDFUNKTAGE 2025 im NCC Mitte NürnbergMesse statt. 



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