Warum ziehen Instagram, TikTok, Snapchat & Co junge Menschen so stark in ihren Bann, dass sie ein problematisches Nutzungsverhalten entwickeln? Dazu können manipulative Mechanismen wie „Dark Patterns“ oder „Digital Nudging“ beitragen, so das Ergebnis einer aktuellen BLM-Expertise.
Wie erschweren Social-Media-Plattformen durch manipulative Gestaltungstechniken von Apps und Webseiten, beispielsweise bei der Registrierung oder in den Default-Einstellungen, ein selbstbestimmtes Medienhandeln?
„Mit Dark Patterns und Digital Nudging zielen die Internetkonzerne darauf ab, dass Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit mit Social Media verbringen oder mehr Daten über sich preisgeben“, erläutert der Medienpädagoge Prof. Dr. Rudolf Kammerl die Ergebnisse der Expertise, die im Rahmen einer Online-Veranstaltung kürzlich präsentiert wurde.
Grund genug für BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege, „das Bewusstsein für solche Strategien durch Medienkompetenz-Vermittlung zu schärfen. Uns alle eint das Ziel, Kindern und Jugendlichen ein selbstbestimmtes Medienhandeln zu ermöglichen. Wir sollten die Anbieter in die Verantwortung nehmen, damit sie schon bei der Entwicklung auf manipulative Gestaltungsmittel verzichten, die intensive Social-Media-Nutzung fördern.“
Das Forschungsteam um Kammerl hat die Ursachen des problematischen Nutzungsverhaltens von Social Media-Angeboten durch Kinder und Jugendliche untersucht, dafür ein interdisziplinäres Team aufgestellt und entsprechende Handlungsempfehlungen formuliert.
Denn die problematische exzessive Nutzung von Social Media (PUSM) gilt als Risikofaktor für die psychische Gesundheit junger Menschen, wie Prof. Dr. Lutz Wartberg betont. Er hat für die BLM-Expertise die Daten des Forschungsprojektes „Verläufe exzessiver Nutzung in Familien“ ausgewertet.
Das Ergebnis: Eine gering ausgeprägte restriktive Medienerziehung und eine stärker ausgeprägte Hyperaktivität sind für das problematische Nutzungsverhalten relevant, so dass klare Regeln und eine Begleitung bei der Nutzung sozialer Medien durch die Eltern zu empfehlen sind.
Genauso wichtig ist es für ein selbstbestimmtes Medienhandeln, Kindern und Jugendlichen die Manipulation durch bestimmte Mechanismen wie Dark Patterns oder Digital Nudging zu verdeutlichen. Wahrnehmen tun sie diese auf jeden Fall, zeigen Interviews mit Jugendlichen, die Dr. Jane Müller von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt hat.
Als Mechanismen nennen die befragten Jugendlichen: Infinite Scrolling und Push-Benachrichtigungen und das Forcieren interaktiver Kontakte. Als Vorteile nennen sie mehr Komfort, als Problem den Verlust der Selbstkontrolle. Die Verantwortung der Plattformbetreiber wird nur auf Nachfrage thematisiert. Als effektive Gegenstrategie dient die Deinstallation bestimmter Apps („Digital Detox“).
Verantwortungsvoll könnten Anbieter handeln, wenn sie gleich bei der Entwicklung und Gestaltung von Technologie wertebasiert arbeiten und mögliche Konsequenzen mitdenken, empfiehlt die Medienethikerin Prof. Dr. Petra Grimm. Ein entsprechendes Handbuch für Startups hat Grimm im Auftrag der BLM bereits entwickelt (Ethics by Design).
Ein erster Schritt wäre es zumindest, den jungen Nutzer:innen versteckte Designs sichtbar zu machen, so der Informatiker Prof. Dr. Michael Gertz. Als technische Lösung nennt er die automatische Erkennung von Dark Patterns (z.B. durch AdBlocker), Cookie-Banner, Browsererweiterungen und die Sensibilisierung der User.
Zur Sensibilisierung der Nutzenden eignet sich zum Beispiel die Medienkompetenz-Förderung durch Projekte wie den Medienführerschein Bayern für Schulen oder Elternarbeit, wie sie im Rahmen des Medienpädagogischen Referentennetzwerks erfolgt – beides Projekte der BLM-Stiftung Medienpädagogik Bayern. Weitere Handlungsempfehlungen, die aus der Expertise abgeleitet werden können:
Die Expertise „Dark Patterns und Digital Nudging in Social Media – wie erschweren Plattformen ein selbstbestimmtes Medienhandeln?“ wird in der BLM-Schriftenreihe als Band 110 veröffentlicht.
Das Werk steht kostenfrei hier zum Download zur Verfügung.
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu fachspezifischen Themen im Blog der Medientage München. Die Medientage München sind eine Marke der Medien.Bayern GmbH – einer Tochtergesellschaft der BLM.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 finden vom 25. bis 27. Oktober im House of Communication in München statt. Dabei blicken wir im Rahmen des Social-Media-Tracks auf Herausforderungen und Aufgaben für die Branche.
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