Was prägt den Journalismus und die Medienbranche heute und morgen? Unter dem Motto „WTFuture?!“ haben die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 diese Frage in den Mittelpunkt gestellt, Herausforderungen, Trends und Chancen in zahlreichen Sessions thematisiert. Insbesondere drei große Themengebiete dominierten die Diskussionen: die Bedeutung des Lokaljournalismus im Kampf gegen Nachrichtenwüsten, das Herausbilden von Personenmarken mit der Creator Economy sowie die Notwendigkeit von Qualität und Vertrauen in einem sich radikal wandelnden Umfeld.
Lokaljournalismus: Rückgrat der Demokratie in Gefahr?
Eine der drängendsten Sorgen ist der dramatische Rückgang lokaler Nachrichtenangebote. Vielerorts ist bereits von so genannten Nachrichtenwüsten die Rede – Gebiete, in denen kaum noch vor Ort berichtet wird und Bürger:innen wichtige Informationsquellen verlieren. Als Negativ-Beispiel wurde im Rahmen der #MTM25 die Entwicklung in den USA angeführt. Das Land hat in den vergangenen 20 Jahren rund 40 Prozent seiner lokalen Medien verloren …
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat hierzu eine Studie in Auftrag gegeben, die verdeutlicht: Lokaljournalismus ist für die Mehrheit der Menschen immer noch der Hauptanlaufpunkt für politische Transparenz und gesellschaftliche Aufklärung. Details zur Analyse sollen am 18. November veröffentlich werden. Vor diesem Hintergrund bekommt der „Tag des Lokaljournalismus“ am 5. Mai 2026 eine besondere Bedeutung; damit soll die Bedeutung dieses journalistischen Ressorts verdeutlicht werden. Hinter der breit angelegten Initiative steht unter anderem Ippen.Media.

Die #MTM25- Podiumsdiskussion mit Experten aus Journalismus und Medien über die Bedeutung des Lokaljournalismus als demokratische Instanz (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Doch die lokalen Medien stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Strukturelle Probleme wie die ungleiche Besteuerung multinationaler Plattformen, Mindestlohnerhöhungen und strikte Haftungsregelungen setzen Verlage unter Druck. Hinzu kommt, dass (junge) Menschen Medien anders konsumieren: Sie erwarten von Lokalmedien heute eine stärkere Präsenz auf Social Media sowie digitale und interaktive Formate.
Ein Beispiel dafür ist die überregionale Süddeutsche Zeitung, die seit Oktober regionale und lokale Infos vermehrt über WhatsApp-Kanäle verbreitet, um neue Zielgruppen zu erreichen. Die stärkere Social-Media-Abdeckung der Regionen dürfte als Ausgleich verstanden werden; zuletzt stand die SZ-Führung wegen Sparmaßnahmen in den lokalen Redaktionen im Münchner Umland in der Kritik.
Deutlich wurde bei diversen Vorträgen und Sessions der #MTM25: Lokaljournalismus muss seine „Watchdog“-Funktion behalten. Er soll politische Teilhabe und Demokratie fördern. Dafür brauchen Redaktionen nicht nur faire Rahmenbedingungen, sondern auch die Fähigkeit, junge Talente zu begeistern und zukunftsfähig zu bleiben.
Personenmarken und Creator Economy: Wandel der Medienmacht
Neben dem klassischen Journalismus erleben wir eine starke Verschiebung hin zu Personenmarken – Journalist:innen, die sich als eigenständige Content Creators etablieren. YouTube, TikTok, Podcasts und Newsletter sind längst keine Nischen mehr, sondern bilden einen parallelen, teilweise konkurrierenden Kosmos.
Die Creator-Content-Kollaboration-Runde der #MTM25 (Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Personenmarken gewinnen an Einfluss, doch sie bringen auch neue Herausforderungen mit sich. Im Rahmen des Journalism Summit bei den MEDIENTAGEN diskutierten Expert:innen den zunehmenden Verlust der traditionellen Recherchetiefe und die Erosion der Chronistenfunktion, da Inhalte verstärkt nach Reichweite oder Abo-Conversions produziert werden. Gleichzeitig wächst die Belastung der Journalist:innen, die unter ständiger Anspannung multikrisengeprägter Gesellschaften arbeiten, was Auswirkungen auf die Arbeitsqualität hat.
Paul Ronzheimer (Foto oben; Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN), stellvertretender Chefredakteur von BILD, ist hier ein prominentes Beispiel: Mit seinem Podcast „Ronzheimer“ setzt er auf Haltung und fundierte Analysen – und doch wird die journalistische Distanz bei ihm in persönlichen Gesprächen ausgehandelt.
Plattformen wie Steady oder Substack ermöglichen es Creators, ihre Arbeit über Community-Finanzierung unabhängig von Medienhäusern zu sichern. Für viele junge Journalist:innen bieten diese Modelle Freiheit und Planungssicherheit. Dieses neue Ökosystem führt auch zu Diskussionen über Qualitätsstandards, Fehlerkorrektur und Verantwortung – denn nicht alle Creators sind an die journalistischen Regeln klassischer Medien gebunden. Dennoch zeigen viele eine ausgeprägte Fehlerkultur und Transparenz, die durch Community-Feedback befördert wird.
Jeff Zucker, CEO von RedBird IMI und lange Jahre an der Spitze der US-Nachrichtenmarke CNN, empfahl der Creator-Szene, sich in Firmen zusammenzuschließen und nachhaltige Strukturen aufzubauen, um langfristig überleben zu können.
Jeff Zucker (.) im Gespräch mit Torsten Zarges (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Vertrauen, Qualität und Innovation: Zukunft des Journalismus
In einer Zeit von Desinformation und Fake News bleibt Vertrauen eine der wichtigsten Währungen und zugleich größten Herausforderungen. Laut Edelman Trust Barometer liegt der gemessene Vertrauenswert bei nur 44 Prozent und das Problem von Polarisierung und Misstrauen gegenüber Medien nimmt eher zu. Journalistische Qualität und Haltung werden damit zu Schlüsselfaktoren, um die Leserschaft und Zuschauer:innen zu binden.
Technologische Hilfsmittel wie digitale Wasserzeichen oder KI-gestützte Content-Verifizierung bieten neue Möglichkeiten, vertrauenswürdige Inhalte abzusichern und Plagiate zu verhindern. Konstantin Teepe von DXC Technology verweist darauf, wie wichtig es ist, maschinell generierte von menschlich erstellten Inhalten zu unterscheiden, um die Medienmarken zu schützen.
Expert:innen wie Christina Quast betonen zugleich, dass trotz KI und Automatisierung die Qualität der „Prompts“ entscheidend für die inhaltliche Vielfalt bleibt. Ein häufiges KI-Problem sei die Tendenz zu gleichförmigen Antworten, was dem Qualitätsjournalismus weniger Raum lasse. Doch wenn KI den Menschen administrative Lasten abnimmt, könnte das mehr Zeit für kreative Texte schaffen.
Der renommierte US-Medienexperte Jeff Jarvis diagnostizierte bei den #MTM25 die US-Massenmedien als „tot“ und rief zu einem neuen „Relationship-Business“ im Journalismus auf. Medien müssten mehr denn je „Menschen miteinander verbinden“ und so totalitären Tendenzen entgegenwirken.
Jeff Jarvis x #MTM25 (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Junge Zielgruppen und neue Medienwelten
Für den Nachwuchs ist insbesondere das Medienverhalten von Generation Z und Alpha wichtig. Die Studie „Gen Z und Gen Alpha Decoded“ belegt, dass junge Menschen TikTok, Instagram und YouTube nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Informationsquellen nutzen. Lineares Fernsehen oder Printmedien finden für sie nur noch in Nischen statt, etwa im Bereich Sport oder als bewusster Medienausgleich.
Authentizität und Haltung sind dabei zentral: Junge Nutzer:innen erwarten von Medien klare Werte sowie „Hosts“ und „Creators“, mit denen sie sich identifizieren können. Medienunternehmen müssen sich dahingehend wandeln und vor allem diverser werden, um künftig glaubwürdig kommunizieren zu können, wie die Studie der Medien.Bayern-Initiative XPLR: MEDIA in Bavaria ergab.
Die Beziehung zur Zielgruppe wird immer wichtiger als reine Reichweite: Dialog, Feedback und langfristiges Engagement schlagen kurzfristigen Klickzahlen. In Bayern gibt es beispielsweise zahlreiche Ansätze, die diesen Wandel umsetzen – von plattformspezifischem Storytelling bis zu innovativen Audio- und Printformaten.
Partizipativer und Echtzeitjournalismus als Hoffnungsträger
Neue, lokal orientierte Medienangebote setzen mit innovativen journalistischen Ansätzen Zeichen. Der „Echtzeitjournalismus“ etwa, der aktuelle Ereignisse minutenaktuell aufbereitet, liefert eine clevere Antwort auf Nutzerbedürfnisse nach schneller, verlässlicher Information. Hier ist KI ein hilfreicher Faktor.
Es entsteht viel im Lokalen ... (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
Viele dieser Initiativen nutzen vielfältige Finanzierungsmodelle, von Spenden und Fördervereinen über Abos bis hin zu weiteren Einnahmequellen wie Werbung oder Jobbörsen. Beispiele aus Regensburg, Nürnberg und Münster zeigen: Der Schlüssel liegt in einem Journalismus, der Leser:innen aktiv einbindet, sie mitnimmt und so ein Gemeinschaftsgefühl schafft.
Fazit: Herausforderungen annehmen und Zukunft gestalten
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 machten deutlich: Der Journalismus steht an einem Scheideweg. Die globalen und lokalen Veränderungen sind tiefgreifend – technologische Innovationen, veränderte Nutzungsgewohnheiten und gesellschaftspolitische Umbrüche verlangen neue Antworten.
Lokaljournalismus muss gestärkt und modernisiert werden, Personenmarken bringen neue Perspektiven, und Vertrauen entsteht nur durch Qualität und authentische Haltung. KI und digitale Werkzeuge sind Chancen, die nicht nur wirtschaftlich genutzt, sondern auch ethisch verantwortungsvoll eingebettet werden müssen.
Auch wenn die MTM als Konferenz bis zum 21. Oktober 2026 pausieren: Wir bleiben präsent! Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen im Info-Bereich der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog bereit. Bilder für den Download (Quelle: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN) sind in der Mediathek zu finden.
Zudem können zahlreiche MTM-Themen gehört werden: im Podcast "This is Media NOW"Jeff.








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