Seit OpenAI Ende 2022 mit ChatGPT für weltweites Aufsehen gesorgt hat, gehört Künstliche Intelligenz (KI) fest zur Medienlandschaft. Mit weiterentwickelten Modellen wie GPT-5 oder o3-pro stellt sich die Frage: Wird KI klassische Medien und Journalismus revolutionieren – oder beides überflüssig machen? Die Antwort liegt weniger in der Technologie selbst, sondern vielmehr darin, wer sie in Händen hält und wie wir sie nutzen.
Künstliche Intelligenz als Trendsetter folgt zunächst einmal selbst bestimmten Entwicklungen und prägt damit die Medienbranche gleich mit. Ein zentraler Trend zeigt sich in der zunehmend vielseitigen, so genannten multimodalen Form der Angebote, die dank der rasch weiterentwickelten Modelle möglich werden: KI erlaubt es, Inhalte in unterschiedlichen Formaten anzubieten – je nach Bedarf der Nutzer:innen über Text, Audio, Video oder Sprache.
Die Einsatzfelder mehren sich drastisch: automatische Textproduktion, Transkription, Übersetzung, Erstellen von Bildern und Videos, Themenfindung, Personalisierung von News, Trendanalyse, Zusammenfassung von Artikeln, Social Media oder auch Marketing.
Einige Beispiele aus der Praxis:
Generell gilt: Dank KI können etablierte Mediengattungen ihre traditionellen Grenzen überwinden und in bisher fremde Bereiche expandieren. Sie schaffen es, neue Zielgruppen anzusprechen und Inhalte zielgenau auf diese zuzuschneiden.
Einher gehen mit dem Einsatz von KI veränderte Arbeitsprozesse, journalistische Rollen und Kompetenzen. Ob Redaktionen eigens ausgebildete Fachkräfte für so genannte Prompts einstellen sollten, wird diskutiert. Zumal das gezielte Formulieren von Eingaben für KI-Systeme, was Prompt Engineering bedeutet, durch die Weiterentwicklung weitgehend überflüssig geworden ist. Doch ein gewisses Maß an konstruktivem Prompt Engineering sollte Redakteur:innen auf jeden Fall vermittelt werden, um moderne Produktionsweisen umsetzen und mit der rasenden Entwicklung im KI-Ökosystem mithalten zu können.
Medienethik, Transparenz und Qualitätssicherung müssen dabei im Blick bleiben, ebenso wie die Rolle des Menschen im Produktionsprozess. Johannes Sommer, CEO des KI-Spezialisten Retresco, fasst die Ambivalenz im Umgang mit KI in Medienhäusern so zusammen:
Effizienzgewinne und neue kreative Möglichkeiten sind das Eine. Kontrollverlust durch Fake News oder schwere inhaltliche Fehler das Andere; hier sollten Redaktionen mit klaren Richtlinien und Faktenchecks entgegenwirken.
Wird KI klassische Medien und Journalismus revolutionieren – oder beides überflüssig machen? Die eingangs gestellte Frage erhält durch die KI-Suche neue Brisanz. Angetrieben von Neugründungen wie You.com, mit der KI-Forscher Richard Socher den Platzhirschen Google herausfordern will.
Die Antwort der Suchmaschine Nummer eins auf Newcomer wie You.com oder Perplexity ist es, die Schockwellen bei Medienanbietern auslöst: Google verändert die Internetsuche mit neuen Funktionen wie den so genannten AI Overviews, dem AI Mode und personalisierten Kontextangaben. Googles KI namens Gemini spuckt dabei Antworten aus, die direkt oben in den Suchergebnissen erscheinen, ohne dass Nutzer:innen die Originalseiten der Medienhäuser noch aufrufen.
Das führt zu dramatischen Traffic-Verlusten, Klickraten schrumpfen drastisch, die Sichtbarkeit im Netz nimmt massiv ab. Deutsche Websites haben bis zum Frühjahr 18 Prozent ihrer Klicks verloren, international sogar bis zu 35 Prozent. Gleichzeitig werden 89 Prozent der AI-Overview-Inhalte aus Quellen außerhalb der Top-100-Ergebnisse gezogen. Laut einer Studie von SparkToro enden bereits 59,7 Prozent aller Google-Suchen in der EU ohne Klick auf eine externe Website.
Publisher müssen ihre Strategien grundlegend überdenken, die sie zwei Jahrzehnte lang gerade mit Blick auf die Google-Anforderungen und Reichweitenmodelle ausgetüftelt haben. Statt auf Rankings zu setzen, geht es jetzt darum, in KI-Antworten erwähnt zu werden. Der Inhalt muss maschinenlesbar, semantisch verwertbar und für KI-Systeme optimiert werden. Mit unsicherem Ausgang: Medienverantwortliche gehen davon aus, dass "Portale, die auf Reichweite abzielen, tot sind“, wie es Dennis Ballwieser, Chefredakteur im Wort & Bild Verlag, (Apothekenumschau) formuliert.
Google wandelt sich damit von einer Suchmaschine zur Antwortmaschine. Der Tech-Gigant will die gesamte Reise der User im eigenen Ökosystem behalten, mit AI Overviews wird das Google-Ökosystem noch geschlossener.
Für Medienhäuser bedeutet das weniger Sichtbarkeit, sinkende Reichweiten und neue Abhängigkeiten von einer zunehmend geschlossenen Plattform. Ob als Ausgleich eine Abgabe hilft? Zumindest kündigt Schleswig-Holstein eine Bundesrats-Initiative zur Einführung eines "Plattform-Soli" an. Der Norden unterstützt damit den Vorstoß von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, wonach große Online-Plattformen künftig auch zur Finanzierung kultureller Angebote beitragen sollten.
Eine, die diese rücksichtslose Seite der Digitalplattformen gerade im Zusammenhang mit KI beschreibt, ist Karen Hao. In ihrem viel beachteten Buch "Empire of AI" beschreibt die US-Techjournalistin am Beispiel der KI-Schmiede OpenAI, wie sich die Imperien der Künstlichen Intelligenz "die Arbeit von Künstler:innen und Autor:innen; die Daten unzähliger Menschen, die online über ihre Erfahrungen und Beobachtungen berichten" zu eigen machen.
Glaubt man der kritischen Autorin, steht es im KI-Zeitalter nicht allzu gut um Medienschaffende: Ihre Jobs könnten in absehbarer Zeit von Tools aus der Feder von OpenAI ersetzt werden.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 finden vom 22. bis 24. Oktober unter dem Motto WTFuture bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
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