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Medienstaatsvertrag im Stresstest

Geschrieben von Bettina Pregel // BLM | 28. März 2022

Die Relevanz von Suchmaschinen und Social Media für die Meinungsbildung nimmt kontinuierlich zu. Deshalb war eine neue Medienordnung notwendig, die Regeln für diese Medienintermediäre und Plattformen festschreibt.
Seit November 2020 ist der Medienstaatsvertrag in Kraft, mit dem die Länder und die Medienanstalten „regulatorisches Neuland“ betreten haben. Wie die Praxis aussieht und ob das neue Recht greift, thematisierte das
DLM-Symposium 2022 in Berlin.

 

Mit dem Medienstaatsvertrag und seinen Regulierungsvorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt haben die Länder eine Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union übernommen. Während die EU-Kommission noch versucht, den Digital Services Act auf den Weg zu bringen, befinden sich die gesetzlichen Vorgaben zur Regulierung der Medienintermediäre in Deutschland bereits im Stresstest. Die rechtlichen Grundlagen sind mit dem Staatsvertrag und den konkretisierenden Satzungen der Medienanstalten gelegt.

„Jetzt beginnt der echte Test“, betonte Dr. Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), zum Auftakt des Symposiums am 23. März in der Berliner Vertretung des Landes Baden-Württemberg. „Der Medienstaatsvertrag hat sich bisher als zukunftsfähiges Instrument zur Sicherung von Vielfalt durch neue Vorgaben für mehr Transparenz und zur Zugangs- und Diskriminierungsfreiheit bewährt.“ Ein Kernelement sei angesichts des veränderten Mediennutzungsverhaltens die Intermediärs-Regulierung.

Doch was bedeutet der Begriff Medienintermediär überhaupt?

Laut der Satzung zur Regulierung von Medienintermediären werden damit Dienste wie Suchmaschinen (Google), soziale Netzwerke (Facebook) oder Videoportale (YouTube) bezeichnet, deren Medieninhalte in der Regel von ihren Nutzer:innen erstellt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie journalistisch-redaktionelle Angebote aggregieren, selektieren und allgemein zugänglich präsentieren. Die überwiegend ausländischen Anbieter von Interme­diären müssen einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen.

 

Wer ist wofür verantwortlich?

Verantwortlich für die Aufsicht ist dann die Medienanstalt desjenigen Bundeslandes, in dem der „Zustellungsbevollmächtigte“ seinen Sitz hat. So beaufsichtigt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) zum Beispiel die Dienste der Anbieter Amazon (Alexa), Apple (App Store), Microsoft (Suchmaschine Bing), LinkedIn, Twitch, Twitter und Yahoo. Für die Dienste des Google-Konzerns ist die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) zuständig.

Mit der algorithmengesteuerten Aggregation und Selektion von Inhalten übernehmen die Intermediäre eine Gatekeeper-Funktion, die früher den klassischen journalistischen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen vorbehalten war.

Wie frei ist die Meinungsbildung also noch, wenn Unternehmen wie Meta oder Google darüber entscheiden, wer welche Nachrichten zu sehen bekommt?

Die Medienanstalten setzen bei der Intermediärs- und Plattform-Regulierung zunächst auf kontinuierlichen Dialog. Maßgabe für die Praxis ist laut Kreißig ein „niederschwelliger Ansatz“: „Wir wollen der Branche Hilfestellungen geben und sensibilisieren.“

Mit der neuen Medienordnung haben die Länder und die Medienanstalten „regulatorisches Neuland“ betreten. Ein treffendes Bild dafür fand der Hamburger Senator für Kultur und Medien, Dr. Carsten Brosda, im Gespräch mit Moderator Torben Klausa: Mit dem Medienstaatsvertrag gingen die Länder „die ersten Schritte auf einem zugefrorenen See, bei dem man noch nicht weiß, ob das Eis trägt. Aber man tastet sich vor.“

 

„Noch mehr für Transparenz tun“

Wie das Vortasten in der Prüfpraxis für die Intermediäre aussieht, erklärten BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege (Foto oben) und MA HSH-Direktorin Eva-Maria Sommer. Die Transparenz-Vorgabe beinhaltet laut Schmiege vor allem Informationspflichten gegenüber den Nutzer:innen. So müssten die zentralen Kriterien, nach denen Inhalte aggregiert, selektiert und präsentiert ­werden, gut nachvollziehbar sein.

Das Ergebnis eines ersten Transparenzmonitorings der Medienanstalten: „Alle Intermediäre müssen noch mehr für Transparenz tun.“ Es gebe niemanden, der nichts gemacht hätte, aber auch niemanden, der die Vorgaben zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hätte.

Transparenz ist also geboten, Diskriminierung verboten: Medienintermediäre dürfen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote nicht diskriminieren. Dies gilt jedoch nur, wenn sie besonders hohen Einfluss auf deren Wahrnehmbarkeit haben.

Der Einfluss wird laut Satzung vor allem anhand von Daten wie Nutzungsreichweite, Nutzerzahlen, Verweildauer und Aktivität der Nutzer oder Anzahl der Views je Nutzer ermittelt.

 

Vorreiterrolle von Deutschland bei der Medienregulierung

Was die Transparenz anginge, so die Public Policy-Managerin bei Meta, Marie-Teresa Weber, sei in den letzten Jahren mit Blick auf die Informationen für Inhalteanbieter und Nutzende doch schon sehr viel passiert, beispielsweise mit Hilfe- und Transparency-Centern auf Facebook.

Nicht nur sie, sondern auch ihr Kollege Michael Neuber (Google Germany) und Claus Grewenig (RTL Deutschland) sehen den Medienstaatsvertrag ein Stück weit als Pionierleistung, was Intermediäre, Plattformen und die Anreizregulierung in puncto Public Value angeht. Deutschland könnte damit in seiner Vorreiterrolle auch inspirierend auf den Digital Services Act (DSA) der Europäischen Kommission wirken.

Bei der Vereinbarkeit von nationalem und europäischem Recht in puncto digitale Medienordnung gibt es offenbar noch Luft nach oben. „Eine passgenaue Regulierung von global agierenden Anbietern gelingt am besten durch ein kluges Zusammenspiel von europäischem und nationalem Recht“, hatte schon Mediensenator Brosda zu Beginn des Symposiums betont.

DLM-Vorsitzender Kreißig forderte mit Blick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Staatsferne des Rundfunks: „In den anstehenden Diskussionen um den Digital Services Act (DSA) und den European Media Freedom Act (EMFA) sollte die explizite Aufnahme des Staatsfernegebots für Rundfunk auch auf europäischer Ebene angedacht werden.“

Einigkeit herrschte jedenfalls beim Schlusspanel des #DLMsymp22: Die Regulierung von Medienfreiheit und -vielfalt ist auf Ebene der Bundesländer bestens aufgehoben.

 

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