In weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft ist Sustainability längst in Unternehmensgrundsätzen verankert. Dennoch dürfte nachhaltiges Arbeiten dieses Jahr in den Prioritätenlisten nach unten gerutscht sein: Laut einer aktuellen Horváth-Studie wollen viele Unternehmen die Vorgaben abschwächen, um enorme Preissteigerungen kompensieren zu können. Ein Dilemma, bei dem der Blick nach vorne Abhilfe schaffen kann: Im Rahmen der Medientage München 2022 wurde deutlich, dass gerade Energie-intensive Medienangebote mit nachhaltigerer Produktion günstiger werden.
Für die deutsche Wirtschaft gilt: Die Bewältigung der Rohstoff- und Energiekrise steht über allen strategischen Themen und bremst den Wandel hin zur nachhaltigeren Produktion aus. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der von der Managementberatung Horváth befragten Unternehmen sprechen sich für eine temporäre Lockerung von Nachhaltigkeitsvorgaben aus. Es gelte, die massiven Preissteigerungen bewältigen und die Versorgungssicherheit aufrechterhalten zu können, heißt es in der Analyse.
Im Gegenzug sollen Produkte und Dienstleistungen aus Europa wieder Vorrang bekommen, heißt es da. 80 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich eine lokale Kreislaufwirtschaft etablieren wird, die einen großen Beitrag zur CO2-Reduktion und Abfallvermeidung beitragen könnte. Fazit: Die Rückbesinnung aufs Lokale gilt vielen als Chance für mehr Nachhaltigkeit.
Zumindest für die Bewegtbildbranche gilt: Die Nachhaltigkeit liegt nicht auf Eis. Im Gegenteil – bei Film-, Serien- oder auch Sport-Highlights ist der neue Standard „grün“. Dem Dilemma der Rohstoff- und Energiekrise begegnet die Branche mit dem Ausblick auf Kosteneinsparungen, wie bei einer Veranstaltung im Rahmen der Medientage München 2022 deutlich wurde. Mit klimafreundlichem Produzieren würde sich auch Geld sparen lassen, lautete der Tenor der Expert:innenrunde.
Große Posten wie Energie, Treibstoff, Müll und Catering ließen sich durch einfache Schritte reduzieren. Charly Classen, Sportchef von Sky Deutschland, dem Mitveranstalter der Diskussionsrunde, nannte ein konkretes Beispiel: Während man früher für Sky Sport drei bis vier News-Reporter mit einem Ü-Wagen losgeschickt habe, ziehe nun ein einziger Reporter mit einem iPhone los, der häufig sogar auch näher ans Geschehen herankomme.
Was allerdings moderne Technologien und Tools angehe, sei die Anschaffung, beispielsweise von LED-Leuchten, anfangs teuer. „Über Zeit gesehen zahlen sich die Investitionen aber aus“, erklärte Sarah Jeschner (Foto oben). Sie betreut bei RTL Deutschland das Thema Green Productions.
Auch wenn zunächst Geld investiert werden muss: Die Zahlen der Emissionen sprechen laut Philip Gassmann, Experte im Bereich Green Film, eine eindeutige Sprache. Die Film- und Fernsehindustrie – Produktion plus Konsumenten – würden mehr CO2 als die gesamte Luftfahrt emittieren. Allein ein 90-minütiger Film verursacht laut Gassmann eine Emission von 100 Tonnen CO2. Inzwischen gebe es viele Anstrengungen, auch bei der Herstellung bewegter Bilder auf den Umweltschutz und die Klimabilanz zu achten.
Zahlreiche Sender und Produktionsfirmen hätten eigene Nachhaltigkeits-Initiativen aufgesetzt oder engagieren sich im bundesweiten Arbeitskreis Green Shooting, so Classen. Sky hat sich bereits vor Jahren dem Thema „grüner Drehen“ verschrieben: zunächst im Bereich Fiction, jetzt auch im Bereich Sport. Sky produziert seit Sommer alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga klimaneutral.
„Wir sind eine große Branche, wir können viel bewegen“, sagte Classen. Ein Beispiel: Sky lässt seine Mitarbeiter:innen beispielsweise nur noch in Hotels übernachten, die sich auf einer so genannten Grünen Hotelliste finden. Ein Berliner Hotel habe bei Sky nachgefragt, warum es nicht mehr gebucht werde. „Die haben unsere Beweggründe verstanden und einiges umgestellt, um auf die Liste zu gelangen. Jetzt buchen wir dort wieder“, erklärte der Sportmanager des Pay-TV-Anbieters. Zum anderen setze Sky Deutschland auf Green Storytelling, um für das Thema zu sensibilisieren, und befolge bestimmte Einkaufsrichtlinien. So buche Sky nur noch Studios, die mit Ökostrom betrieben werden.
Es finde in der Branche ein generelles Umdenken statt, bestätigte Sarah Jeschner. RTL unterscheide drei Kategorien im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit:
Noch einen Schritt weiter geht eine neue Initiative aus Bayern: Für den Nachhaltigkeitspakt Medien Bayern bedeutet Nachhaltigkeit in all seinen Dimensionen weitaus mehr als „green production“. Es heiße vor allem, publizistische Verantwortung wahrzunehmen, wie es in den Leitlinien des Paktes heißt, der bei den #MTM22 vorgestellt worden ist. Impulsgeberin und Koordinatorin des Paktes ist die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), Schirmherrin ist die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Zu den Gründungspartnern zählen unter anderem Vodafone, ProSiebenSat.1 oder auch das Jugendradio egoFM.
Aigner nannte den Nachhaltigkeitspakt Medien Bayern „ein Bekenntnis zu gesellschaftlicher Verantwortung. Denn Medien transportieren Informationen, Haltungen und Werte vor allem über journalistische Inhalte“. BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege ergänzte, dass gerade auch kleinere Medienunternehmen dazu animiert werden sollen, „Grundsätze nachhaltigen Managements im unternehmerischen Handeln zu verankern“. Der Pakt steht neuen Partnern jederzeit offen.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
Die aktuelle Ausgabe 95 geht auf die Debatten um mehr Nachhaltigkeit im Rahmen der #MTM22 ein.