„Die Lust am Hören ist gewachsen!“ Das ist die allgemeingültige Basis, auf der Expert:innen im Rahmen des diesjährigen Audio-Gipfels der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutieren. Mit dabei: der „Elefant im Raum“, wie Moderator Andrea Horchler den Streamer Spotify vorstellt, Anbieter wie RTL Radio Deutschland, Deutschlandradio und Klassik Radio sowie die Podcast-Adressen Julep sowie ProSIebenSat.1.
Alle Ohren richten sich derzeit auf Spotify. Beim Streaming-Anbieter mit skandinavischen Wurzeln sind die Veränderungen im vergangenen halben Jahr immens. Seither ist Michael Krause Europa-Chef der Marke, ein Manager, dessen Team neuerdings dank agiler Arbeit überall verteilt auf Europa wirkt. Spotify wandle sich gerade von der Multi-Musik-Abspielstation hin zu einer „großen offenen Audioplattform“. Viele Originals seien gestartet und so das Projekt Podcast erweitert, erste Video-Podcasts erfolgreich hinzugefügt worden, „ganz spannende neue Themen“, findet Krause.
Was führen die im Schilde, fragt Audio-Profi und Audio-Gipfel Moderator Andreas Horchler stellvertretend für den Radiomarkt? Als Freund dieser Branche will sich Krause präsentieren, man arbeite viel mit Radio zusammen und habe alle großen öffentlich-rechtlichen Stationen im Programm. Michael Krause will sich nicht als Mitbewerber bezeichnen: „Wir sehen uns vielmehr als Browser für Audio.“ Man sehe daher noch viele Chancen für private wie öffentlich-rechtliche Anbieter, diese „Plattform zu den Hörer:innen“ zu nutzen. Und das Publikum ist groß bei Spotify; 381 Millionen aktive „Kund:innen“ zählt der Streamer weltweit.
Durchaus. Deren Produktionen füllen derzeit thematisch Lücken, die nicht besetzt sind. Dazu zählen etwa Beiträge zu Diversity oder Nachhaltigkeit.
„Da arbeiten wir gerne mit Journalist:innen zusammen, die Ahnung haben“, erklärt Krause. Oft aus dem Radio, aber auch aus Print. Man pflege mit den klassischen Medienanbietern eine „sehr gute Zusammenarbeit“ auf Inhalte-Ebene, so der Spotify-Manager.
Jona Teichmann, Programmdirektorin Deutschlandradio, begrüßt die offenen Tore von Spotify, um mit dem öffentlichen-rechtlichen Auftrag dorthin gehen zu können, „wo die Hörer:innen sind“. Für kommerzielle Audiohäuser spricht stellvertretend Dr. Nina Gerhardt, Geschäftsführerin von RTL Radio Deutschland; man sei da eher in der Konkurrenzsituation. Doch auch für die Privatfunkbranche gilt: Man sei bei all dem Wandel im auf der Suche, „um die relevanten Inhalte auch auf neuen Plattformen zu spielen“. Und hier kommt laut Gerhardt Spotify als Plattform ins Spiel. Die Managerin hebt den USP der „Klassiker“ aus der Radiobranche hervor“:
Live wird noch eine ganze Weile relevant sein - und wir haben die Regionalität im Rücken.
Dr. Nina Gerhardt, RTL Radio Deutschland
Richard Goerlich, Chef bei Klassik Radio, hält nicht jeden Audio-Trend für sinnvoll für seine Marke. Digitale Angebote in der Nische wie etwa die neue bundesweite und englischsprachige DAB+-Welle Klassik Radio Beats stehen im Fokus, zudem Angebote, mit denen die Bezahlschranke hochgefahren werden könne. Beim Podcast setzt er Fragezeichen: „Das ist eine Frage der Ressourcen. Wir konzentrieren unsere Kraft lieber auf gut gemachte Musikangebote aus der Nische. Wir wollen so unser Publikum behalten beziehungsweise finden.“
„Wir Radiomacher müsse mehr Mut beweisen, das ist klar“, appelliert der Klassik-Radio-Macher an die Gattung. Und fügt hinzu: „Für Radio ist es ein Geschenk, dass Spotífy am Himmel erschienen ist. Das hat uns einen Ruck gegeben, wir können alle froh und dankbar sein, dass wir ein Teil des Spiels sind“, so Goerlich.
Bedingt, meint Jona Teichmann. Die Deutschlandradio-Programmchefin macht klar: „Inhalte sind relevant, das wollen die Leute. Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren – das gilt auch für den Audiomarkt“, gibt sie als Losung aus. Doch: Radiomarkt und Audiomarkt funktionieren aus ihrer Sicht unterschiedlich. Punkten will der öffentlich-rechtliche Anbieter hier wie da mit seinen Fachredaktionen, „wir sind sehr gut bei Hörspielen und künstlerischen Feature“, so Teichmann. Dort müsse der Sender investieren, sagt Jona Teichmann unter Hinweis auf die Hörer:innenbindung. Spotify-Europa-Chef bestätigt: „Deutschland ist ein starker Hörspielmarkt. Kompetenzen in diesem Bereich, wie Deutschlandradio sie mitbringt, werden gebraucht.“
Wichtig ist Teichmann, dass man heute über unterschiedliche Arten von Hör:innen spricht. Ihr Sender will in den kommenden Monaten verstärkt analysieren, in welche Richtungen investiert und gearbeitet werden muss. „Das Hören über Kopfhörer ist intimer als das Radio im Badezimmer“, erklärt die Programmdirektorin. „Im digitalen Markt entscheide ich als Hörer:in, was relevant ist. Das müssen wir Radiomacher:innen noch lernen.“ Eben „The Best way to present the stuff“, wie es die New York Times mit ihrer wachsenden Zahl an Audio-Angeboten inzwischen vorlebe. Jona Teichmann:
„Audio ist nicht erfolgreich wegen der Plattform, sondern wegen des Inhalts und der Machart.“
Jona Teichmann, DLR
Spotify-Manager Krause rät indes im Rahmen des Audio-Gipfels, die Radio-Personalities zu stärken, um darüber die Relevanz bei Zielgruppen zu schaffen. Er verweist darüber hinaus auf die Relevanz im Hörmarkt, die inzwischen Printmarken mit ihren Audio-Angeboten geschaffen haben. Auch mit ihnen will Spotify noch stärker partnern.
Smartphones, Smart Speaker, neue Auto-Entertainment-Systeme – Radio wird heute einfach überall und über alle Devices konsumiert.
Vor diesem Hintergrund stuft die im Privatfunk-Verband VAUNET engagierte Dr. Nina Gerhardt einen „Geleitschutz“ für lineare Ausspielwege als Notwendigkeit ein, „um Zugang und Auffindbarkeit“ der klassischen Anbieter zu gewährlisten. Vor allem wenn es um die wachsende Bedeutung von Alexa und Co. geht. „Darin liegt eine große Zukunft.“
Für das Team von Michael Krause spielt das Thema Vermarktung in der vor allem über Abos finanzierten Spotify-Welt „eine immer größere Rolle“. Externen Podcastern stünden seit diesem Jahr die neuen Möglichkeiten im Plattform-eigenen Sales-Ökosystem zur Verfügung. Doch „Kunden und Creator“ sollen bei Spotify weiter an erster Stelle stehen, Sales und Refinanzierung seien bislang etwas zweitrangig. Krause zeigt sich zuversichtlich: „Die Umsätze kommen dann mit der Nutzung.“
Viel Ehrgeiz bei der Refinanzierung der neuen digitalen Audio-Inhalte demonstrieren unterdessen die deutschen Anbieter. Katharina Frömsdorf, Audio-Verantwortliche von ProSiebenSat.1, beschwört die positive Erfahrung mit Personality-Podcasts aus dem eigenen Reich und den Einsatz nativer Podcast-Werbung. Mit einer hauseigenen Studie hat sie kürzlich belegt: „Eine von einem beliebten Moderator gesprochene Werbebotschaft kommt einfach besser an.“
Warum dann das Aus der „Content-Schmiede“ FYEO aus dem Haus ProSiebenSat.1? Für Frömsdorf ein logischer Schritt in einer Zwei-Säulen-Strategie aus Plattformbetrieb und Sales. Den „sehr kompetitiven“ Markt der Plattformen hat der Konzern „mit dem sehr spitzen Angebot“ dieses Jahr verlassen, um sich ganz auf den florierenden Part der Podcast-Vermarktung zu konzentrieren. Die FYEO-Inhalte leben indes bei Podimo weiter.
Für den Werbemarkt prognostiziert Steffen Hopf, CEO des Podcast-Marktplatzes Julep, goldene Zeiten: In zwei bis drei Jahren würde sich die Gattung „auf Augenhöhe mit dem linearen Audiomarkt bewegen“, ist sich der Manager sicher. Noch befinde sich der Markt in einer frühen Phase der Monetarisierung. Nun gehe es durchaus um gemeinsame Standards, die es der Werbebranche ermöglichen, mit Podcasts planen zu können. „Die Branche braucht verlässliche Reichweiten, die wir reporten und ausliefern können.“ Julep unterstütze die Pläne für eine mögliche „Media Analyse Podcast“, verweist aber auf den bereits jetzt gültigen und internationalen IAB-Standard. Nicht nur die AdServer-Messung im Nachgang sei wichtig, so Hopf.
Die hybriden MEDIENTAGE MÜNCHEN 2021 stehen unter dem Motto "New Perspectives". Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf.
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