Das Wachstum bei Podcasts kennt kein Ende. Gerade prognostiziert der Activate Tech & Media Outlook 2023 dem Hörgenre, dass es bis 2026 das am stärksten wachsende Medienangebot nach Nutzungszahlen sein wird. Ähnliches beschreibt der Global Podcast Listener Forecast 2022–2026. Mit diesen Aussichten lässt sich auch viel Werbe-Fantasie entwickeln.
Doch wer hört überhaupt Podcasts, wie sehen die Zielgruppen aus? Ein Thema des Audio Tracks im Rahmen der Medientage München 2022.
Jünger, gut gebildet, hohes Einkommen, eher männlich: Diverse Studien zeichnen ein ähnliches Bild des durchschnittlichen Podcast-Fans. Aktuell skizziert die Gattungsinitiative Radiozentrale mit Sitz in Berlin die wichtigsten Zielgruppen in der Reihe „World of Audio“, zu denen auch die Podcast-Fans zählen:
Dennoch können User nicht als einheitliche Medien-Zielgruppe zusammengefasst werden. Zu diesem Schluss kommt Audiokenner Martin Liss. Als Managing Partner des Unternehmens podcast 360 identifizierte er mit Präsentation einer Gattungsstudie im Rahmen der #MTM22 vielmehr sieben verschiedene Persona-Profile von Rezipient:innen, die Podcasts regelmäßig nutzen.
Beispielsweise seien die „Old Lazy Shorties“ im Alter von 50 Jahren und aufwärts „kritische Geister“, die Podcasts gezielt nach ihren Interessen suchten. Werbung, so die Studie, lehne diese Zielgruppe ab. Mit fünf Euro sei ihre Zahlungsbereitschaft eher gering, hob Martin Liss hervor.
„Die Kunst ist, eine Gruppe möglichst gut zu bespielen, nicht alle gleichermaßen.“
Martin Liss, podcast 360
1000 Podcast-Nutzer:innen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren wurden dabei nach ihrem Hör- und Nutzungsverhalten gefragt. Insgesamt sieben Personas wurden identifiziert, von "Heavy Usern" über "Gossip Girls" bis zu "Elder Shorties" geclustert.
Im Schnitt sind User 40 Jahre alt, vor allem via YouTube und Spotify werden die Angebote abgerufen. Mit 33 Minuten wird die ideale Podcast-Länge angegeben. Gehört wird überwiegend daheim (61 Prozent) und im Auto (47 Prozent). Nur 41 Prozent wollen keine Werbung.
Die eigentliche Herausforderung sei es, die unerschlossene Masse der Bevölkerung für das „Gebildeten-Medium“ zu begeistern, betonte Martin Liss. Den Anbietern riet er Folgendes:
Daneben gibt die aktuelle ARD/ZDF-Onlinestudie 2022 Aufschluss übers Podcast-Publikum; das Werk hält generell starke Zuwächse bei der Audionutzung im Internet fest. Non-lineare Hörangebote wie Musik-Streamingdienste und oder Mediatheken sind demnach weiter auf dem Vormarsch und werden von immer mehr Menschen genutzt, am intensivsten in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen.
„Von dieser Entwicklung profitieren auch zahlreiche Podcasts, deren Erfolg durch vielfältige Nutzungsmotive verdeutlicht wird“, heißt es da.
Drei Viertel der Podcast-Nutzenden nennen dem Werk zufolge Nutzungsmotive, die das Informationsbedürfnis betreffen (Hintergrundberichte zu speziellen Themen, etwas lernen, über das aktuelle Zeitgeschehen informieren).
„Unterhaltung und Entspannung spielen hier eine nachgeordnete Rolle. Das Verfolgen von Prominenten, Stars und Influencern gehört nicht zu den zentralen Nutzungsmotiven von Podcasts“, heißt es (Übersicht zu Nutzungsmotiven auf Seite 485).
Glaubt man aktuellen globalen Analysen zu Medientrends wie Activate Tech & Media Outlook 2023, dann lohnt es auf jeden Fall, in Podcast und in die Erforschung der Zielgruppen zu investieren. Bis 2026 wird dem Podcast weiterhin steiles Wachstum attestiert.
Der Global Podcast Listener Forecast 2022–2026 fasst die Wachstumsraten in den verschiedenen Regionen der Welt in einer Grafik zusammen:
Über Wachstumspotenziale für Podcasts hat Martin Liss am Rande der Konferenz in München auch mit dem BR gesprochen. Hier das Interview:
Kein Wunder, dass Platzhirsche im Netzgeschäft wie Spotify auch die Vermarktung von Podcast-Werbeumfeldern forcieren. Zur Refinanzierung neben einem Abomodell wird Werbung immer wichtiger, zumal auch die Notwendigkeit von Hörangeboten bei den überbordenden Kosten für Abruf-Medieninhalte in vielen Haushalten zunehmend hinterfragt werden.
Aktuell hältt Nielsen Media in der halbjährlichen Nutzungsanalyse fest, dass bei steigendem Drang hin zum Streamen von Video und Audio das Bezahlen ein heikles Thema bleibt. Mehr als die Hälfte der Befragten wollen demnach fürs Hör-Abo weniger als zehn Euro pro Monat ausgeben. Die Studie von podcast 360 hat ein Maximum von elf Euro ausgegeben.
Hinzu kommt: Auch die Werbebranche will dorthin, wo sich ihre Zielgruppen aufhalten. Was unweigerlich ins Netz führt …
Um bei Spotify zu bleiben: Der digitale Audio-Riese legt gerade werblich noch eins drauf. Unabhängig von bestehenden deutschen Vermarktern und den Daten der neuen ma podcast baut der Audio-Streaming-Anbieter sein Sales-Team aus, das mit dem eigenen Reporting Tool Podsights Daten für Werbekunden und damit auch den Werbemarktplatz Spotify Audience Network (SPAN) füttert. Er wird seit Anfang Oktober auch in Deutschland aufgebaut.
Fernab der digitalen Riesen gibt es weitere Lösungen, um für Werbungtreibende das Podcast-Angebot aufzufächern. Sven Rühlicke, CEO & Co-Founder der Audio-Agentur Wake Word, will hier beispielsweise mit dem Podcast-Analytics- und Planning-Tool Podius Abhilfe schaffen.
Da Podius umfassende Podcast-Daten von rund 80.000 deutschsprachigen Formaten analysiere, habe sich herausgestellt, dass es nur 134 „aktive Formate“ gebe, „die innerhalb von 30 Tagen eine neue Folge einer Serie produziert haben“, berichtete Rühlicke bei den Medientagen München. Diese „Einengung des Content-Marktes“ helfe Mediaagenturen und Vermarktern, mit übersichtlichen Analysen Programminhalte zu planen und effizienter zu gestalten.
Das Werbeumfeld Podcast dürfte immer mehr spannende und neue Facetten hervorbringen. Überzeugungstäter gibt es en Masse, auch aus anderen Mediengattungen oder um auf gefragten Wegen wichtigen Themen Gehör zu verschaffen. Selbst fürs Recruiting wird der Podcast inzwischen genutzt. Alles in allem klingt die Zukunft
Zu den „Botschafter:innen“ des Podcasts zählt sicher auch Micky Beisenherz, der voller Überzeugung fürs Medium nach seinem Auftritt bei der Medientage-Konferenz vor die Mikrofone der BR-Medienredaktion trat:
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können passenderweise auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.