"Noch längst keine Parität in den Medien": Zu diesem Schluss kommt ProQuote Medien für das Jahr 2023. Nur ein deutsches Phänomen? Mitnichten. In der Schweiz gehen diese Woche Redakteurinnen auf die Straße und stehen beim "Medienfrauenstreik" für mehr Rechte ein. Eine Veranstaltung der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wird sich im Rahmen der Lokalrundfunktage 2023 in Nürnberg speziell mit den Chancen von Frauen im lokalen Rundfunk auseinandersetzen.
Am Mittwoch leuchtet die Schweiz violett. Dann gehen Frauen landesweit auf die Straße und treten beim feministischen Streik, der an den Start der gesetzlich verankerten Gleichberechtigung von Frau und Mann am 14. Juni 1981 erinnern soll, für ihre Rechte ein.
Während dabei allgemein Lohngleichheit gefordert wird, richtet sich der „Medienfrauenstreik“ im Speziellen an die Schweizer Medien als Arbeitgeber. Fünf Punkte stehen im Kern auf der Liste der Mitarbeiterinnen:
Ihre „Medienwissen“ haben die Streikenden im Vorfeld eingesetzt und eine Social-Media-Kampagne lanciert. Unter dem Label „Medienfrauenstreik“ richtete das Kernteam der Initiative dabei via Twitter direkt Fragen an Chefredakteur:innen von Schweizer Medien:
Einige der Angesprochenen haben reagiert. Sie verweisen unter anderem auf die Fortschritte, die in den zurückliegenden Jahren bereits erzielt wurden. Ein Umstand, den auch die Medienfrauen auf ihrer Webseite hervorstellen: "In den vier Jahren seit dem Medienfrauenstreik 2019 trugen sich auch einige gesellschaftliche Großereignisse zu, welche Frauen und ihre Anliegen verstärkt in den Fokus rückten", heißt es da.
So hat unter anderem der Medienkonzern Ringier die Gleichstellungsinitiative EqualVoice ins Leben gerufen – mit spürbaren Auswirkungen auf das Management und die Berichterstattung. Noch bleibe aber viel zu tun, meinen die Schweizerinnen: "Mehr Frauen in den Führungsetagen reichen nicht aus, wenn kein nachhaltiger, feministischer Kulturwandel stattfindet", so die Medienfrauen.
Nehmen wir den deutschen Markt; hierzulande hat es sich der gemeinnützige Verein ProQuote Medien seit 2012 zur Aufgabe gemacht, die Gleichstellung in Verlagen und Sendern zu forcieren. Regelmäßige Studien sollen die Veränderungen dokumentieren.
Das Fazit für dieses Jahr lautet ähnlich wie jenes der Schweizer Medienfrauen: Es hat sich einiges getan, doch es reicht noch lange nicht. Die Übersicht im Tweet:
Den Frauenmachtanteil nach Printgattungen hatte der Verein vor zwei Jahren erstmals durchleuchtet. Das Ergebnis war vor allem für die Presse vor Ort niederschmetternd. In Redaktionen lokaler und regionaler Zeitungen entschieden damals zu 90 Prozent männliche Führungskräfte darüber, was wichtig ist und was die Leserschaft vorgesetzt bekommt.
Damit hatte sich laut der 2021 erstmals qualitativen Erhebung von ProQuote Medien seit 2018 kaum etwas verändert. Der "Frauenmachtanteil" war laut der Analyse „Männerdomäne Regionalpresse: Wo bleiben die Führungsfrauen?“ im Vergleich zu anderen Mediengattungen weiterhin in der Lokalpresse am niedrigsten.
Die diesjährige ProQuote-Studie zu Zeitungen und Online-Medien bestätigt, dass sich überregionale Leitmedien bei der redaktionellen Gleichstellung offenbar leichter tun als regionale oder lokale Zeitungen. Hier sind "die weiblichen Machtanteile in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen", bilanzierte ProQuote zum Jahresstart – von 13,7 Prozent bei der ersten Zählung im Jahr 2012 auf aktuell 38,9 Prozent.
Ganz vorn liegt demnach die taz mit drei Chefredakteurinnen und einem Anteil von 64,2 Prozent, der letzte Platz geht an die FAZ mit 23,9 Prozent. Im aktuell vierköpfigen "Herausgebergremium" der Frankfurter, das einer Chefredaktion entspricht, saß noch nie eine Frau.
Dieser Frage geht eine Veranstaltung der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen der Nürnberger Lokalrundfunktage am 4. Juli nach.
Die These lautet: Beim Rundfunk sei der Frauenanteil in den Redaktionen hoch. Seit über 30 Jahren würden mehr Journalistinnen ausgebildet als Journalisten. Bei den Sendern sei die Zahl der Volontärinnen höher als die ihrer männlichen Kollegen. Doch auf den zweiten Blick ergibt sich ein anderes Bild für Frauen bei Radio und TV: "Wenn es dann die Karriereleiter weiter hoch geht, werden es noch viel, viel weniger. Und zum Schluss entscheiden in den Chefetagen weiterhin die Chefs – und da sind die weiblichen nicht mit gemeint. Gleichberechtigung in den Sendern sieht meist so aus: Viele Frauen machen Medien, Sendeleitung machen wenige Männer", so Die Grünen.
Es müsse sich also doch noch etwas ändern, „damit die gläserne Decke endlich zur gläsernen Treppe wird – mit transparenten Aufstiegsmöglichkeiten“. Gemeinsam mit Medienmacherinnen und Medienentscheiderinnen wie Moderatorin Jacqueline Belle oder Audiomanagerin Valerie Weber soll in Nürnberg diskutiert werden, was da auf dem Weg von der Ausbildung, über den Berufseinstieg und -aufstieg geschieht und warum top ausgebildete und passionierte Medienmacherinnen viel seltener die Chefinnen von morgen werden. Und: Was macht diese Rollenaufteilung mit der Medienlandschaft und dem Programm?
Die LOKALRUNDFUNKTAGE finden in diesem Jahr am 4. und 5. Juli statt!
Der deutschlandweit größte Branchentreff für den lokalen und regionalen Rundfunk vereint im modernisierten NCC Mitte der NürnbergMesse Konferenz und Ausstellung. Die eineinhalbtägige Veranstaltung stellt ein Forum für Meinungsaustausch, Zukunftsvisionen und Lösungsansätze dar. Das Programm der #LRFT23 umfasst Workshops, Diskussionsrunden und Vorträge von nationalen und internationalen Referent:innen. Die Workshops informieren über Neuigkeiten der lokalen Radio- und TV-Branche, stellen Innovationen für Programm- und Marketingstrategien vor und ermöglichen Diskussionen über drängende Fragen des Rundfunkmarktes.
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