Ringiers EqualVoice-Initiative soll seit rund zwei Jahren die Sichtbarkeit von Frauen in Medien wie Blick, Handelszeitung oder auch Bilanz erhöhen. Ein inhouse entwickelter, semantischer Algorithmus hilft den Schweizern dabei, Frauen wie Männern in der Berichterstattung die gleiche Stimme zu geben. Jetzt zieht das Medienhaus eine positive Bilanz.
"Besonders Medien prägen das gesellschaftliche Miteinander. Gerade für zukünftige Generationen wollen wir doch ein anderes Bild haben, ein diverses", begründete Ringiers CFO Annabella Bassler (Foto) im Frühjahr 2021 im Gespräch mit dem Blog der Medientage München den Einsatz des EqualVoice Factors. Sie ist Initiatorin dieses Projekts, das mit künstlicher Intelligenz misst, wie oft Frauen in den Artikeln der Ringier-Medien zu Wort kommen. Ein Algorithmus checkt dabei die Verteilung nach Geschlecht in Blick, Beobachter, Bilanz, cash, Handelszeitung, GaultMillau und der Schweizer Illustrierten.
Fest steht jetzt: Mit EqualVoice kommen tatsächlich mehr Frauen zu Wort – und sie sind sichtbarer.
Für den Factor werden zwei Kennziffern erhoben: Der Teaser Score wertet die Sichtbarkeit von Frauen in Bildern, Headlines und Titeln aus. Der Body Score zeigt, wie oft Frauen und Männer im Artikeltext genannt werden. Die Zahlen für das Jahr 2021 zeigen, dass die Sichtbarkeit von Frauen gesteigert oder ein bereits hohes Level gehalten werden konnte.
Basslers Bilanz lautet:
Seit Messbeginn steigert sich cash um 64, die Handelszeitung um 45 und GaultMillau um 37 Prozent im Teaser Score, und beim Body Score legt die Handelszeitung 49, die Bilanz 46 und GaultMillau 19 Prozent zu.
Der Teaser Score über alle untersuchten Medientitel bewegt sich Ringier zufolge zwischen 22 (Bilanz) und 61 Prozent (Schweizer Illustrierte). Die Body Scores über alle untersuchten Titel hinweg rangieren 2021 zwischen 22,6 und 54.8 Prozent. Für beide Maßeinheiten gilt: Die Spannbreite zwischen Minimum und Maximum hat sich reduziert, die jeweils unteren Werte haben sich gegenüber 2020 verbessert.
Hier eine Tabelle zu den Veränderungen bei der Sichtbarkeit von Frauen in Ringier-Artikeln:
Quelle: Ringier AG
Bei den meisten Ringier-Titeln wurden Zahlen bereits seit 2018 erhoben, sodass sich nun die Entwicklung im Body Score über Zeit betrachten lässt:
CFO Annabella Bassler beschwört die "Objektivität des EqualVoice-Factors". Er schaffe die Grundlage für faktenbasierte Diskussionen, die zu messbarer Veränderung führen – "der Ursprungsidee von EqualVoice". Die Entwicklung imponiere und zeige, dass EqualVoice in den Redaktionen "verinnerlicht" sei. Die unterschiedlichen Herangehensweisen der Redaktionen seien spannend zu beobachten, so die Finanzchefin des Hauses Ringier, für die es nach eigenen Angaben ein Leichtes war, die Verlegerfamilie Ringier und Michael Ringier sowie CEO Marc Walder zu überzeugen.
Nicht nur der inhaltliche Gender-Mix hat sich verbessert
Viel verändert hat sich in der Haltung der Redaktionen; sie haben nach Ringier-Angaben über die quantitative Messung hinaus individuelle Maßnahmen ergriffen. "So achten die Redaktionen stärker auf inklusive Formulierungen, eine ausgeglichene Gestaltung bei der Themenauswahl, den Protagonisten/-innen sowie bei der visuellen Gestaltung der Beiträge", heißt es in der Bilanz zu gut zwei Jahren EqualVoice.
Stefan Barmettler, Co-Chefredakteur der Handelszeitung, führt eine weitere Veränderung an: Er möchte den Frauenanteil in der Redaktion erhöhen. "Dieser liegt allgemein in Schweizer Wirtschaftsredaktionen sehr tief. Bei der Handelszeitung möchten wir hier einiges aufholen und haben deshalb ein Nachwuchsförderungsprogramm für junge, qualifizierte Berufseinsteigerinnen und -einsteiger lanciert", betont der Manager.
cash-Chefredakteur Daniel Hüglis Team hält bei der Interviewplanung "gezielt nach Frauen als Auskunftspersonen Ausschau" Der Wirtschaftstitel zielt auf einen "adäquaten Gender-'Mix'".
Ergänzende Projekte
Auch wenn der EqualVoice-Factor im Zentrum der Veränderungen im Hause Ringier steht: Weitere Projekte unterstützen den Wandel hin zu mehr Frauen in Text und Bild.
So können die Redaktionen auf eine "Expertinnenliste" zurückgreifen, ein Ringier-interne Recherche-Tool für Ansprechpartnerinnen aus Wirtschaft, Forschung und Politik. Daneben zielt die Fotochallenge EqualPyxx darauf ab, Bilder mit mehr Diversität zu generieren. Der Expertinnen-Workshop "Get Ready – Go Forward!" unterstützt Frauen, ihr Know-how noch besser zum Ausdruck zu bringen.
Eine internationale Ausdehnung des EqualVoice-Factors auf weitere Medienmarken sei in naher Zukunft geplant, kündigt Ringier an.
#EqualVoice-Factor Jahresbilanz 2021: Die Sichtbarkeit von Frauen in den #Medien von #Ringier & @RAS_Schweiz entwickelt sich positiv 📈 Mehr unter 👉 https://t.co/pb8gDYg5Lq #Schweiz #Equality @Blickch @BeobachterRat @BILANZ @cashch @GaultMillauCH @Handelszeitung @schweizerillu pic.twitter.com/MHjChf8T5n
— Ringier AG (@ringier_ag) January 25, 2022
Übrigens: Ab Februar sollen sich alle Redaktionen des MDR an der 50:50-Challenge beteiligen. Seit Anfang des Jahres ist die Dreiländer-ARD-Anstalt offizieller Partner der BBC-Initiative „50:50 – the equality project“. Ziel sei es, Gleichstellung und Diversität künftig in sämtlichen Redaktionsprozessen wahrnehmbar zu integrieren und alle Mitarbeiter:innen noch stärker für diese Themen zu sensibilisieren. Im Kern geht es damit um ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern in den Programminhalten. "Darüber hinaus können weitere Vielfaltsdimensionen im Rahmen der Challenge gemessen werden", heißt es. Dazu zählen etwa die Sichtbarkeit von Migrationsgeschichte bei Protagonist:nnen oder auch eine sichtbare Behinderung. Das BBC-Projekt wurde im Rahmen des Diversitäts-Gipfels der #MTM21 vorgestellt.
Gerade eben hat der Hamburger Verein ProQuote Medien analysiert, dass der Anteil weiblicher Führungskräfte in deutschen Medienhäusern zugenommen hat. Die Nase vorn hat die taz.
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