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So kommen Frauen in Ringier-Medien häufiger zu Wort

6. April 2021

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Projekt EqualVoice: Ringier misst seit Ende 2019 mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in den Artikeln aller Publikationen, wie oft Frauen vorkommen und zitiert werden. Das Schweizer Medienhaus versucht, diesen Anteil systematisch zu erhöhen. Im Interview mit dem Blog der Medientage München zieht CFO Annabella Bassler eine positive Bilanz.

 

Frau Bassler, Ringiers EqualVoice-Initiative soll die Sichtbarkeit von Frauen in Medien wie Blick, Handelszeitung, Bilanz und vielen anderen erhöhen und Frauen wie Männern in der Berichterstattung die gleiche Stimme geben. Wann schlägt das System Alarm?

Eine Alarmglocke läutet bei uns nicht. Die Unabhängigkeit der Redaktion und die Qualität der Berichterstattung haben im Hause Ringier oberste Priorität. Vielmehr hatte EqualVoice von Anfang an etwas sehr Partizipatives. Die Verlegerfamilie Ringier war sofort von meinem Vorschlag angetan und überließ es mir als CFO, die einzelnen Redaktionen für die Aktion zu gewinnen und einzubinden.

Dabei hat es gereicht, die richtigen Fragen zu stellen. Etwa: Findet ihr es normal, dass in der Schweiz drei von vier Medienberichten von Männern handeln? Das Verhältnis liegt in Deutschland übrigens bei 72 Prozent für Männer und 28 Prozent für Frauen. Weltweit drehen sich laut Global Media Report gar 82 Prozent der Artikel um Männer. Das ist erschreckend.

Wir wollten wissen, woran dieses Missverhältnis liegen könnte, was wir daran ändern könnten und wie wir die Zukunft unserer Angebote gestalten wollen. Besonders Medien prägen das gesellschaftliche Miteinander. Gerade für zukünftige Generationen wollen wir doch ein anderes Bild haben, ein diverses. Der Kern der Initiative ist der EqualVoice Factor, der Dank künstlicher Intelligenz misst, wie oft Frauen in unseren Artikeln zu Wort kommen.

 

Wir haben über das „Ob“ bei der Ausgewogenheit in der Berichterstattung gesprochen. Was tun Ringier-Medien für das „Wie“?

Zunächst haben wir mit dem Unconscious Bias allen vor Augen geführt, was diese unbewussten Vorurteile, die wir alle in uns tragen, mit uns machen. Das weckt eine gewisse Selbstkritik und lässt die Frage zu, ob wir in alte Muster zurückfallen.

Als Vorlage haben wir neben dem EqualVoice Factor den EqualVoice Frame etabliert. Damit wollen wir Gender-Stereotypen aufbrechen und die publizistische und technologische Kraft von Ringier für die Gleichstellung einsetzen.

Der Frame gibt vor, wie wir eine Frau ins Bild setzen, wie wir über sie schreiben. Wie formulieren wir die Passage, welche Fragen stellen wir? Geht es um Zitate aus dem beruflichen Umfeld, dann werden wir Frauen sicher nicht im Abendkleid mit tiefem Ausschnitt abbilden. Ein schönes Dekolleté hat nichts damit zu tun, wenn eine Expertin zu Ökologie oder Ökonomie zu Wort kommt. Das passt nicht in den Kontext!

Hier gibt es allerdings noch einiges zu verinnerlichen. Zumal Journalist:innen oft umgehend auf Ereignisse reagieren und auf die Schnelle Berichte für Magazine oder Zeitungen zusammenstellen müssen. Da passieren schon einmal Fehler. Doch wir arbeiten an uns.

Wie hat sich der Bremsfaktor Corona auf die Initiative ausgewirkt?

Wir haben im März und April 2020 aufgrund der Pandemie eine kleine Flaute im EqualVoice Factor registriert. Mit dem abrupten Lockdown wurden aus der Not heraus zunächst nur Politiker und Wissenschaftler als Gesprächspartner von den Redaktionen befragt. Nach und nach haben wir Expertinnen gefunden.

So hat sich das Verhältnis männlich:weiblich speziell in der Corona-Berichterstattung zügig positiv entwickelt: Mit Virologinnen, Politikerinnen und Expertinnen aus Pharma oder Chemie ist der EqualVoice Factor bereits im Frühsommer 2020 wieder angestiegen.

Der deutsche Verein ProQuote Medien versucht, das alte Argument aus der Welt zu schaffen, es mangele an Spezialistinnen für Interviews oder für offene Stellen. Kennen Sie diese Begründung auch aus Ihrer Arbeit?

Das Argument hat mich sogar angespornt. An dieser Frage ließ ich mich im vergangenen Jahr messen: Schaffen wir es, im Rahmen von EqualVoice bis Ende Dezember 200 Expertinnen auf unsere Kontaktlisten zu bekommen? Inzwischen, nur ein Quartal später, sind es sogar über 250. Es geht also, wenn man nur will.

Die Spannbreite an Expertinnen ist dabei enorm groß: das können Ärztinnen sein ebenso wie weibliche CEOs großer Unternehmen, aber auch Meteorologinnen oder eine Schiedsrichterin im Pferdesport. Wir wollen auch in dieser Frage Diversität beweisen und möglichst viele Berufsbilder widerspiegeln. Genauso, als würden wir männliche Experten befragen.

Wie verändert sich der journalistische Output?

Nach unseren Erfahrungen bei Ringier kann ich sagen: Es wird normal und egal, ob eine Frau oder ein Mann zu Wort kommt. Es interessiert nicht mehr, ob die Person weiblich ist, welche Kleider sie trägt oder wie sie den Alltag mit Kindern organisiert. Das Thema steht im Mittelpunkt, dazu werden Expertinnen und Experten interviewt. Punkt.

Dabei sollen Fragen nach dem Privatleben nicht generell verteufelt werden; das lässt sich oft nicht trennen. Doch dann sollte fairerweise auch bei Männern nach ihrer Work Life Balance nachgehakt werden.

Nehmen wir das Beispiel Mental Health, ein Thema, das gerade während der Corona-Pandemie enorm an Beachtung gefunden hat: Es ist doch spannend zu hören, wie Männer und Frauen sich öffnen, sich verletzlicher zeigen. Das ist authentisch für alle Seiten.

 

Wie hat sich der EqualVoice Factor im Ringier-Reich entwickelt?

Besonders erfreut uns die Entwicklung bei der Handelszeitung. Das Wirtschaftsblatt hat es geschafft, den Frauenanteil in der Berichterstattung von 17 auf 24 Prozent auszubauen. Wie jedes Medium in der Gruppe hat die Redaktion die Ziele des EqualVoice Factors persönlich für sich bestimmt.

Der Ansatz war ein besonders interessanter: Die Handelszeitung hat sich überlegt, wie viele Frauen in der Schweiz in Verwaltungsräten und Führungsgremien sitzen. Da dieser Anteil bei rund 25 Prozent liegt, muss sich die Berichterstattung der Handelszeitung diesem Wert annähern. Jetzt ist mit 24 Prozent schon viel erreicht. Und das Team macht weiter.

Noch ein Beispiel: Die Chefredakteurin von Blick Online, Katia Murmann, hat den Beweis angetreten, dass mit EqualVoice etwas bewegt werden kann. Bei der Boulevardmarke sind wir im Netz bei unseren Usern inzwischen mit dem Frau:Mann-Verhältnis 50:50 unterwegs.

Kurzum: Die Chefredaktionen brennen für das Thema EqualVoice. Sie erkennen den Mehrwert des EqualVoice Factors.

 

Hat sich innerhalb des Konzerns seither etwas im Umgang mit und zwischen Kolleg:innen getan?

Sehr viel sogar. Gemeinsam mit unserem Vorstandschef Marc Walder haben wir zügig beschlossen, auch intern den Worten Taten folgen zu lassen. Unter anderem haben wir bei Ringier im vergangenen Jahr ein Diversity & Inclusion Board eingeführt, das die Vielfalt unserer Mitarbeitenden stärken soll - besetzt haben wir das Gremium mit vier Vorstandsmitgliedern. Es ist wichtig, dass wir intern umsetzen, was wir nach außen ausstrahlen möchten.

Nehmen wir ein Beispiel: Junge Journalistinnen, die sich früher nicht so recht getraut hätten, auf Ungleichbehandlungen hinzuweisen, melden sich jetzt einfach zu Wort und sagen: Das ist nicht EqualVoice! Dieses geflügelte Wort hat uns nach vorne katapultiert, es bewegt etwas.

 

Es gibt doch auch wirtschaftliche Gründe für Medien, weiblicher zu berichten?

Natürlich, denn Medien brauchen stets innovative Themen. Medien wollen und sollen die unterschiedlichsten Zielgruppen ansprechen. Die Generation der 20- bis 40-Jährigen erwartet diverse Inhalte – ein wichtiger Aspekt, um junge Leser:innen zu erreichen.

 

Ringier als größtes Schweizer Verlagshaus will andere inspirieren und das Projekt EqualVoice weitertragen. Ist das bereits gelungen?

Wir sprechen unter anderem mit diversen deutschen Verlagshäusern. Dabei ist es nicht in unserem Interesse, dass allein die Vorstände und Geschäftsführungen mitziehen. Viel wichtiger ist, dass die Redaktionen den EqualVoice Factor für sich entdecken und adaptieren. Über andere Journalist:innen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, erhoffen wir zusätzliche Impulse.

Ich habe mit EqualVoice im November 2019 ein Steinchen ins Wasser geworfen. Was sich daraus entwickelt hat, ist enorm: Es gibt viele Journalist:innen, die sich mit dem Thema identifizieren, Fotograf:innen ziehen mit, neue Medienpartnerschaften beruhen auf diesem Prinzip. Spannend ist auch, dass die Anzeigenabteilung initiiert hat, Werbekunden für das Projekt EqualVoice zu begeistern. Und selbst auf politischer Ebene kennen die drei Schweizer Bundesrätinnen unsere EqualVoice Initiative.

Nun geht es auch in die nächsten Länder weiter Polen ist bereits aufgegleist. Toll wäre es, wenn wir für EqualVoice auch deutsche Medienhäuser gewinnen könnten.

 


 

Zur Person:

Dr. Annabella Bassler, seit Juni 2012 Chief Financial Officer (CFO)  der Ringier Gruppe, startete ihre Karriere bei dem Schweizer Medienkonzern im Jahr 2007. Sie war in verschiedenen Finanzfunktionen und auch für die Aktivitäten von Ringier in Rumänien verantwortlich. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Verwaltungsrats der Ticketcorner AG, der Ringier Axel Springer Schweiz AG, der Ringier Axel Springer Media AG und der Ringier Digital Ventures AG. Im November 2019 lancierte Dr. Annabella Bassler die Ringier-Initiative EqualVoice, die sich für eine gleichberechtigte Stimme von Frauen und Männern in den Medien einsetzt.

Dr. Annabella Bassler studierte Wirtschaftswissenschaften an der European Business School in Oestrich-Winkel, Buenos Aires und Los Angeles und promovierte anschließend. Nach praktischen Erfahrungen in der Unternehmensberatung arbeitete sie von 2004 bis 2007 in verschiedenen Finanzfunktionen für Hamburg Süd, die ehemalige Reederei der Oetker-Gruppe.

 


Die MEDIENTAGE MÜNCHEN finden dieses Jahr vom 25. bis 29. Oktober statt. Sie stehen unter dem Motto New Perspectives. Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona Pandemie und zeigen neue Perspektiven auf. Dazu zählen aus unserer Sicht auch diversere Medien.

 

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Sie interessieren sich für Themen rund um die Medienbranche? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes. Zudem können Sie Medienthemen auch hören: im neuen Podcast der Medientage München. Die Folge 19 stellt die Frage „Warum wir mehr Vielfalt brauchen“.

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