Auch wenn das klassische Print-Geschäft leidet, es tun sich Hoffnung machende neue Projekte und Geschäftsfelder auf – im Journalismus, im Vertrieb und auch beim Zugang zur Community. Was sich für das kommende Jahr abzeichnet.
Neue Erlösfelder stützen das Print-Geschäft.
Die Verlage verdienen immer noch gutes Geld, vor allem die, die es verstanden haben, ihr Digitalbusiness auszubauen, um den Leser:innenschwund sowie den Anzeigenrückgang im Analogen abzufedern. Laut BDZV-Bericht "Branchenbeitrag 2024 – Zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen" konnten sie ihre Gesamterlöse bei 7,5 Milliarden Euro halbwegs stabil halten.
Nicht nur bei den Zeitungshäusern geht es mit den Print-Zahlen bergab, bei den Zeitschriftenmarken erodieren die Auflagen ebenfalls. Auch hier profitieren die Häuser vom Aufbau digitaler und nicht-klassischer Geschäftsfelder, wie beispielsweise den Event-Bereich. Im Geschäftsjahr 2023 lag der Gesamtumsatz stabil bei 19,3 Milliarden Euro über alle Gattungen.
Unterdessen darf man nicht verhehlen, dass sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren ein Besorgnis erregender Trend breitgemacht hat: Lokalzeitungen verschwinden, beispielsweise in einigen dünn besiedelten Regionen in Thüringen und Brandenburg.
Liebevoll gemachte Print-Produkte finden ihre Leserschaft.
Drei von zehn Deutschen lesen wöchentlich mindestens eine von über 1000 Zeitschriften – zur Entspannung und zum Informationsgewinn. Sogar die unter 14-Jährigen können sich für das Old-School-Produkt Print begeistern. So konnte Zeit Leo seit dem Relaunch vor drei Jahren die verkaufte Auflage von 45.000 auf 50.000 Exemplare steigern. Das gelang unter anderem auch durch die Einführung eines Leserrats, dem fünf Kinder unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Wohnorts und mit diversen Hobbys und Hintergründen angehören. Das schafft Augenhöhe zwischen Redaktion und Zielgruppe.
Viel richtig macht auch die Zeitschrift Freundin aus dem Hause Hubert Burda Media. Die Mischung an Themen, die die Doppelspitze aus Anke Helle und Mateja Mögel, anbietet, kommt an. Die beiden Chefredakteurinnen legen Wert darauf, nicht nur schöne Klamotten zu zeigen, sondern auch kluge Haltung zu präsentieren. Gegen den allgemeinen Printtrend, konnten Mögel und Helle die Auflage der Freundin stabilisieren und 2024 bei Abo und Einzelverkauf 15 Prozent hinzugewinnen – auf 145209 Exemplare.
Recherchieren auf eigene Kappe.
Vor zwei Jahren wechselten die Chefs des SZ-Investigativ-Ressorts, Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, in die Selbstständigkeit und gründeten die Recherche-Redaktion Paper Trail Media. Spiegel, ZDF, der Standard und Tamedia sind ihre Kunden. Paper Trail Media hat 2024 über 100 Investigativ-Geschichten initiiert, darunter die Vulkan-Files, die Enthüllung zu einer russischen Hackerfirma oder World of Pain, ein Rechercheprojekt zu umstrittenen Schmerzmittel-Geschäften in Deutschland.
Neuen Lokaljournalismus peilen Ronja Straub und Julia Baumann an. Und so sollte er sein: digital, modern, nah am Menschen und konstruktiv. Die beiden kommen von der Schwäbischen Zeitung, wo es zuletzt arg gerumpelt hat. Derzeit läuft die Crowdfunding-Aktion zur Gründung. Mit 700 zahlenden Unterstützenden wollen sie ein digitales Nachrichtenmagazin für Lindau und die Region im Südwesten Deutschlands starten.
Der Vertrieb stellt sich neu auf.
Das Grosso-System sei nicht mehr finanzierbar und nicht zukunftsfähig, monierten zuletzt einige Verlage. Sie wollen, dass Presseprodukte im Einzelhandel diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen – das ist das Ziel der Verlagsallianz Fit for Future, zu der sich elf Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zusammengetan haben. Die Zustimmung des Bundeskartellamtes steht noch aus.
Im Digitalvertrieb machte zuletzt der Zeitungsverlag Waiblingen von sich reden. Er hat im Verbreitungsgebiet seiner vier Tageszeitungen Pop-up-Redaktionen aufgebaut. Zum einen, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, zum anderen, um die Funktionsweise des E-Papers zu erklären und in diesem Zuge Digital-Abos zu verkaufen. Die Aktion lief erfolgreich und wird laut Verlag 2025 fortgesetzt.
KI hilft, die Zielgruppen besser zu verstehen.
In mehr als jedem dritten Medienhaus ist KI bereits heute schon integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Laut aktueller Studie des Verlegerverbands MVFP und Nxt Statista bewerten 85 Prozent der Medienunternehmen KI als große Chance und wichtiges Mittel zur Erlössteigerung.
Schon jetzt wirkt die Künstliche Intelligenz in den Bereichen Redaktion und Produktion unterstützend, zunehmend profitieren auch die Erlösfelder Vertrieb und Vermarktung: Tageszeitungen experimentieren beispielsweise mit der dynamischen Steuerung der Paywall und der Frage, ob es schlauer ist, einen Artikel vor oder hinter die Paywall zu stellen. Die FAZ nutzt KI unter anderem auch für die Abonnent:innenbindung. Basierend auf verschiedensten Datenpunkten errechnet ihr System eine Stornowahrscheinlichkeit von 0 bis 100 Prozent.
Auch in der Online-Vermarktung hilft Kollege Computer mit – bei der Angebotserstellung, der Buchung und der Personalisierung von Werbemaßnahmen. So nutzt beispielsweise die Funke Mediengruppe KI, um mithilfe von Clustering-Methoden präzise Zielgruppen-Segmente zu identifizieren und Personalisierungen zu entwickeln, so dass sie gezielt auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sein.
Verlage und der direkte Draht zum Smartphone-User.
Seit einem Jahr nutzen Publisher die Möglichkeit, ihrer Leserschaft Nachrichten über die abonnierbaren Broadcast-Kanäle von WhatsApp zu schicken, mit Text, Fotos, Videos, Links oder Emojis. Medienmarken wie Kicker, Bild, Welt, Heise Online und der Schwarzwälder Bote nutzen diese Möglichkeit und erreichen dort ein riesiges Publikum. Das Angebot wächst und wächst. Kein Wunder, denn laut ARD/ZDF-Onlinestudie sind 84 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter von über 14 Jahren zumindest einmal wöchentlich auf dem Messanger aus der Meta-Familie unterwegs.
Doch nicht nur auf WhatsApp, auch auf den gängigen Podcast-Kanälen sind die Publisher verstärkt unterwegs, um den Kontakt zu ihrer Zielgruppe auszubauen. Zeit Verbrechen, die True-Crime-Marke des Verlages, ist nur eines von vielen Beispielen.
Aber auch die Süddeutsche Zeitung verpackt ihre journalistische Qualität in einem Nachrichten Podcast, darunter „Auf den Punkt“, „Das Thema“ sowie „Und nun zum Sport“.
Werbungtreibende trommeln für Qualitätsmedien.
Die Zahlen sind alarmierend: Laut McKinsey Global Institute wird 2040 der Anteil der digitalen Werbung bei 90 Prozent liegen. Ein paar wenige Tech-Konzerne teilen dann fast das gesamte Werbegeld unter sich auf, für die klassischen Medien wie Print, TV, Außenwerbung, Radio und Kino bleibt nur noch ein kleiner Rest. Damit könnte sich Journalismus nicht mehr über Werbung refinanzieren.
Werbungtreibende stemmen sich dagegen und gründeten unter der Ägide des Agenturnetzwerkes Omnicom die Initiative 18. Sie fordert, dass freie, sichere und nachhaltige Medien als das 18. Nachhaltigkeitsziel in die UN-Charta aufgenommen werden.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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